Sie protestieren gegen die Verschwendung von Lebensmitteln und für „gutes, sauberes und faires Essen“. Sie protestieren gegen eine weitere Industrialisierung und Internationalisierung der Nahrungsproduktion und für eine „ökologischere und sozialere EU-Agrarpolitik“. Und sie tun es auf spektakuläre Weise: Mit einem 26-Tages-Marsch von München nach Brüssel wollen sich die Aktivisten von Slow Food Deutschland gemeinsam mit Biobauern, Naturschützern und kirchlichen Organisationen aus der Entwicklungsarbeit zu Wort melden, ehe ab Herbst bei der Europäischen Union in der Agrarpolitik neue Fakten geschaffen werden. Die Aktion, die von zahlreichen Veranstaltungen entlang der Route begleitet wird, startet am Samstag in München unter dem Titel „Good Food March“ – auch wenn es genau genommen kein Marsch sein wird. Die Demonstranten werden mit Fahrrädern und Traktoren unterwegs sein.
In Europa landen 40 Prozent der Lebensmittel im Müll
Die Liste der Anliegen der über 40 Organisationen, die sich zu der Kampagne „Meine Landwirtschaft“ zusammengeschlossen haben, ist lang. Ursula Hudson, die Vorsitzende von Slow Food Deutschland, wies gestern bei der Auftaktpressekonferenz in München auf die gigantische Verschwendung von Lebensmitteln hin. In Europa würden im Schnitt 40 Prozent der Lebensmittel im Müll landen. „Das ist nicht nur ein ökonomisches Problem, sondern aus unserer Sicht in erster Linie ein ethisches Problem“, sagte Hudson. Hauptursachen seien die „mangelnde Wertschätzung“ von Lebensmitteln sowie die Art und Weise der Herstellung. „Überproduktion und Verschwendung sind Teil des ganzen Systems“, sagte Hudson. Slow Food setzt dieser Entwicklung eine andere Philosophie entgegen: „Unser Essen ist von zentraler Bedeutung für Kultur, Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt – viel mehr als nur eine Ware.“
Bioland-Bauer: Lebensmittel sind nach wie vor belastet
Der Aichacher Bioland-Bauer Stephan Kreppold trat der Behauptung entgegen, dass unsere Lebensmittel so sicher seien wie noch nie. Er wies auf die Verbreitung von Insektiziden, Antibiotika und anderen Substanzen hin und sagte: „Unsere Lebensmittel sind nach wie vor mit einem hohen Risiko belastet, solange der Kreislauf der Agrargifte nicht unterbrochen wird.“ Richard Mergner, der Landesbeauftragte des Bund Naturschutz in Bayern, fasste die Forderungen zusammen, die die Aktivisten bei ihrer Ankunft am 19. September den Europaparlamentariern in Brüssel vortragen wollen: „Die künftige Landwirtschaft soll nicht auf die Lieferung von billigen Rohstoffen für die agrarindustrielle Nahrungsmittel- und Energieerzeugung reduziert, sondern flächendeckend betrieben werden und ökologisch intakte Kulturlandschaften schützen, Arbeitsplätze schaffen und Tierschutzanliegen ebenso ernst nehmen wie die globalen Entwicklungsfragen, fairen Handel und den Klimaschutz.“
Am Samstag gehts nach Brüssel
Die Aktivisten starten ihren Marsch nach Brüssel am Samstag in München. Die Kerntruppe, die die Gesamtstrecke per Rad zurücklegt, wird nach Angaben der Organisatorin Regine Holloh aus etwa zehn Personen bestehen. Holloh hofft, dass sich entlang der Route immer wieder Sympathisanten anschließen.