Es gibt Menschen, die fliegen durchs Leben wie eine Wolke und treiben leicht und luftig dahin. Andere machen sich ihr Sein bewusst schwer und wühlen sich tief in die Abgründe des Lebens einer Gesellschaft. Zu eben dieser Spezies gehört auch der Regisseur, Schriftsteller, Theaterautor und Schauspieler Franz Xaver Kroetz.
Das hängt sicher damit zusammen, dass Kroetz eine vielschichtige Persönlichkeit ist. Er selbst sagt über sich: „Es gibt viele Kroetze.“ Seine Wutausbrüche sind legendär, dabei kann der Mann sehr höflich und freundlich sein.
Kroetz wurde im Laufe seines Lebens von der Kritik und den Medien hochgejubelt, aber auch scharf kritisiert. Es ist ja eine wilde Mischung, die bei ihm zusammen kommt. Theaterberserker und Serienheld „Baby Schimmerlos“, kommunistischer Dichter und Kolumnist bei der Bild-Zeitung. Wie das alles zusammenpasst? „Gar nicht“, antwortete Kroetz auf seine unnachahmliche Art mal im Interview mit unserer Redaktion.
Franz Xaver Kroetz lebt zurückgezogen in München
In einem Porträt des "Bayerischen Rundfunks" über ihn hieß es wiederum dazu: „Eine Zeit lang ist das Enfant terrible Kroetz alles und überall. Bis er verschwindet, sich zurückzieht, kaum noch Interviews gibt.“ Heute lebt er weitgehend zurückgezogen im Haus seiner Mutter in München-Obermenzing.
Geboren wurde der Schriftsteller am 25. Februar 1946 in Simbach am Inn als Sohn eines niederbayerischen Finanzbeamten. Der junge Kroetz wollte Schauspieler werden. Er hatte eine große Klappe. Am berühmten Max Reinhardt Seminar in Wien flog er raus, spielte später in München bei Rainer Werner Fassbinders Schauspielgruppe „antitheater“ mit. Und Kroetz begann früh zu schreiben, zunächst einmal für die Bühne, dann erweiterte er seinen Schreibhorizont.
Privat hat Kroetz ein Auf und Ab erlebt. Aus einer frühen Beziehung stammt ein Sohn. Relativ spät heiratete er 1992 Marie Theres Relin, Tochter der legendären Schauspielerin Maria Schell. Das Paar hat drei Kinder. Das Ehe-Aus erfolgte nach 18 Jahren: „Meine Frau hat über ihre Anwältin beim Familiengericht Traunstein den Scheidungsantrag eingereicht. Ich bin noch auf der Suche nach einem Scheidungsanwalt, finde aber den Schritt meiner Frau grundsätzlich richtig“, kommentierte Kroetz damals trocken. Kroetz-Relin bestätigte, dass „alles ganz still und friedlich über die Bühne gegangen“ sei. Der Kontakt zwischen den beiden ist bis heute nicht abgerissen.
Kroetz erhielt Augsburger Brechtpreis
Seine beste Zeit als Dramatiker hatte der Münchner in den 70er Jahren. Er gehörte zu den Autoren, die das politische Volkstheater jener Jahre begründeten. Die Stücke tragen Titel wie „Heimatarbeit“, „Hartnäckig“, „Das Nest“ oder „Stallerhof“. Auch das von Fass-binder mit der heutigen Ex-„Tatort“-Kommissarin Eva Mattes verfilmte Stück „Wildwechsel“ beschreibt die Lebensverhältnisse der sozial Schwachen, Handwerker, Bauern und Arbeitslosen.
Was viele nicht wissen: Kroetz war zeitweise der meistgespielte deutschsprachige Dramatiker nach Bertolt Brecht – 1995 bekam er zudem den nach Brecht benannten Augsburger Literaturpreis. Seine Einakter und Stücke wurden in 28 Sprachen übersetzt und in 40 Ländern auf- geführt. Doch er schrieb nicht nur fürs Theater. 1982 verfasste er den Roman „Der Mondscheinknecht“. Später kamen Drehbücher fürs Fernsehen dazu. Leider hatte Kroetz nach eigenem Bekunden auch immer wieder Probleme mit sich selbst. Schreibzeiten wechselten sich ab mit Schreibkrisen.
Grimme-Preis für "Baby Schimmerlos"
Erfolgreich blieb Kroetz trotzdem. So war er 1993 als Bauer an der Seite von Hanna Schygulla in „Madame Bäuerin“ und 2001 in Xaver Schwarzenbergers „Andreas Hofer“, Freiheitskämpfer der Tiroler gegen Napoleon, zu sehen. 2008 gelang ihm erneut ein Comeback im Kino als „Der Brandner Kaspar“.
Ausgezeichnet wurde Kroetz vor allem für sein dramatisches Werk. Für seine Rolle in „Kir Royal“ wurde er sogar mit dem Adolf-Grimme-Preis geehrt. Kein Wunder: Als Schauspieler erschuf er Mitte der 80er Jahre in Helmut Dietls Kult-Fernsehserie eine unsterbliche Figur – den Münchner Klatschreporter „Baby Schimmerlos“. Und Franz Xaver Kroetz weiß auch, dass es diese Figur ist, die von ihm vermutlich noch länger bleiben wird als die meisten seiner Theaterstücke. Das wird ihn freuen und ein bisserl ärgern zugleich.
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