Kurz vor dem Start des 49-Euro-Tickets am 1. Mai gibt es deutliche Kritik an dessen Umsetzung. Zwar sind noch etliche Fragen offen, doch bayerische Seniorenvertreter, aber auch der Sozialverband VdK warnen vor massiven Problemen, wenn nicht rasch umgesteuert wird. Der Augsburger Landrat Martin Sailer (CSU) sieht sogar die pünktliche Einführung "auf überaus wackligen Beinen" stehen.
Sailer betont, dass er grundsätzlich für das 49-Euro-Ticket ist. Kritik übt er an der Planung: Noch bevor etwa wichtige Finanzierungsfragen geklärt worden seien, habe man die Erwartungshaltung befeuert, dass ab 1. Mai ein bundesweit geltendes Deutschlandticket zu kaufen sein würde. Klappe es nicht, fürchtet er, "liegt der schwarze Peter bei den Verkehrsverbünden vor Ort". Doch die Haushaltslage sei in den meisten Kommunen sehr angespannt. "Für uns als Landkreis ist es deshalb natürlich wichtig, dass alle Kosten, die durch das neue Ticket entstehen, verbindlich zu 100 Prozent vom Bund bzw. Freistaat refinanziert werden – und das für die Gesamtgültigkeitsdauer des Tickets und nicht nur bis Ende 2023."
Digitales Deutschlandticket? Mehrheit der Senioren fehlt Digitalkompetenz
Als "skandalös und diskriminierend" bezeichnet es Franz Wölfl, Vorsitzender der Landesseniorenvertretung Bayern, wenn das Ticket wie geplant nur online zu kaufen wäre. Er verweist auf eine repräsentative Erhebung, wonach nur 13 Prozent der über 65-Jährigen in der Lage seien, einfache Behördengänge online zu erledigen. "Dies bedeutet, dass 87 Prozent der älteren Menschen in Bayern das Deutschlandticket gar nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen erwerben können." Daher fordert er: "Das 49-Euro-Ticket muss wie das 9-Euro-Ticket an allen Automaten leicht zu kaufen sein."
Unterstützung bekommt Wölfl von Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbands VdK. Auch sie sieht, wie sie im Gespräch mit unserer Redaktion sagt, bei einem reinen Onlineticket eine Diskriminierung von Menschen mit eingeschränkten digitalen Kompetenzen oder ohne Smartphone. "Dringend erforderlich ist aber auch ein bundesweit flächendeckend gültiges Sozialticket, das nicht mehr als 29 Euro kostet. Denn 49 Euro sind für viele Menschen, die nur wenig Geld zu Verfügung haben – beispielsweise Menschen mit sehr kleiner Rente oder Beschäftigte im Niedriglohnbereich – zu viel Geld." Doch gerade sie seien verstärkt auf einen günstigen ÖPNV angewiesen, etwa um zur Arbeit oder Ausbildung zu kommen, aber auch, um sich mal einen Ausflug leisten zu können. Daher ist es ihr so wichtig, "dass das Ticket auch jeweils nur für einen Monat käuflich sein muss". Bentele ist klar: "Ein Sozialticket wird vor allem aus Kostengründen bisher abgelehnt". Doch sie sagt auch: "Würde man beispielsweise die steuerlichen Privilegien für Dienstwagen streichen, die vor allem Gutverdiener zugutekommen, ließe sich vermutlich ein Teil der Kosten für das Sozialticket finanzieren."
Forderung nach 29-Euro-Ticket: Viele Studierende sind armutsgefährdet
Auch viele junge Menschen stehen vor finanziellen Problemen. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts sind derzeit etwa 76 Prozent der Studierenden, die allein oder in Wohngemeinschaften leben, armutsgefährdet. Die bayerische Staatsregierung hat bereits reagiert und Auszubildenden sowie Studierenden ein bundesweit geltendes 29-Euro-Ticket in Aussicht gestellt. Es soll aber erst am 1. September eingeführt werden. "Derzeit laufen die Gespräche zwischen Studierendenwerken und Verkehrsverbünden, welche Übergangslösungen gefunden und wie das Ticket mit dem regulären Semesterticket verrechnet werden kann", berichtet Thorsten Utz, Sprecher der bayerischen Studierendenvertretung.