Es hätte eine Katastrophe werden können, doch der Amok-Alarm an einer Memminger Schule ging ohne Blutvergießen zu Ende. Der Tatverdächtige stellte sich nach stundenlangem Nervenkrieg erst am Abend. Nun beginnen die Ermittlungen zu den Hintergründen.
Memmingen (dpa) - Er ist mit zwei scharfen Waffen in die Schule gegangen. Hier - wie auch später auf einem Sportgelände in Memmingen - schoss er um sich, offenbar aber nicht gezielt. Nach dem glimpflichen Ende des Großeinsatzes am Dienstagabend ohne Verletzte und der Festnahme des Tatverdächtigen stehen nun die Ermittlungen zu den Hintergründen auf dem Programm: Woher hatte der Jugendliche die Waffen? Warum brachte er sie mit in die Schule und was war der Grund seiner Tat?
Ein Polizeisprecher sagte am frühen Mittwochmorgen, kurz vor der Tat sei die Beziehung des Jugendlichen zu seiner Freundin in die Brüche gegangen. Ob dies in Zusammenhang mit der Tat stehe, sei aber noch unklar. Woher der 14-Jährige die Waffen hatte, werde weiter ermittelt. "Sein Vater war legaler Waffenbesitzer und Sportschütze", sagte der Sprecher. Der Tatverdächtige wurde nach seiner Festnahme am Dienstag in eine jugendpsychiatrische Einrichtung gebracht und sprach dort mit einem Jugendpsychiater. Am Mittwoch soll er dem Haftrichter vorgeführt werden.
Der Jugendliche hatte am Dienstagmittag an seiner Schule im bayerischen Memmingen geschossen und sich anschließend auf einem Sportplatz verschanzt. Nach mehrstündigen Verhandlungen mit der Polizei konnten Beamte den bewaffneten Jugendlichen am Dienstagabend festnehmen, nachdem er weitere Schüsse abgegeben und schließlich aufgegeben hatte. In dem Sportheim auf dem Gelände hielt sich über Stunden auch noch eine Gruppe von etwa 15 Kindern und Erwachsenen auf. Sie war aber nach Angaben des Polizeisprechers in Sicherheit.
Drei Schüler hätten den 14-Jährigen mittags am Eingang des Gebäudes mit Waffen in der Hand gesehen und den Schuss gehört. Danach flüchteten die etwa 280 Schüler sofort mit den Lehrern in die Klassenzimmer und verschanzten sich darin. Mit mehrmaligen Lautsprecherdurchsagen wurden sie aufgefordert, die Räume nicht zu verlassen. Laut ersten Aussagen von Mitschülern hatte es zwischen dem Jugendlichen und Mitschülern vor dem Schuss einen Streit gegeben.
Die Polizei hat den 14-jährigen Tatverdächtigen gefasst, der am Dienstag ganz Memmingen in Atem gehalten hatte. Niemand wurde verletzt . Wie die Polizei mitteilte, nahmen die Beamten den Jugendlichen auf einem Sportplatz im Memminger Stadtteil Steinheim fest. Mit dem Schüler, der sich auf einem Sportgelände in einer Hütte verschanzt hatte, konnte Kontakt aufgenommen werden. Die Bemühungen der Polizei, den Jungen zur Aufgabe zu bringen, zeigten letztlich Erfolg. Um 20.10 Uhr kam die Meldung, dass der Schüler aufgegeben hat. Er wurde durch Polizeikräfte festgenommen und zu einem Notarzt gebracht. Die Waffen sind sichergestellt. Gegen den strafmündigen Jugendlichen wurde Haftbefehl erlassen. Das Motiv ist noch unklar.
Zunächst hatte der 14-Jährige in einer Schule einen Schuss abgegeben. Anschließend verschanzte er sich auf dem Sportplatz im Memminger Stadtteil Steinheim. Dort hielt er sich eine Waffe an den Kopf und schoss mehrfach, "aber nicht gezielt auf Polizisten", wie ein Polizeisprecher sagte. Immer wieder waren auf dem Gelände Schüsse zu hören. Verletzt wurde niemand.
Großaufgebot der Polizei
Ein Großaufgebot von Polizisten mit Hunden und Hubschraubern hatte den Jugendlichen am späten Dienstagnachmittag auf dem Sportplatz entdeckt. Er gab trotz der ausweglosen Lage am Abend zunächst nicht auf. Eine Verhandlungsgruppe der Polizei stand mit dem bewaffneten Schüler im Gesprächskontakt, berichtete ein Polizeisprecher.
Ziel der Verhandlungen war es, den Schüler zu beruhigen und zum Aufgeben zu überreden, sagte der Sprecher. Informationen, dass auch der Vater des Jungen bei der Verhandlungsgruppe sei, bestätigte der Sprecher bisher nicht. Seitens der Polizei sei nicht geschossen worden, stellte der Polizeisprecher klar.
15 Jugendliche in Sportheim
Im Sportheim in Steinheim befanden sich etwa 15 Jugendliche und der Wirt des Sportheims, die zufällig anwesend waren. Polizisten konnten die Jugendlichen aber sichern. Die Polizei, die das Gelände in Steinheim umstellt hatte, wollte aber keinen Zugriff auf den Täter wagen, um das Leben der Jugendlichen und des Wirts nicht zu gefährden. Der bewaffnete Schüler hielt sich permanent eine Waffe an den Kopf. Drei Personen, die sich in einem Pkw vor dem Sportheim befanden, wurden in Sicherheit gebracht.
"Hau ab, sonst erschieß' ich dich"
Der Schüler hatte am Dienstag im schwäbischen Memmingen in einer Mittelschule einen Schuss abgegeben. Er hatte in die Decke geschossen und hielt zwei Pistolen in der Hand – eine davon an den Kopf einer Aufsichtsperson. "Hau ab, sonst erschieß' ich dich", soll er einem Zeugen zufolge zu ihr gesagt haben. Drei Schüler hatten den Jugendlichen mit den Waffen in der Hand gesehen. Dann war ein Schuss im Eingangsbereich der Schule zu hören. Aufgrund der Mitteilung hatten sich ein Großaufgebot der Polizei zur Schule begeben. Hubschrauber überflogen das Gelände. Nachdem der Schütze in der Schule nicht entdeckt wurde weitete die Polizei die Suche auf das Memminger Stadtgebiet aus. Am Sportplatz in Steinheim entdeckten sie schließlich den Amokläufer.
SEK durchsuchte Gebäude
Die Schüler seien sofort mit den Lehrern in die Klassenzimmer geflüchtet, berichtet die Polizei. Pädagogen alarmierten gegen 12.30 Uhr die Polizei. Ein Spezialeinsatzkommando der Polizei, das gegen 14 Uhr eintraf, durchsuchte das Gebäude, ohne den Täter zu finden. Laut Polizei handelt es sich bei dem Jungen wohl um einen 14 Jahre alten Schüler der 8. Klasse. Bei der Schule handelt es sich um die Lindenschule, eine Mittelschule.
Die Waffen des Schülers stammten wohl aus dem Besitz des Vaters. Dies konnte ein Polizeisprecher jedoch zunächst nicht bestätigen - dies werde noch überprüft. "Wir ermitteln jetzt im Umfeld des Jungen, bei Freunden und der Familie", so die Polizei.
280 Schüler verschanzten sich in Schule
Amokläufe: Von Texas über Winnenden bis Oslo
Der 1. August 1966 gilt als Auftakt der seitdem nicht mehr abgerissenen Serie von Amokläufen: An der Universität von Texas schießt ein Mann mehr als eine Stunde lang von einem Turm der Uni herunter auf Menschen. 14 Personen kommen ums Leben.
Am 16. Oktober 1991 bringt in Killeen (Texas) ein Mann in einem Café 23 Personen um. Anschließend richtet er sich selbst.
20. April 1999: Die beiden Schüler Eric Harris und Dylan Klebold stürmen die Columbine High School in Littleton in den USA. Sie töten dort zwölf Schüler und einen Lehrer. 24 weitere Personen werden verletzt. Danach richten sich die Amokläufer selbst. Diese Tat gilt als zweiter Auftakt von Amokläufen und als Beginn des Schul-Amoks.
Der erste Schulamok in Deutschland findet am 26. April 2002 statt: Am Gutenberg-Gymnasium in Erfurt tötet der 19 Jahre alte Schüler Robert S. 16 Menschen. Danach richtet er sich selbst. Der Amokläufer war ein Jahr zuvor von der Schule verwiesen worden.
In Emsdetten schießt ein 18-Jähriger 20. November 2006 in seiner ehemaligen Schule um sich. Mehrere Menschen werden verletzt. Dann tötet sich der Täter selbst.
Am 16. April 2007 erschießt ein Mann an der Technischen Universität von Virginia 32 Menschen und verletzt 15 weitere. Es ist der folgenschwerste Amoklauf in der Geschichte der USA.
Der Amoklauf von Winnenden am 11. März 2009: Der 17 Jahre alte Tim K. tötet 15 Menschen. Nachdem einer mehrstündigen Flucht vor der Polizei tötet er sich selbst.
Am 22. Juli 2011 lässt der spätere Amokläufer Anders Behring Brevik eine Autobombe in Oslo detonieren. Danach fährt er auf die nahegelegene Insel Utoya und tötet etwa 70 Jugendliche.
Bei einem Amoklauf im belgischen Lüttich tötet ein 33-jähriger Belgier am 13. Dezember 2011 sechs Menschen und verletzt 124 weitere Opfer.
In Serbien erschießt ein Mann im April 2013 insgesamt 13 Verwandte und Nachbarn, darunter sechs Frauen und ein kleines Kind.
Die in der Schule anwesenden 280 Schülerinnen und Schüler wurden umgehend mit mehrmaligen Lautsprecherdurchsagen dazu aufgefordert, die Klassenzimmer nicht zu verlassen. Auch wurden die Klassenzimmer von den Lehrkräften versperrt.
Die Schülerinnen und Schüler wurden zum Parkplatz des Einkaufsmarktes „ALDI“ gebracht, der sich in der Hans-Grässel-Straße 6 in Memmingen befindet. Betroffene Eltern wurden gebeten, ihre Kinder dort abzuholen. Die Kinder und Jugendlichen wurden psychologisch betreut. (mit dpa)