Erst verurteilte er ihn wegen Korruption, dann schüttelte er ihm freundlich die Hand: Das Bild von Maximilian Hofmeister und Ex-Staatssekretär Ludwig-Holger Pfahls ging durch die Republik. Es machte den Augsburger zeitweise zum bekanntesten Richter Deutschlands. Heute geht Hofmeister, 63, in Ruhestand.
Herr Hofmeister, Sie verurteilten im Jahr 2005 den früheren Verteidigungs-Staatssekretär Pfahls zu einer Gefängnisstrafe, weil er als Politiker Schmiergeld angenommen hat. Jetzt ist Pfahls erneut in Augsburg angeklagt – wegen Bankrotts, Betrugs und Erpressung. Was empfinden Sie?
Hofmeister: Ich komme überhaupt nicht mit, wie man so einen Mist bauen kann. Das zeugt von grenzenloser Selbstüberschätzung.
Pfahls ist ja sozusagen ein alter Bekannter. Das Foto, wie Sie ihm nach der Urteilsverkündung mit einer Verbeugung die Hand schütteln, hat Deutschland empört. Wie denken Sie heute darüber?
Hofmeister: Ich werde heute noch im Berufs- und im Privatleben darauf angesprochen. Ich habe das damals subjektiv nicht als Fehler empfunden. Ich habe vielen Angeklagten die Hand geschüttelt. Und das Foto ist eine unglückliche Momentaufnahme. Heute sehe ich mein Verhalten als juristischen Kunstfehler. Das Bild der Justiz in der Öffentlichkeit hat gelitten. Das war beinahe tragisch. Unter dem Eindruck des Fotos haben viele vergessen, dass ich mit meiner Strafkammer einen früheren Staatssekretär ins Gefängnis gesteckt habe.
Auch im Steuerhinterziehungsverfahren gegen Politikersohn Max Strauß haben Sie eine Haftstrafe gegen einen prominenten Angeklagten ausgesprochen. Ihr schwierigster Prozess?
Hofmeister: Mit Sicherheit, ja. Wir haben juristisches Neuland betreten. Es ging um hohe Summen auf Tarnkonten im Ausland. Die Frage, wem diese Gelder zuzuordnen sind und wie sie steuerrechtlich behandelt werden, war juristisch umstritten. Dazu kam ein enormer Druck durch die Medien.
Apropos Druck. Gab es bei dem Verfahren Einflussnahme aus der Politik?
Hofmeister: Nein. Wir hatten eher den Eindruck, dass eine Aufklärung der damaligen Vorkommnisse auf politischer Ebene nicht unerwünscht war. Aber wahrscheinlich hat auch keiner gedacht, dass wir Strauß schuldig sprechen werden.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat später Ihr Urteil kassiert. Wie sehr hat Sie das getroffen?
Hofmeister: Ach, wissen Sie, juristisch ist beides begründbar. Die Beweisanforderungen des BGH waren höher, als es in Augsburg für nötig befunden wurde. Es ging um die Frage, ob ein Strohmann ein Konto verwalten darf, ohne dass der Dahinterstehende zur Verantwortung gezogen werden kann. Wir meinten, nein. Das wäre ja sonst die perfekte Steuerhinterziehung.
Das soll heißen, Sie sind immer noch überzeugt, dass Ihr Urteil richtig war?
Hofmeister: Uns lagen Erkenntnisse vor, die nach der damals noch mangelhaften Rechtshilfe mancher Staaten nicht verwendbar waren.
Der Bundesgerichtshof hat eine falsche Entscheidung getroffen?
Hofmeister: Die Entscheidung des BGH hat es jedenfalls nicht leichter gemacht, Steuerhinterzieher, die einen Strohmann einsetzen, zur Verantwortung zu ziehen.
Höre ich da ein wenig Verbitterung nach 36 Berufsjahren in der bayerischen Justiz?
Hofmeister: Nein, nein. Es war eine gute Zeit, und es war nie langweilig. Allerdings würde ich schon einiges ändern in der Justiz.
Was denn?
Hofmeister: Die Justiz muss unabhängiger werden. Wir halten in Deutschland die Gewaltenteilung so hoch. Die Justiz ist aber weit davon entfernt, auf Augenhöhe mit den anderen Gewalten zu sein. Sie ist nur der Wurmfortsatz der Exekutive und der Legislative. Das muss sich ändern. Wir brauchen eine Selbstverwaltung der Justiz. Ich war lange Jahre standespolitisch tätig. Es ist immer das gleiche Lamento über hohe Arbeitsbelastung, zu wenig finanzielle Mittel und Abhängigkeit von der Politik durch das Beförderungssystem. Geändert hat sich gar nichts. Daher sollte sich die Justiz selbst verwalten.
Wie soll das funktionieren?
Hofmeister: Über ein Präsidialsystem. Ein unabhängiges Richtergremium würde einen Präsidenten vorschlagen, über den das Parlament entscheidet.
Sie wollen das Justizministerium abschaffen?
Hofmeister: Nein. Auch ein Richterpräsident braucht einen Unterbau, eine Verwaltung. Aber im Ministerium sitzen keine Richter. Und die Justizministerin ist eingebunden in die Kabinettsdisziplin. Das ist schlecht. Schauen Sie sich nur aktuell das Gezerre um den Posten des Generalstaatsanwalts in Nürnberg an. Wir brauchen dringend eine Stärkung der dritten Staatsgewalt gegenüber den anderen. Diese Ansicht setzt sich übrigens mehr und mehr auch im Bayerischen Richterverein durch.
Was versprechen Sie sich davon?
Hofmeister: Eine unabhängigere und effektivere Justiz, die personell besser ausgestattet ist.
Das klingt alles noch sehr engagiert. Treten Sie mit Wehmut ab?
Hofmeister: Ich freue mich, dass ich selbst entscheiden konnte, wann ich aufhöre.
Waren Sie selbst je politisch engagiert?
Hofmeister: In meiner Jugend in Krumbach war ich Mitglied der Jungen Union. Als ich für einen Kandidaten der Freien Wähler Zettel verteilte, gab mir der frühere CSU-Landtagsabgeordnete Karl Kling eine Ohrfeige. Daher trat ich mit 17 aus der Partei aus. Ja, und ich war auf derselben Schule wie Theo Waigel und Claudia Roth, wenn das zählt – Waigel ein paar Jahre vor, Roth einige Jahre nach mir.
Zuletzt saßen Sie einer Kammer vor, die sich vor allem mit ärztlichen Kunstfehlern beschäftigte. War das ein hartes Brot?
Hofmeister: Ja, diese Fälle gehen einem im Wortsinne an die Nieren. Da sind viele schlimme Schicksale dabei. Die Betroffenen suchen oft einen Schuldigen für ihren Zustand. Ein Arzt schuldet einem Patienten aber rechtlich gesehen keinen Heilungserfolg, sondern die bestmögliche Behandlung nach den Regeln der ärztlichen Kunst. Das wissen viele nicht, und das macht es für einen Richter schwierig.
Was machen Sie jetzt im Ruhestand? Schreiben Sie, wie einmal angekündigt, ein Buch?
Hofmeister: Schau’n mer mal. Jetzt atme ich erst mal durch. Ich mache sicher noch einige schöne Reisen mit meiner Frau. Die nächste führt uns nach Sansibar. Und ich arbeite für das Institut für Sachverständigenwesen in der deutschlandweiten Ausbildung von öffentlich bestellten und vereidigten Gutachtern.
Zum Schluss vielleicht eine Ihrer vielen Anekdoten?
Hofmeister: Ich muss heute noch schmunzeln über den Besuch von Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl als Zeuge im Pfahls-Prozess. Ich war noch zu Hause beim Frühstück, als meine Geschäftsstelle ganz aufgeregt anrief und es hieß: Herr Kohl ist bereits da, und er hat Hunger. Ich ließ ein schönes Frühstück besorgen, auch für Kohls Begleiter. Als ich ins Strafjustizzentrum kam, saß Kohl da, gab Autogramme und hatte alles selbst aufgegessen. Als wir ihn unbemerkt in den Gerichtssaal bringen wollten, versagte der Aufzug. Kohl kam unter großem Blitzlichtgewitter die Treppe herunter. Er nahm’s gelassen und sagte, in Anspielung auf seinen Weggefährten Theo Waigel: „Ihr Schwaben seid doch alle die gleichen Schlitzohren.“