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Allgäu: Kranke Tiere: Tuberkulose-Tests werden ausgeweitet

Allgäu

Kranke Tiere: Tuberkulose-Tests werden ausgeweitet

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    Im Landkreis Oberallgäu mussten bereits mehr als 500 Kühe getötet werden, weil sich bei ihnen der Verdacht auf Rinder-Tuberkulose bestätigt hatte.
    Im Landkreis Oberallgäu mussten bereits mehr als 500 Kühe getötet werden, weil sich bei ihnen der Verdacht auf Rinder-Tuberkulose bestätigt hatte. Foto: Daniel Reinhardt dpa

    Noch ist das Oberallgäu der Brennpunkt von Rindern mit Tuberkulose (Tbc). Als Folge einer flächendeckenden Reihenuntersuchung wurden dort bisher 530 Tiere getötet. Rund 90 000 Rinder leben in etwa 2000 Bauernhöfen im Oberallgäu und in Kempten. Aktuell gelten 184 Ställe als Tbc-Fälle; 558 Betriebe sind anerkannt Tbc-frei. Der Rest ist noch nicht untersucht. In anderen Teilen Bayerns gibt es bisher keine umfassenden Tests.

    „Nur wer alle Bestände überprüft, kann erkrankte oder auffällige Tiere finden“, sagt der Oberallgäuer Landrat Gebhard Kaiser und wendet sich damit gegen den Eindruck, es handle sich um ein spezielles Problem seines Landkreises. Dort läuft eine flächendeckende Untersuchung aller Rinder, die älter als sechs Monate sind. Alle Milch- und Fleischprodukte aus dem Oberallgäu könnten deshalb künftig als besonders sicher gelten. Kaiser sieht es positiv, dass das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit die Untersuchungen ausweiten will.

    Kontakte gibt es auch durch regen Tierhandel

    Zuerst sollen Tests in ausgewählten Betrieben entlang der Alpen einen Überblick schaffen, ehe eine Reihenuntersuchung aller über 30 Monate alten Rinder in ganz Bayern folgt. Schon bisher gab es Tbc-Fälle auch in anderen Landkreisen und Bundesländern: Sie fielen im Rahmen der Fleischuntersuchung bei der Schlachtung auf oder weil man Kontakttiere getestet hatte. So manches Jungrind verbringt ja ein, zwei Sommer auf Alpen im Allgäu oder anderen Berggebieten Bayerns.

    Kontakte gibt es auch durch regen Tierhandel. Allein im Oberallgäu und in Kempten werden jährlich etwa 43 000 Kälber geboren – für die Nachzucht und damit die Kühe weiter Milch geben. Gut die Hälfte werde verkauft, schätzt Georg Abele von der Kälber-Erzeuger-Gemeinschaft Allgäu. Die meisten außerhalb der Region.

    Das Problem zieht Kreise bis nach Norddeutschland

    Tuberkulose bei Mensch und Tier

    Die Infektionskrankheit befällt vor allem die Lunge, kann aber auch andere Organe treffen.

    Häufigster Infektionsweg für Menschen ist die Tröpfcheninfektion durch die Luft.

    Die Erkrankung ist medikamentös sehr gut behandelbar.

    Dem Landesamt für Gesundheit zufolge besteht keine erhöhte Infektionsgefahr durch die Rinder-Tbc. Nur bei direktem Kontakt zu kranken Tieren ist eine Ansteckung denkbar.

    Die Tbc bei Menschen ist meldepflichtig. Seit 2001 ging die Fallzahl in Bayern um die Hälfte zurück.

    Rinder-Tbc ist anzeigepflichtig. Tiere bleiben meist lange unauffällig; Organveränderungen fallen oft erst bei der Fleischuntersuchung auf.

    Die Rinder-Tbc ist eine Zoonose: Der Erreger überträgt sich vom Tier auf Menschen und umgekehrt.

    Das Mykobakterium bovis findet sich auch bei Dachsen (in England) und Weißwedelhirschen (USA) oder das Mykobakterium caprae bei Rotwild in Deutschland und Österreich.

    Milch für Verzehr und Verarbeitung muss von Tbc-freien Tieren stammen. Rohmilch, die ab Hof verkauft wird, ist abzukochen.

    Rohmilchkäse darf nur aus Milch von amtlich als Tbc-frei geltenden Herden hergestellt werden.

    Europaweit wird jedes Rind für den menschlichen Verzehr einer Tier- und Fleischuntersuchung unterzogen. Es darf nur verwendet werden, wenn die gesundheitliche Unbedenklichkeit feststeht.

    Betriebe unter Tbc-Verdacht sind mindestens sechs Wochen gesperrt.

    Verdächtige Tiere werden getötet, die Milch der anderen muss erhitzt werden. Tiere dürfen in dieser Zeit nicht verkauft werden.

    Abele weiß von einem norddeutschen Mastbetrieb, der vor einem halben Jahr Allgäuer Kälber gekauft hatte. Weil die Mutter eines Tieres beim Tbc-Test positiv reagiert hatte, wurde nun auch der norddeutsche Betrieb gesperrt. Schon jetzt wüssten Landwirte auf gesperrten Höfen teils nicht mehr, wohin mit den Tieren.

    Ungeklärt bleibt die Frage der Ansteckung. Bei den Übertragungswegen könne man nur spekulieren, sagt Landrat Kaiser. Fakt ist: Neben vielen Rindern hat auch Rotwild Tbc. Im Oberallgäu waren laut Landratsamt im vergangenen Jagdjahr von 479 Rotwild-Proben 21 Tbc-positiv. Weiter fanden sich ein Reh und ein Fuchs mit Tbc-Mykobakterien vom Typ caprae – wie bei den Rindern.

    Tbc-Hirsche fanden sich auch in angrenzenden Teilen Tirols. Weil dort eine weit höhere Wilddichte herrschte, reagierten Behörden mit einem massiven Töten der Tiere. Das Landratsamt Oberallgäu setzt zumindest auf eine deutliche Reduktion des Rotwildes. Dagegen warnen Jäger davor, das Problem „fahrlässig“ auf die Forderung nach drastisch erhöhten Abschüssen zu reduzieren. Denn die Übertragungswege der Krankheit seien weitgehend unerforscht. Es sei bisher unklar, ob die Erreger von Nutztieren aufs Rotwild übertragen werden oder anders herum.

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