Claudia Schwarz ist als Kloster-Besetzerin bekannt geworden, weit über die Grenzen der Marktgemeinde Altomünster im oberbayerischen Landkreis Dachau hinaus. Die Juristin kämpft seit mehr als einem Jahr besonders vehement für ihren Traum vom Leben hinter Klostermauern. Die 39-Jährige will unbedingt Nonne werden – und weigert sich, das vom Vatikan im Jahr 2015 per Dekret aufgelöste St.-Birgitta-Kloster, ein teils überaus marodes Gebäudeensemble im Zentrum Altomünsters, zu verlassen.
Angehende Nonne erreicht vor Gericht einen Teilerfolg
Am Donnerstag führte sie ihr Kampf, der auch auf zivil- und kirchenrechtlicher Ebene ausgetragen wird, nach München vor das Bayerische Verwaltungsgericht: Schwarz gegen den Freistaat Bayern, in Gestalt des Landratsamtes Dachau. Das Ergebnis der mündlichen Verhandlung empfindet Schwarz als einen Etappensieg, auch eine gewisse Genugtuung ist ihr anzumerken: Sie darf vorerst im Kloster bleiben.
Das Gericht entscheidet, das Verfahren ruhen zu lassen – bis der Vatikan endgültig das Ende des Klosters bestätigt. Oder eben nicht: Gegen dessen Auflösung läuft nämlich ein Einspruch; Schwarz hofft auf die Aufhebung der Auflösung. Und sie glaubt fest daran, dass sich dann auch wieder mehr als die für eine Ordensgemeinschaft kirchenrechtlich benötigten mindestens drei Mitglieder in Altomünster zusammenfinden werden.
Schwarz selbst bezeichnet sich als Postulantin, also als Ordensanwärterin, die jedoch gegenwärtig „suspendiert“ sei. Sie lebe von Ersparnissen aus ihrer Zeit als Anwältin in München, sagt Schwarz, die seit Oktober 2015 im Kloster Altomünster wohnt. Ein Mal die Woche kaufe sie ein, sie brauche nicht viel, schon gar nicht in der Fastenzeit. „Die Klosterrettungs-Geschichte“, wie sie es nennt, ist zu einer ihrer Hauptbeschäftigungen geworden. Warum sie nicht in einen anderen Orden eintrete? Das Kloster, der Birgittenorden – das sei ihre Berufung. „Es geht nicht um mich. Es geht darum, was Gottes Wille ist.“
Sie will zurück in Zelle 7
Am Donnerstag geht es um die Frage, ob Schwarz in Zelle 7 wohnen darf. Das tut sie zwar seit Monaten nicht mehr, sie zog in eine andere – näher am Ausgang. Aber sie wolle, sagt sie zu Beginn, in Zelle 7 zurück. Es ist ein juristischer Kleinkrieg. Am Ende der Verhandlung verzichtet sie darauf. Das Landratsamt Dachau hatte ihr per schriftlichem Bescheid im Mai 2017 die Nutzung von Zelle 7 „zu Wohnzwecken untersagt“. Aus Brandschutzgründen. Der Sprecher des Landratsamtes, Wolfgang Reichelt, sprach von einer „Todesfalle“. Mit Blick auf den Umzug von Schwarz erklären Vertreter des Landratsamtes vor Gericht: „Unseres Wissens nach wird die Nutzungsuntersagung eingehalten.“ Sowie: Im Kloster gebe es sicherlich Räume, die brandschutzrechtlich in Ordnung seien. Man sehe „derzeit keine Veranlassung, eine weitere Nutzungsuntersagung auszusprechen“.
Damit hat Schwarz ein Ziel erreicht. Denn sie klagte auch gegen den Bescheid, weil sie „Nutzungsuntersagungen“ für weitere Zellen oder gar das gesamte Kloster verhindern wollte. Im ersten Fall hätte sie aus ihrer Sicht Mal um Mal juristisch dagegen vorgehen müssen; im zweiten Fall wäre ihr Traum, Ordensschwester des alten Zweigs des Birgittenordens in Altomünster zu werden, schneller geplatzt als von ihr befürchtet.
Das Kloster Altomünster war die letzte deutsche Niederlassung des Ordens. Mit der Auflösung und dem Auszug der früheren Priorin Apollonia Buchinger, der letzten dort noch lebenden Nonne, im Februar 2017 endete eine Jahrhunderte währende Tradition.
Im Januar 2017 war das Kloster samt seinem Landbesitz vom Erzbistum München und Freising übernommen worden. Und das will, dass nun auch „die selbst ernannte Postulantin“ Schwarz endlich auszieht. Erst dann könnten bauliche Sicherungsmaßnahmen sowie die Erfassung der Bausubstanz beginnen, erklärt Bettina Göbner von der Pressestelle des Erzbistums am Donnerstag. Diese Maßnahmen sind Voraussetzung für die wohl mehrere Millionen Euro teure Sanierung und den Umbau des Gebäudeensembles, möglicherweise zu einem Exerzitien- oder Bildungshaus. Über die Verhandlung vorm Verwaltungsgericht sagt Göbner: „Wir müssen nun die Entscheidung des Gerichts erst einmal prüfen und sehen, ob sich weiterer Handlungsbedarf ergibt.“ Das Landratsamt könnte auf Bitten des Erzbistums erneut zu einer Prüfung von Kloster-Räumlichkeiten gebeten werden – falls etwa befürchtet werde, dass eine Gefahr für Leib und Leben besteht, erklärt ein Vertreter des Landratsamtes vor Gericht. Ausschließen könne er das nicht. Eine Brandschutz-Überprüfung des gesamten Klosters sei wegen des großen Aufwands unverhältnismäßig. Und Claudia Schwarz sagt: „Keine einzige Schwester ist durch einen Brand in den vergangenen 500 Jahren ums Leben gekommen.“ Sie habe keine Angst.
Bereits am 26. Februar treffen sich Schwarz und Vertreter des Erzbistums München und Freising vor dem Landgericht München II. Im Mai 2017 hatte man einen Vergleich geschlossen: Schwarz dürfe im Kloster wohnen, bis der Vatikan entschieden hat. Aus Sicht des Erzbistums hat er das – er habe, sagt Göbner, einen ersten Einspruch von Schwester Apollonia Buchinger gegen die Auflösung des Klosters abgelehnt. Schwarz sieht das anders, verweist auf einen weiteren Einspruch und das noch laufende kirchenrechtliche Verfahren. „Wann der Vatikan endgültig entscheiden wird, können wir nicht absehen“, sagt Göbner.
Vom Vatikan hängt zudem die Zukunft eines vier Hektar großen Baugebiets ab, das die Marktgemeinde Altomünster gemeinsam mit dem Erzbistum auch auf ehemaligen Kloster-Flächen entwickeln will. So lange die Vatikan-Entscheidung aussteht, macht das Erzbistum jedoch keine Geschäfte mit dem Klostergrund. In dem Baugebiet sollen 35 bis 40 Bauplätze vornehmlich für junge Familien und sozialen Wohnungsbau entstehen, sagt CSU-Bürgermeister Anton Kerle. Er hat Verständnis für das Vorgehen des Erzbistums, ärgert sich allerdings über den Stillstand. Bislang habe die Marktgemeinde eine Million Euro in das Baugebiet investiert. „Die Bagger könnten kommen“, sagt er. Das Baugebiet sei für seine Gemeinde wichtig angesichts der Wohnungsnot und dem Zuzug etwa aus München. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom Donnerstag sei „nicht von Vorteil“ für Altomünster, sagt Kerle. Denn sie bedeute weiterhin Stillstand – auch für das ortsbildprägende Kloster. Was aus ihm werde, sei noch völlig ungewiss. Und solange Claudia Schwarz dort wohne, könne sich ohnehin nichts bewegen. „Ich finde es schade, dass sich ein junger Mensch, der eine Berufung verspürt, in juristischem Hickhack verkämpft“, meint Bürgermeister Anton Kerle dann noch.