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Allgäu: Hund Bruno begleitet Menschen, die bald sterben

Allgäu

Hund Bruno begleitet Menschen, die bald sterben

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    Susanne Groß mit Hospizhund Bruno.
    Susanne Groß mit Hospizhund Bruno. Foto: Mathias Wild

    In Brunos Augen kann man glücklich ertrinken. Dunkel wie die Nacht, unendlich tief. Fast wünscht man sich, dass dieses schwarze Fellknäuel reden und einem erzählen könnte, was diese Augen schon alles gesehen haben. Wissen möchte man, was Bruno so denkt, wie er verarbeitet, was er Tag für Tag mit seinem Frauchen erlebt.

    Erlebt, wenn die beiden bei dem, was sie tun, mit dem Gegenteil von Leben konfrontiert sind: Seit acht Jahren besuchen Labrador Bruno und Susanne Groß als Hospizbegleiter Schwerstkranke und Sterbende. Vor kurzem hat sich Bruno einer besonderen Herausforderung gestellt – und darf sich nun wohl als einziger Vierbeiner im Allgäu geprüfter Hospizhund nennen.

    Die Geschichte von Bruno und Susanne Groß, sie wäre um ein Haar nie eine Geschichte geworden. Das Tierheim, aus dem die 53-Jährige Bruno vor neun Jahren geholt hat, wollte ihn der völlig hunde-unerfahrenen Frau erst gar nicht mitgeben. „Bruno war auf einem Parkplatz angebunden gefunden worden“, erinnert sich Susanne Groß.

    Die Leute vom Tierheim prophezeiten da eher eine Laufbahn hin zum Problem- denn zum friedlichen Familienhund. Doch als Susanne Groß mit ihrer damals zwölfjährigen Tochter, die sich als Nesthäkchen der insgesamt vier Kinder einen Hund gewünscht hatte, den ersten Spaziergang mit Bruno unternommen hatte, stand unverrückbar fest: „Das wird unser Hund.“

    Alleinsein weckt in ihm schlechte Erinnerungen

    Bruno ist es bis heute geblieben. Zwischen dem Tier und seinem Frauchen herrscht blindes Verständnis. Seit Bruno bei der Familie untergekommen ist, ist er nie länger als drei Stunden am Stück allein gelassen worden. Denn Alleinsein, das mag er gar nicht, da kommt bei ihm das Ausgesetztsein von früher immer wieder aufs Neue hoch.

    Als Susanne Groß´ Kinder flügge wurden und sich das Haus im Ostallgäuer Friesenried zunehmend leerte, suchte die frühere Kirchenmalerin nach einer sinnvollen und fordernden Beschäftigung. Die fand sie beim Hospizverein Kaufbeuren/Ostallgäu.

    Nach einer halbjährigen Ausbildung zur Hospizbegleiterin besuchte Susanne Groß dann Menschen, die nicht mehr lange zu leben hatten. Und weil Bruno eben nicht allein bleiben wollte, fragte sie die Kranken einfach, ob sie ihn denn mitbringen dürfe.

    Daraus entwickelte sich etwas, das Susanne Groß sich so nie hätte vorstellen können. Todgeweihte Menschen finden Zugang zu dem Tier, kommunizieren mit ihm. Blicke, Gesten, Atemzüge statt Worte. Angehörige, die sich mit bangem Gefühl dem Zimmer des Schwerkranken nähern, vergessen angesichts des Hundes ihre Ängste, ihre Beklemmung. Statt Totenstille plötzlich Gesprächsstoff: „Oh, schau mal, ein Hund...“

    Kraft und Harmonie gehen von Bruno aus

    Bruno verliert nie die Ruhe. Er ordnet Signale zu, die Sterbende und Angehörige aussenden. So banal es klingt: Bruno spendet allein durchs Dasein Trost. Kranke, darunter oftmals besonders Demente, spüren die Kraft und Harmonie, die von ihm ausgehen. Unter anderem diese Fähigkeiten, die sich mehr auf der Gefühls- denn auf der Verstandesebene abspielen, wurden dem Tier und seinem Frauchen nun nach einem Lehrgang auch schriftlich attestiert. „Tiergestützte Begleitung Schwerkranker und ihrer Angehörigen“ lautete der Seminar-Titel.

    Etwa 30 Menschen haben Susanne Groß und Bruno in den vergangenen acht Jahren in den Tod begleitet. „Eine Freundschaft der letzten Tage“ nennt das die Frau, die Lebensfreude pur ausstrahlt: „Ich habe so viel – und gebe ein bisschen davon ab.“ Was der Frau mit den langen, angegrauten Haaren immer wieder zu schaffen macht: „Wenn die Menschen sterben – und sich die Angehörigen einfach nicht interessieren.“

    Sie erinnert sich an einen Fall, bei dem die ein paar Kilometer entfernt wohnende Familie eines Sterbenden über dessen unmittelbar bevorstehenden Tod informiert wurde: „Die haben gesagt, jetzt schneit es gerade, wir schauen morgen mal vorbei.“ „Die, die sterben“, sagt die gläubige Katholikin, „weiß ich in einer anderen Welt gut aufgehoben.“

    Mit dem Tod als Teil des Lebens hat sie ihren Frieden geschlossen. Nur wenn Susanne Groß daran denkt, dass auch Bruno einmal sterben muss, weicht kurz das Lächeln aus ihrem Gesicht: „Dieser Tag wird ein Erdbeben werden.“

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