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90. Geburtstag: Hans-Jochen Vogel: Das sozialdemokratische Gewissen wird 90

90. Geburtstag

Hans-Jochen Vogel: Das sozialdemokratische Gewissen wird 90

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    Hans-Jochen Vogel feiert heute 90. Geburtstag.
    Hans-Jochen Vogel feiert heute 90. Geburtstag. Foto: Likas Barth/epd

    Es ist schon 44 Jahre her, dass Hans-Jochen Vogel dieses Amt niedergelegt hat. Trotzdem kann es heute noch passieren, dass ältere Münchner Bürger ihn in der U-Bahn hochachtungsvoll mit „Grüß Gott, Herr Oberbürgermeister“ anreden.

    Es ist schon 25 Jahre her, dass er den Bundesvorsitz der SPD einem Jüngeren überließ. Dennoch ist er bis heute bekannter als manche seiner Nachfolger. Und weil das so ist, und weil es noch viel mehr zu sagen gibt, hat sich die

    Darunter sind namhafte Politiker, die Ämter bekleiden oder bekleidet haben, die auch Vogel in seiner aktiven Zeit innehatte: SPD-Chef Sigmar Gabriel, SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann, die Bundesminister Barbara Hendricks (Bau) und Heiko Maas (Justiz), der frühere und der aktuelle Münchner Oberbürgermeister, Christian Ude und Dieter Reiter, sowie der Berliner Regierende Oberbürgermeister Michael Müller. Außerdem kommen der österreichische Bundespräsident Heinz Fischer, der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse und, als einziger CDU-Politiker, Bernhard Vogel, der Bruder des Jubilars und frühere Ministerpräsident in Rheinland-Pfalz und Thüringen. Hans-Jochen Vogel freut es. „Das ist eine originelle und neuartige Idee“, sagt er und fügt lakonisch hinzu: „Ich darf dann auch noch sechs Minuten danken.“

    90. Geburtstag: SPD-Legende Hans-Jochen Vogel wird 90

    Dass alles gesagt werden wird, was gesagt werden könnte, ist nicht zu erwarten. Zehn mal sechs Minuten sind wenig für rund sechs Jahrzehnte aktiven politischen Lebens. Vogel (geboren 1926 in Göttingen) gehört zu jener Generation bundesdeutscher Politiker, die die Zeit des Nationalsozialismus und den II. Weltkrieg noch bewusst erlebt haben. Nach dem Krieg studierte er Rechtswissenschaft, trat 1950 in die SPD ein, arbeitete als Jurist in der bayerischen Staatsverwaltung und als Rechtsreferent bei der Stadt München und wurde 1960 zum damals jüngsten Oberbürgermeister einer europäischen Großstadt gewählt. Sein souveräner Wahlsieg gegen den prominenten CSU-Politiker Josef Müller („Ochsensepp“) gehört bis heute zu den größten SPD-Erfolgen im Freistaat.

    Dass ihn die Münchner bis heute nicht vergessen haben, liegt vor allem daran, dass er sich erfolgreich dafür eingesetzt hatte, die Olympischen Spiele 1972 nach München zu holen. Die „heiteren Spiele“ haben der Stadt, obwohl sie am Ende von einem Terrorakt überschattet waren, einen Entwicklungsschub und ein Ansehen in der Welt gebracht, das bis heute nachwirkt.

    Die Bürgermeister Berlins von 1948 bis 2011

    Ernst Reuter (SPD) war vom 7. Dezember 1948 bis 29. September 1953 Bürgermeister von Westberlin. Er wurde zwei Mal wieder gewählt.

    Auf Ernst Reuter folgte Walther Schreiber von der CDU. Er besetzte den Posten vom 22. Oktober 1953 bis 11. Januar 1955.

    Otto Suhr von der SPD löste Schreiber als Bürgermeister ab. Er war von 11. Januar 1955 bis 30. August 1957 Bürgermeister von Westberlin.

    Willy Brandt von der SPD hatte von 3. Oktober 1957 bis 1. Dezember 1966 das Amt des Bürgermeisters von Berlin inne.

    Vom 1. Dezember 1966 bis 19. Oktober 1967 war Heinrich Albertz (SPD) Bürgermeister.

    Klaus Schütz (SPD) löste Albertz ab und war vom 19. Oktober 1967 bis 2. Mai 1977 Berlins Bürgermeister.

    Berlins Bürgermeister war vom 2. Mai 1977 bis 23. Januar 1981 der SPD-Politiker Dietrich Stobbe.

    Hans-Jochen Vogel (SPD) war vom 23. Januar 1981 bis 11. Juni 1981 Berlins Bürgermeister.

    Richard von Weizsäcker (CDU) führte Berlin vom 11. Juni 1981 bis 9. Februar 1984.

    CDU-Politiker Eberhard Diepgens erste Amtszeit war vom 9. Februar 1984 bis 16. März 1989.

    Walter Momper von der SPD löste Diepgens ab vom 16. März 1989 bis 24. Januar 1991.

    Weitere zehn Jahre nach der Wiedervereinigung Deutschlands war Eberhard Diepgen Berlins Bürgermeister. Er regierte von 24. Januar 1991 bis 16. Juni 2001.

    Seit dem 16. Juni 2001 ist Klaus Wowereit (SPD) Bürgermeister von Berlin.

    In der SPD, die den Festakt im Rathaus unter das Motto „Sozialdemokratisches Gewissen – konsequent und unbeugsam“ stellte, gilt Vogels Einsatz für die Partei bis heute als vorbildlich. Er gab 1972 das Amt des Oberbürgermeisters in München ab, wurde SPD-Landesvorsitzender in Bayern, war Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau unter SPD-Kanzler Willy Brandt und für Justiz im Kabinett von SPD-Kanzler Helmut Schmidt und für kurze Zeit „Nothelfer“ seiner Partei als Regierender Bürgermeister in Berlin.

    Dass er sich 1983 nach dem Zerfall der sozialliberalen Koalition in Bonn als SPD-Kanzlerkandidat zur Verfügung stellte, wurde ihm von Kommentatoren als „neuer Opfergang für die Partei“ gutgeschrieben. Den Aufwärtstrend der Unionsparteien unter Kanzler Helmut Kohl (CDU) konnte er trotz eines engagierten Wahlkampfs nicht stoppen.

    Es war eine schwierige Zeit für die SPD. Vogel aber machte pflichtbewusst weiter und brachte als Fraktionschef – in der Nachfolge des SPD-Urgesteins Herbert Wehner – die sozialdemokratischen Abgeordneten im Bundestag wieder in die Spur. Sein Parteifreund Hans Apel attestierte ihm damals: „Er hat die Fraktion in bewundernswerter Weise zum Arbeiten gebracht.“

    Vogel selbst fasste einige Jahre später seine politische Grundeinstellung so zusammen: „Ich bin ein Sozialdemokrat, der ein Stück Vision mit der ziemlich strengen und unerbittlichen Erkenntnis übereinbringen möchte, dass Politik nicht mit Wortwolken, sondern mit solider handwerklicher Arbeit betrieben werden kann.“

    Zu seiner politischen Karriere gehörte auch der Verzicht. 1987 übernahm Vogel zwar den Parteivorsitz in der Nachfolge Willy Brandts, aber er überließ dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Johannes Rau die Kanzlerkandidatur und ersparte der SPD damit einen Führungskampf. Vier Jahre später, nach der SPD-Wahlniederlage 1990, stellte er erst den Partei- dann den Fraktionsvorsitz zur Verfügung. 1994 trat er nicht mehr für den Bundestag an.

    SPD: Hans-Jochen Vogel wird 90

    Ein Ende seines politischen Engagements bedeutete das noch lange nicht. Vogel blieb aktiv, schrieb Bücher und war unter anderem Mitglied des Nationalen Ethikrats und Gründungsvorsitzender der überparteilichen Initiative „Gegen Vergessen – Für Demokratie“, die sich gegen politischen Extremismus stellt und die Erinnerung an die Verbrechen der NS-Diktatur wach hält. In Bayern half er mit, die NS-Dokumentationszentren in Nürnberg und München aufzubauen.

    Seit 2006 lebt er mit seiner Frau Liselotte in einem Münchner Seniorenstift. Termine wahrzunehmen fällt ihm zusehends schwer. „Ich spüre mein Alter. Es gibt da eine ganze Reihe von Baustellen, die größte Baustelle ist die Parkinson-Krankheit“, sagt Hans-Jochen Vogel . Weiterreden mag er darüber aber nicht. „Solange der Kopf noch funktioniert, will ich mich nicht beklagen.“

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