Startseite
Icon Pfeil nach unten
Bayern
Icon Pfeil nach unten

50 Jahre Olympia in München: Die Olympischen Spiele 1972 haben München beflügelt - aber nicht lange

50 Jahre Olympia in München

Die Olympischen Spiele 1972 haben München beflügelt - aber nicht lange

    • |
    München im Vorfeld der Olympischen Spiele 1972: Blick auf die Baustelle des heutigen Olympiaparks und das Olympische Dorf
    München im Vorfeld der Olympischen Spiele 1972: Blick auf die Baustelle des heutigen Olympiaparks und das Olympische Dorf Foto: Alfred Hennig, dpa

    Ein Stadion mit Dach, ein Turm, eine Halle, ein Schwimmbad, ein Dorf, ein Park – die Geschichte der Olympiastadt München ist schnell erzählt. Recht viel mehr Sichtbares ist nicht geblieben von dem Ausflug der selbst ernannten „Weltstadt mit Herz“ auf die große Bühne der Welt – so scheint es zumindest.

    Man darf sich die „heiteren Spiele“, die ein so trauriges Ende nahmen, vorstellen wie einen Vulkanausbruch: In den Jahren zuvor war mächtig Druck auf dem Kessel. In der Stadt herrschte Aufbruchsstimmung, politisch dirigiert von Ministerpräsident Thomas Goppel (CSU) und Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel (SPD). Dann folgte ein kurzes Spektakel. Und danach war´s wieder so ruhig wie zuvor – Oktoberfest hin, FC Bayern her.

    Wer in München jenseits des Olympiageländes auf Spurensuche geht und sich die Frage stellt, was denn sonst noch so geblieben ist von den Spielen, kann dennoch fündig werden.

    Die Fußgängerzone zwischen Stachus und Marienplatz geht auf das Großereignis zurück, ebenso der Mittlere Ring, die U-Bahn und die S-Bahn-Stammstrecke. Und eine bis heute nachwirkende Entscheidung des Stadtrats hat in Form eines populären Liedes sogar Kultstatus erreicht: Der „Skandal im Sperrbezirk“ war tatsächlich einer – wenn auch etwas anders als im Nachhinein in dem berühmten Lied der Spider Murphy Gang beschrieben.

    Auch der Bau des U-Bahn-Netzes in München begann mit den Olympischen Spielen 1972

    Vor den Olympischen Spielen konzentrierte sich die Prostitution im Münchner Bahnhofsviertel. Als der Stadtrat im April 1972 auch dort einen Sperrbezirk auswies – der erste war bereits zwei Jahre zuvor für das neue Olympiagelände auf dem Oberwiesenfeld eingerichtet worden – kam es zu Protesten. Die Damen eines stadtbekannten Etablissements lockten mit Rabatten. Die Polizei versuchte ihr Bordell abzuriegeln. Freier bahnten sich dennoch den Weg. Einer kam, wie berichtet wird, sogar über das Dach des Nachbarhauses. Am Ende aber setzte sich die Ordnungsmacht durch und die Ausweisung von Sperrbezirken setzte sich in den Jahrzehnten danach fort. So etwas wie in Hamburg/St. Pauli sollte es in der Innenstadt und den Wohngebieten Münchens nicht geben. Die Rotlicht-Etablissements wurden in die Gewerbegebiete der Randbezirke abgedrängt – „damit in dieser schönen Stadt das Laster keine Chance hat“, wie es im Lied von der Rosi und ihrem Telefon heißt.

    Auch der Bau des U-Bahn-Netzes begann mit den Spielen. Bereits 1971 – drei Jahre früher als ursprünglich geplant! – startete die U6 ihren Betrieb zwischen Kieferngarten im Norden und Harras im Süden. Im Mai 1972 wurde, rechtzeitig vor Beginn der Spiele, der Abzweig der U3 von der Münchner Freiheit zum Olympiapark in Betrieb genommen. In den Jahren und Jahrzehnten danach folgten U4 und U5, U2 und U1 sowie immer wieder Verlängerungen der bestehenden Linien, in einem Fall – nach Garching im Norden – sogar über das Stadtgebiet hinaus.

    Im vergangenen Jahr feierte die Landeshauptstadt 50 Jahre U-Bahn.
    Im vergangenen Jahr feierte die Landeshauptstadt 50 Jahre U-Bahn. Foto: Lennart Preiss, dpa

    Die U-Bahn ist bis heute das beliebteste öffentliche Verkehrsmittel der Münchnerinnen und Münchner. Mit zwei anderen Errungenschaften der Verkehrsplanung, die eng mit den Olympischen Spielen verbunden sind, aber hadern die Bürgerinnen und Bürger in Stadt und Umland: Der im Mai 1972 nach dem Bau der Donnersberger Brücke komplett fertiggestellte Mittlere Ring, der zur Entlastung der Innenstadt geschaffen wurde, entwickelte sich zu einer der größten Staufallen Deutschlands. Und die erste S-Bahn-Stammstrecke – 1966 beschlossen, 1972 fertig gebaut! – gilt als heillos überlastet. Die Planer der elf Kilometer langen West-Ost-Verbindung, die rund 4,3 Kilometer als unterirdische Röhre zwischen Haupt- und Ostbahnhof verläuft, hatten mit 240.000 Fahrgästen pro Tag gerechnet. Mittlerweile sind es über 800.000 (Höchststand vor der Corona-Pandemie).

    In München folgte nach 1972 eine lange Phase des Durchschnaufens

    Die Dynamik in der Stadtentwicklung ebbte faktisch in dem Moment weitgehend ab, als das olympische Feuer erloschen war. Auf den Kraftakt, der München einen nie dagewesenen Modernisierungsschub gebracht hatte, folgte eine lange Phase des Durchschnaufens. Oder sollte man sogar sagen: der Trägheit? Die Stadt wuchs, war wirtschaftlich erfolgreich und wurde stetig reicher. Aber wirklich Aufsehenerregendes ereignete sich nicht mehr.

    Das zeigt sich beim öffentlichen Nahverkehr: An einer zweiten Stammstrecke für die S-Bahn wird seit Jahrzehnten herumgedoktert und so, wie es aktuell aussieht, werden noch mindestens eineinhalb Jahrzehnte vergehen, bis sie realisiert wird. Das zeigt sich aber auch in der Architektur: Das Olympiadach, das 1972 errichtete BMW-Hochhaus und der 1981 fertiggestellte Hypo-Vereinsbank-Tower am Arabellapark waren für lange Zeit die einzig bemerkenswerten Neubauten. Sieht man von der 2005 eröffneten Allianz-Arena ab, die sich der FC Bayern nach seinen Erfolgsjahren im Olympiastadion leisten konnte, hat sich architektonisch in München seit den 70er Jahren nichts wesentliches mehr ereignet.

    Die Stadt ist satt und mit sich selbst zufrieden. Ein Bürgerentscheid gegen Hochhäuser, der von dem früheren Oberbürgermeister Georg Kronawitter (SPD) betrieben wurde, fand im Jahr 2004 eine knappe Mehrheit. Für seinen Nachfolger Christian Ude (SPD) war das eine herbe Niederlage, aber auch er stemmte sich gegen ein, wie er es nannte, ungehemmtes Wachstum. München solle, so Ude, „kein Los Angeles“ werden.

    Die „Weltstadt mit Herz“ blieb trotz der Olympischen Spiele ein Millionen-Dorf

    Die „Weltstadt mit Herz“ blieb trotz der Olympischen Spiele ein Millionen-Dorf mit Bürgerinnen und Bürgern, die es traditionell und gemütlich mögen. Die „heiteren Spiele“ hatten vergessen gemacht, dass München unter der Herrschaft der Nationalsozialisten als „Hauptstadt der Bewegung“ galt. Man war an der Isar wieder mit sich im Reinen. Und wozu braucht es eine „Skyline“ oder architektonische Höchstleistungen, wenn internationale Konzerne ohnehin Schlange stehen, um sich hier niederzulassen? München muss sich nicht anstrengen. Irgendwie gilt immer noch das Motto: Hauptsach’ g’sund samma und a Wiesn hamma.

    Die schwierigen Debatten um einen neuen Konzertsaal hinter dem Ostbahnhof oder zwei neue Hochhäuser an der Paketposthalle zeigen, dass sich an der Grundstimmung vermutlich so schnell nichts ändern wird. Und wenn dann doch mal was gebaut wird, dann reicht es, wie bei der Pinakothek der Moderne, nur für einen mittelmäßigen Zweckbau ohne jeden Charme.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden