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Toni Kroos und die erfolgsverwöhnten Kinder

Fußball-EM 2024

Toni Kroos' EM-Traum reift in Madrid und im Knoblauchsland

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    Toni Kroos bei der Pressekonferenz in Herzogenaurach.
    Toni Kroos bei der Pressekonferenz in Herzogenaurach. Foto: Federico Gambarini, dpa

    Sie sind in Herzogenaurach berechtigterweise sehr stolz auf ihren Gerchla. Die für außerfränkische Zungen nur schwer zu verlautbarende Sehenswürdigkeit stellt den Georgsbrunnen auf dem Marktplatz dar. Zur Osterzeit wird er von Tausenden Eiern geziert. Derzeit von Grünspan. Wenige Kilometer vom sogenannten Basecamp der deutschen Nationalmannschaft weist eines jener braunen Schilder am Rande der Autobahn darauf hin, dass man sich nun im Knoblauchland befindet. Support your local Gemüsehändler. 

    Als Toni Kroos noch das Trikot von Real Madrid trug, und das tat er bis vor zehn Tagen über ein Jahrzehnt hinweg, feierten Mannschaft und er zusammen ihre Triumphe am Cibeles-Brunnen. Gewidmet ist er der Göttin Kybele, die sich unter anderem für die Landwirtschaft verantwortlich zeigt. Knoblauchland wird Madrid trotzdem nicht genannt. Dafür kommen zu den Siegesfeiern Reals Hunderttausende Fans. Zuletzt feierte Kroos hier seinen insgesamt sechsten Champions-League-Erfolg. Er ist der erfolgreichste deutsche Fußballer aller Zeiten. Lediglich der EM-Titel fehlt ihm noch, um aus einer sensationellen Karriere eine vollkommene zu machen (auch wenn er sie aus verständlichen Gründen auch nun schon als perfekte bezeichnen dürfte).

    Toni Kroos hatte bereits mit der Nationalmannschaft abgeschlossen

    Der Weg dorthin hat seinen Ausgangspunkt in Herzogenaurach. Gerchla statt Prado. Im besten Falle bis zum 14. Juli dauert das Turnier für die deutsche Mannschaft, dann steht das Finale in Berlin an. Kroos hatte mit dem Thema Nationalmannschaft schon abgeschlossen. Erst ein Anruf von Julian Nagelsmann, die andauernde Schwächephase der Nationalmannschaft und der Glaube in die immer noch beeindruckenden Fähigkeiten überzeugten Kroos davon, zurückzukehren. Für den letzten Tanz. Mitverantwortlich waren auch seine drei Kinder, die ihren Vater nochmals im Nationaltrikot sehen wollten. Sie rechnen nicht damit, übermäßig viel Zeit mit ihm im kommenden Monat zu verbringen. "Sie sind sehr erfolgsverwöhnt von Real Madrid", sagte der Mittelfeldspieler auf der Pressekonferenz am Dienstag. Real nimmt grundsätzlich bis zum Ende an sämtlichen Wettkämpfen teil. Real spielt keine Finals, es gewinnt sie. 

    Die Deutschen waren ja auch einmal eine Turniermannschaft. Manche mögen sich noch daran erinnern, wie teilweise minder talentierte Teams storchenfüßig durch die Vorrunde staksten und in der K.-o.-Runde übermäßigen Gebrauch von Wille, Glück und Kopfballstärke machten. Dann kam die Generation Kroos, und einige Jahre war der deutsche Fußball tatsächlich der Goldstandard. Kroos allerdings war auch dabei, als der Fußball mehr Grünspan ansetzte als der Gerchla. 

    Für Robert Andrich und Florian Wirtz, die um Kroos herum spielen, sei es daher "kein Nachteil, bei den vergangenen Turnieren nicht dabei gewesen zu sein", glaubt der 34-Jährige. Erfahrung schön und gut, aber es muss ja keine schlechte sein. Wichtiger als die Erfahrungen einer WM oder EM sei ohnehin das Gefühl, sich auf dem Platz wohl zu fühlen. In diesem Punkt sieht sich Kroos als Dienstleister seiner Kollegen. "Wenn es Zweifel mit dem Ball gibt, gib ihn mir", umschreibt er seinen Ausnahmestatus im Team. Viel mehr an Führung bräuchte diese Mannschaft nicht. Kroos ist während seiner Karriere gut damit gefahren, Lautsprechereien außerhalb des Feldes seinen Kollegen zu überlassen.

    Das wird sich auch bis zum 14. Juli nicht mehr ändern. Ein erstes Mal kommt die Mannschaft dem EM-Pokal bereits am Freitag nahe, wenn sie in der Münchner Arena das erste Spiel dieser EM bestreitet. Franz Beckenbauers Witwe Heidi trägt dann zur Eröffnungsfeier die Silberware auf das Feld. Im Anschluss spielen die Deutschen gegen Schottland. "Das ist wichtig, aber nicht entscheidend", so Kroos. Wie wichtig es sei, habe man bei den vergangenen drei Turnieren "in negativer Sicht" gesehen. Letztmals hatten die Deutschen ihr erstes Turnierspiel bei der EM 2016 gewonnen (2:0 gegen die Ukraine). Seitdem: drei Niederlagen. 

    EM 2024: Die Schotten sind ein unangenehmes Team

    Nun kommen die Schotten. Physisch stark, schnell im Umschaltspiel, taktisch variabel – aber natürlich keine Übermannschaft. "Wir sind mehr als gewarnt, weil das auch die Kategorie Gegner ist, mit der sich die Nationalmannschaft zuletzt sehr schwergetan hat", so Kroos. Die Deutschen hatten sich auch deshalb die Ungarn und Ukrainer als Sparringspartner ausgesucht.

    Erst in der K.-o.-Runde würden Gegner warten, die ihrerseits erhöhtes Interesse am kreativen Umgang mit dem Ball haben. Ob der Weg so weit führt? Vom Gerchla bis zum Brandenburger Tor? "Wenn ich die Idee und die Fantasie, den EM-Titel zu gewinnen, nicht hätte, hätte ich die Entscheidung nicht getroffen", sagt Kroos über seine Rückkehr. Im besten Fall endet sie am 14. Juli.

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