Von Freddy Schissler München - Acht Jahre lang macht Notker Wolf diesen Job schon als Abtprimas des Benediktinerordens, als höchster Repräsentant von über 800 Klöstern und Abteien auf der ganzen Welt, und wenn man es genau betrachtet, ist der Mann nichts anderes als der Manager eines weltumspannenden Unternehmens mit 25 000 Mitarbeitern. Ein Global Player. Er hat nichts gegen diese Bezeichnung. Zu einem gewissen Teil, sagt er, treffe sie zu. Heute ein Termin in den USA, morgen einer in Tansania, übermorgen in Nordkorea. Der Abtprimas lebt oft aus dem Koffer, kennt viele Flughäfen dieser Welt, trifft jeden Tag zahlreiche Menschen, äußert sich in Talkrunden, gibt Interviews, hält Vorträge und Seminare vor hochkarätigem Publikum.
"Mein Leben ist ausgefüllt", sagt er, "und es macht mir sehr viel Spaß." Trotz der vielen Verpflichtungen. Oder besser gesagt: gerade wegen seiner ungezählten Termine. Denn er liebe es, mit Menschen zusammenzukommen.
Notker Wolf, 1940 in Bad Grönenbach im Allgäu geboren, lebt inzwischen in Rom. Er ist ein Mann, der oft in den Schlagzeilen steht. Weil er sich nicht scheut, Kritik zu äußern und den Finger tief in die Wunden der modernen Gesellschaft zu legen. Und weil er Dinge tut, die für Aufsehen sorgen.
Oder ist das vielleicht normal, dass sich ein Abtprimas eine elektrische Gitarre über die schwarze Kutte hängt und im Verbund mit einer Rockgruppe auf der Bühne steht? Dass dieser hohe Repräsentant des Benediktinerordens gesteht, schon immer ein Freund harter Rockmusik gewesen zu sein? AC/DC, Rolling Stones, Jethro Tull und Deep Purple - es gibt durchaus Leute, die sich wünschen, der Abtprimas würde seine musikalischen Vorlieben, wenn schon, dann im stillen Kämmerlein ausleben.
Aber nein. Notker Wolf tut genau das Gegenteil. Er gibt zusammen mit der Augsburger Band "Feedback" Konzerte vor Tausenden von Menschen. Am 26. Juli zum Beispiel rockt der Abtprimas in Eresing bei Landsberg (Kloster St. Ottilien), ehe Notker Wolfs musikalischer Höhepunkt auf dem Programm steht: Am 3. August tritt er mit "Feedback" als Vorgruppe von Deep Purple auf (Kloster Benediktbeuern).
"Ja,", sagt der Abtprimas an diesem Nachmittag in München, "der ein oder andere rümpft schon mal die Nase, wenn ich Rockmusik spiele." Dann schmunzelt er und versichert: "Aber das ist mir ziemlich egal." Motto: Nicht mein Problem, sondern jenes meiner Kritiker.
Auf der Querflöte spielt er "Locomotive Breath"
Der rockende Abt, der auf der Querflöte "Locomotive Breath" von Jethro Tull intoniert: Natürlich springen die Medien auf solche Geschichten auf. Natürlich äußern manche auch die Vermutung, der Geistliche lasse nur deshalb seinen rockenden Gefühlen öffentlich freien Lauf, um neue Anhänger für die Kirche zu gewinnen. Der Chef von über 800 Klöstern schüttelt gleichwohl den Kopf. "Falsch", stellt er klar, "ich habe keine Intention, irgendjemanden zu ködern."
Und schon ist er mittendrin in einem seiner Lieblingsthemen: Toleranz. Für ihn, sagt er, sei eines enorm wichtig: "Wir müssen immer miteinander sprechen und uns austauschen. Wir dürfen aber nicht anderen unseren Willen aufzwingen." Das, hat er festgestellt, würden aber viele praktizieren, die an Schaltzentralen sitzen. Die Macht ausüben - und sie mitunter missbrauchen.
Notker Wolf ist ein politischer Kopf, der sich Gedanken macht über Führungsstrukturen kleiner und großer Unternehmen. Der sich an seinen Schreibtisch setzt und diese Gedanken in Worte kleidet.
Herausgekommen sind Bücher mit Titeln wie "Die Kunst, Menschen zu führen" oder "Worauf warten wir? - Ketzerische Gedanken zu Deutschland". Seine Erkenntnisse haben nicht jedem gefallen in diesem Land.
Aufstehen um 5.45 Uhr und zwei Stunden beten halten ihn fit
Der geistliche Global Player aus dem Allgäu ist 68 Jahre alt. Ein Alter, in dem manche kürzertreten müssen, weil der Körper nicht mehr so will wie früher. Der Abtprimas kennt solche Probleme nicht. Aufstehen um 5.45 Uhr, eine halbe Stunde Frühsport, Wechselduschen, zwei Stunden Gebet pro Tag: Diese Rituale, glaubt er, halten ihn fit und gesund.