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50 Jahre Kartei der Not: Eine Erfolgsgeschichte der Nächstenliebe

50 Jahre Kartei der Not

Eine Erfolgsgeschichte der Nächstenliebe

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    Mandy Nürbchen (l.) hat einen behinderten Sohn, dem die Kartei der Not half. Samantha Holloway (2. v. r.) ist an Multipler Sklerose erkrankt und fand Unterstützung bei der Stiftung. Deren Kuratoriumsvorsitzende Ellinor Scherer (2. v. l.) und ihre Stellvertreterin Alexandra Holland feierten mit den beiden und vielen anderen das 50-jährige Bestehen.
    Mandy Nürbchen (l.) hat einen behinderten Sohn, dem die Kartei der Not half. Samantha Holloway (2. v. r.) ist an Multipler Sklerose erkrankt und fand Unterstützung bei der Stiftung. Deren Kuratoriumsvorsitzende Ellinor Scherer (2. v. l.) und ihre Stellvertreterin Alexandra Holland feierten mit den beiden und vielen anderen das 50-jährige Bestehen. Foto: Anne Wall

    Wer weiß schon, ob das Leben morgen noch so ist wie heute? Ob das Schicksal es nicht an einem Tag verändert. So wie bei Samantha Holloway. Seit sie 17 ist, leidet sie an Multipler Sklerose. Zwei Krankheitsschübe haben ihren Gesundheitszustand zuletzt verschlechtert. Ihre Kraft in den Beinen hat extrem nachgelassen. „Schnell mal in die Stadt fahren oder ins Grüne, das konnte ich plötzlich nicht mehr“, sagt die 35-Jährige. Ihr Fahrrad war für sie von einem Tag auf den anderen unbrauchbar geworden.

    Seit 50 Jahren gibt es für Menschen wie Samantha Holloway eine Anlaufstelle, die schnell und unbürokratisch hilft. Die Stiftung Kartei der Not greift ein, wenn sich unverschuldet Notleidende selbst nicht mehr helfen können – weil die Kraft fehlt, das Geld oder beides. Ellinor Holland, damals Herausgeberin der Augsburger Allgemeinen, gründete das Hilfswerk 1965. Das 50-Jährige wurde am Donnerstag mit rund 400 Gästen im Kurhaus gefeiert.

    Wie groß die Not in unserer Region ist, wissen Ellinor Scherer, Kuratoriumsvorsitzende der Stiftung, und ihre Stellvertreterin Alexandra Holland aus vielen Jahren des persönlichen Einsatzes. Sie wissen auch, dass die Zahl der Bedürftigen nicht kleiner wird: Über 2500 Anfragen erreichen die Stiftung jedes Jahr, fast 1,3 Millionen Euro werden an

    2016 wird das Ellinor-Holland-Haus eröffnet

    Alleinerziehende Mütter und Familien mit Kindern suchen am häufigsten Hilfe bei der Kartei der Not. Sie sind auch die größte Zielgruppe des ersten eigenen Projekts der Stiftung: Das Ellinor-Holland-Haus im Augsburger Textilviertel greift denen unter die Arme, die mehr benötigen als eine kurzfristige finanzielle Zuwendung. Im Haus, das 2016 eröffnet wird, finden Menschen eine Heimat auf Zeit. Hier können sie Ruhe tanken, bis sie lernen, wieder auf eigenen Füßen zu stehen. Die Arbeit der Stiftung, die sich bislang auf die Einzelhilfe konzentrierte, geht damit erstmals neue Wege. Ein Traum, den die 2010 verstorbene Gründerin Ellinor Holland lange hegte und den ihre Töchter Ellinor Scherer und Alexandra Holland nun verwirklichen.

    Wie bei jedem Geburtstag kamen viele Gratulanten. Die Festrede hielt der ehemalige Bundesfinanzminister Theo Waigel, der an die Zeit erinnerte, in der die Idee für die Kartei der Not geboren wurde. „Wir erlebten damals Brüche in Staat und Gesellschaft, es gab Auf- und Absteiger.“ Die Stiftung stehe heute auf einer Stufe mit den großen kirchlichen und sozialen Institutionen Schwabens. „Die Kartei der Not ist eine Rundumidee, ein Gesamtkonzept, an dem jeder gerne mitwirkt.“ Die Stiftung wurde am Donnerstag immer wieder als eine große Familie bezeichnet, die Helfer und Bedürftige einschließt. „Die Kartei der Not zeigt, dass es in unserer Gesellschaft echte Solidarität gibt“, sagte Finanz-Staatssekretär Johannes Hintersberger. Augsburgs Oberbürgermeister Kurt Gribl, der zum Jubiläum einen Scheck über 5000 Euro mitgebracht hatte, stellte den Einsatz der Stiftung heraus: „Sie ist mitten im Leben und geht dorthin, wo anderen das Leben nur unter unerträglichen Bedingungen möglich ist.“ Schwabens Regierungspräsident Karl Michael Scheufele weiß, dass es 1965 wie heute um „das wenig Sichtbare“ geht, denn Armut erschließe sich nicht immer auf den ersten Blick. Auch Heinz Liebert, stellvertretender Landrat des Kreises Augsburg, brachte am Donnerstag Geld mit ins Kurhaus – einen „Warm-up-Scheck“, sagte er schmunzelnd, denn eine Oldtimer-Rallye am Wochenende werde noch eine größere Summe für die Kartei einbringen. Es sind auch solche Veranstaltungen, die in der ganzen Region immer wieder Geld für die Arbeit der Stiftung erlösen.

    Samantha Holloway übrigens ist wieder oft in der Stadt und im Grünen unterwegs. Die Kartei der Not hat ihr ein Behinderten-Dreirad mit Elektromotor und Tretunterstützung finanziert und einen Zusatz-Gasantrieb einbauen lassen. Holloway ist glücklich: „Die Kartei der Not hilft mir damit fast jeden Tag im wörtlichen Sinn auf die Beine.“

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