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"Allgäuer Dorf": Tourismus-Projekt sorgt für Aufregung im Allgäu

"Allgäuer Dorf"

Tourismus-Projekt sorgt für Aufregung im Allgäu

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    In unmittelbarer Nähe zum Forggensee bei Füssen soll das "Allgäuer Dorf" entstehen.
    In unmittelbarer Nähe zum Forggensee bei Füssen soll das "Allgäuer Dorf" entstehen. Foto: Animation: Geisler&Trimmel

    In Kaufbeuren, Illertissen oder Augsburg liefe das Ganze wohl anders ab. Da würde man allen, die mit solch einem Großprojekt anklopfen, den roten Teppich ausrollen. Ein überregionaler Tourismusmagnet statt grüner Wiese. 40 bis 60 Millionen Euro Investitionsvolumen, 200 Arbeitsplätze, mindestens 300 000 Besucher pro Jahr. Diese Kalkulation ist Balsam für Kommunen, deren Gewerbeflächen seit langem im Dornröschenschlaf liegen.

    Und dennoch überwiegen im Füssener Land die Zweifel. Forggensee, Ammergebirge, Königsschlösser, dazwischen jede Menge schmucke Orte: Hier präsentiert sich das Ostallgäu von seiner schönsten Seite. „Warum brauchen wir da ein Erlebnisdorf?“, sprach Reinhold Sontheimer, Rathauschef im Nachbarort Schwangau, jüngst vielen Bürgern aus der Seele.

    Steht das Kunstprodukt irgendwann als Geisterdorf da?

    Das Allgäuer Dorf – Riesenchance oder Rohrkrepierer, regionales Schaufenster oder dürftiges Disneyland? Das Projekt entzweit die Menschen schon lange vor dem Startschuss der Bauleitplanung. Auf der einen Seite die Befürworter: Landrat, Touristiker und Bürgermeister umliegender Gemeinden. Auf der anderen Seite Hoteliers, Heimatverbände und eben jene Bürger, die auf einer Premiumfläche am Forggensee ein realitätsfremdes Kunstprodukt fürchten, das irgendwann als Geisterdorf dastehen könnte.

    „Nein, das Gegenteil ist der Fall“, schüttelt Füssens Stadtoberhaupt Paul Iacob energisch den Kopf. Der überzeugte Verfechter des Projekts ist sicher: „Das Dorf wird jede Menge neue Besucher anziehen und nachhaltige Impulse für Füssen und sein Umland bringen.“ Landrat Johann Fleschhut formuliert es plakativ: „Der Tourismus–Kuchen wird dadurch deutlich größer.“ Denn das „Schaufenster des Allgäus“ zeige die Region in ihrer ganzen Vielseitigkeit. Gewachsene Traditionen und lebendige Gegenwart, bayerische Gemütlichkeit und moderne Errungenschaften – all das soll in Füssen zum spannenden Erlebnis werden.

    Feriendorf und Hotel mit insgesamt 600 Betten

    Geplant sind Holzgebäude im Stil Allgäuer Regionen zwischen Lech und Bodensee, in denen etwa altes Handwerk vorgestellt wird. Glasbläser, Käser, Geigenbauer oder Gamsbartbinder: Sie will der Tiroler Projektentwickler Erwin Trimmel ins Dorf holen. Auch ein Bauernhof, ein Feuerwehrhaus, eine Kapelle, eine Erlebnis-Brauerei, urige Lokale und ein Marktplatz sind vorgesehen. Zudem soll das „moderne Allgäu“ eine Plattform erhalten, etwa im Bereich regenerativer Energien.

    Wirtschaftlich interessant wird das ohne öffentliche Gelder finanzierte Projekt aber erst durch zwei weitere Zutaten: ein Feriendorf und ein Hotel mit zusammen rund 600 Betten, ausgerichtet auf Familien. Dabei seien die Häuser im Füssener Land schon jetzt nicht ausgelastet, protestieren heimische Vermieter. Sie fürchten einen Anbieter, der die Konkurrenz dank subventionierter Grundstückspreise mit Dumpingkonditionen ausbooten könnte.

    Bürgermeister Iacob will Betreiber bald bekanntgeben

    Noch im April will Bürgermeister Iacob den Namen des maßgeblichen Betreibers nennen, der europaweit für das Dorf und die Region trommeln werde. Gerüchte sprechen von einem „ganz Großen“ aus der Tourismusbranche. Das will Iacob nicht bestätigen. Nur so viel: „Wenn der Name bekannt ist, werden in Füssen die Sektkorken knallen.“

    Solche Sätze lassen Heimatfreunde kalt. Martin Wölzmüller vom Bayerischen Landesverein für Heimatpflege etwa lehnt das Projekt kategorisch ab: „Ich habe Verständnis für eine wirtschaftliche Nutzung – aber nicht auf diese Art und Weise.“ Eine vielschichtige und traditionsreiche Region lasse sich nicht derart komprimiert darstellen. „Das schadet dem echten Allgäu“, warnt er vor einem Etikettenschwindel.

    Viel Arbeit im Stillen nötig

    Diese Kritik wiederum ärgert Füssens Tourismusdirektor Stefan Fredlmeier. Ein Vorhaben abzuschmettern, bevor Investoren, Betreiber und Planungs-Details feststehen, nennt er „fahrlässig“. Fredlmeier hält das Dorf für einen „regionalen Leuchtturm“, der eine Lücke im Angebot schließe. Wobei er zugibt, dass es einzelne Risikofaktoren gebe und man anfangs in puncto Authentizität zu hohe Erwartungen geweckt habe. „Man darf sich nichts vormachen: Das Dorf ist eine touristische Anlage.“

    Und die dürftige Einbindung der Öffentlichkeit? Das sei bislang nicht anders möglich gewesen, sagt Projektentwickler Trimmel: „Ein Projekt dieser Größe bringt man nicht mit einem Fingerschnippen auf die Schiene.“ Dafür sei viel Arbeit im Stillen nötig.

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