Landwirte versetzen Augsburg in Ausnahmezustand – was sie antreibt
Augsburg erlebte am Mittwoch die größte Demo seit Langem. Die Bauernproteste auf dem Plärrer zogen Tausende an, der Verkehr stand teils still. Es wurde laut.
Schon weit vor dem Start greifen die Behörden auf Plan B zurück. Um kurz nach neun Uhr, zwei Stunden vor Beginn der Groß-Demo, sind schon so viele Traktoren und andere Fahrzeuge auf das Augsburger Plärrergelände gerollt, dass klar ist: Der Platz dort wird nicht reichen. Kurzerhand richtet die Polizei nach Abstimmung mit dem FC Augsburg einen Ausweichparkplatz an der WWK-Arena ein, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sollen von dort per Shuttlebus Richtung Innenstadt transportiert werden. Direkt am Plärrergelände wird bald darauf zudem die Langenmantelstraße gesperrt, auch dort finden schnell mächtige Landwirtschafts-Fahrzeuge Platz. Dieser eiskalte Morgen verspricht früh, ein heißer Tag zu werden.
Augsburg hat an diesem Mittwoch die größte Demonstration seit Langem erlebt, in der jüngeren Vergangenheit lockten nur "Fridays for Future" (bis zu 6000) und die sogenannten "Corona-Demos" (offiziell rund 5500) auf ihrem jeweiligen Höhepunkt mehr Menschen. Die außergewöhnliche Dimension der Bauernproteste am Mittwoch machten jedoch nicht nur die laut Polizei 3000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus – der Bayerische Bauernverband (BBV) sprach anschließend von mehr als 4000 –, sondern auch die Wucht der Fahrzeuge. Schon in den frühen Morgenstunden rollten Landwirte aus ganz Schwaben an, im Augsburger Stadtgebiet machten sie dann durch Hupen und Sirenen lautstark auf sich aufmerksam. Insgesamt zählte die Polizei rund 2000 Traktoren, von denen der Großteil auf dem Plärrergelände oder in umliegenden Straßen parkte.
Eine Größenordnung, die schnell auch abseits des Plärrergeländes Auswirkungen hatte. Wie erwartet, kam es bereits ab etwa 8.30 Uhr zu spürbaren Einschränkungen im Verkehr. Betroffen waren vor allem, aber nicht nur die Straßen Richtung Plärrer – etwa Donauwörther Straße, B300 oder Bürgermeister-Ackermann-Straße. Eine koordinierte, zusammenführende "Sternfahrt" war zwar offiziell nicht vorgesehen, letztlich lief die quasi gleichzeitige Anfahrt aus allen Himmelsrichtungen jedoch auf etwas sehr Ähnliches hinaus. Die Stadtwerke richteten wegen der zugeparkten Langenmantelstraße für die Straßenbahn-Linie 4 eine Umleitung ein, auch auf anderen Linien kam es von Vor- bis Nachmittag zu Verzögerungen.
Groß-Demo in Augsburg: Das treibt die Landwirte an
Das Bedürfnis der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, ihren Protest auszudrücken, war also groß. Warum? Die kürzlich angekündigte Streichung von Subventionen sei nur der letzte Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen gebracht habe, sagen viele. Bernhard Braunmüller, 37 Jahre alt und aus Stätzling (Landkreis Aichach-Friedberg), schildert etwa, dass zu seinem Hof früher noch Tiere gehört hätten. Heute betreibe man nur noch Ackerbau, es sei insgesamt schwieriger geworden. "Mir ist es wichtig, auf die prekäre Situation in der Landwirtschaft aufmerksam zu machen", sagt Braunmüller, Landwirt im Nebenerwerb. Georg Huber, 49 Jahre alt und ebenfalls Landwirt, sagt, bei solchen Demonstrationen könne es "nie genug" Teilnehmer geben. "Dass nun Straßen durch all die Traktoren blockiert sind, ist ein Kollateralschaden, den wir eingehen müssen. Wir sind ein freies Land, da dürfen alle zur Demonstration kommen, wie sie wollen."
Auf der Bühne stand als Erster, vor allen anderen: ein Stuhl. Ein Schild mit rotem SPD-Schriftzug war dort aufgeklebt – laut Günther Felßner, bayerischer BBV-Präsident, weil die Vertreter auf ein Dialog-Angebot nur unzureichend eingegangen seien. Felßner wiederholte altbekannte Forderungen, etwa die nach einer kompletten Zurücknahme von Subventionsstreichungen, und traf mit heftiger Kritik an der Ampelregierung wie die darauffolgenden Rednerinnen und Redner den Nerv des Publikums. War Lautstärke meist als Zustimmung gemeint, änderte sich dies bei einem Redner: Als Vertreter einer Ampelpartei trat der FDP-Landtagsabgeordnete Maximilian Funke-Kaiser auf – und prallte trotz Ankündigung, er wolle die Anliegen der Landwirte in Augsburg "mitnehmen", teils auf eine Wand aus Buh-Rufen, Pfiffen, Sirenen-Heulen oder "Du kannst nach Hause gehen!"-Gesängen. Anschließende Redner zollten ihm Respekt, dass er sich der Menge gestellt habe.
Die Atmosphäre während der Veranstaltung war intensiv, Grenzüberschreitungen – ein Teilnehmer rief etwa "An den Galgen mit denen", als es um die Ampel ging – erwiesen sich aber als absolute Ausnahmen. Auf der Bühne äußerten die Verantwortlichen aus Landwirtschaft und Handwerk harte Kritik Richtung Berlin, einhellig distanzierten sie sich aber ausdrücklich von Extremismus. Immer wieder hieß es, man fühle sich zu Unrecht "in die rechte Ecke gestellt". Auch mehrere bekannte Politikerinnen und Politiker kamen – darunter etwa Klaus Holetschek (CSU) oder der besonders gefeierte Bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger –, ans Rednerpult trat aber wie verabredet keiner von ihnen.
Irgendwann zwischen 13.15 und 13.30 Uhr war die Kundgebung dann beendet, nach rund eineinhalb Stunden hatten alle Fahrzeuge das Plärrergelände verlassen. Die Polizei zeigte sich anschließend ebenso wie Ordnungsreferent Frank Pintsch (CSU) zufrieden mit dem "friedlichen Verlauf". Es habe keine "nennenswerte Vorkommnisse" gegeben. Sofern man an diesem Tag davon sprechen konnte.
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Der Liveblog zum Nachlesen: So lief die große Bauerndemo in Augsburg
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