Michael Adam ist bei der SPD, ist evangelisch und schwul. "Alles, was man in Bodenmais nicht sein darf", hat er einmal selbst gesagt.
Dennoch wählte die 3400-Einwohner-Gemeinde im Bayerischen Wald den damals erst 23 Jahre alten Adam im März 2008 zum Bürgermeister und watschte die CSU ab. Anfangs war der junge, schwule Bürgermeister eine touristische Attraktion. Wie geht es Michael Adam heute, nach zwei Jahren Kommunalpolitik?
Herr Adam, werden Sie immer noch von Touristen fotografiert?
Adam: Nein, der Hype ist weg, ich bin in den Niederungen der Kommunalpolitik angekommen.
Oh, das klingt nicht mehr ganz so euphorisch wie direkt nach Ihrer Wahl ..
Adam: Na ja, ich hatte eine sehr schwierige Gemeinde übernommen. Unsere Pro-Kopf-Verschuldung war eine der höchsten in Bayern, die Organisation der Verwaltung war weitgehend zusammengebrochen und der Tourismus - für uns ein lebensnotwendiger Wirtschaftsfaktor - lag am Boden. Ich musste eine ganze Zeit lang ohne Geschäftsleiter und Kämmerer auskommen. Das ging an die Grenzen meiner Belastbarkeit.
Und jetzt ist alles gut?
Adam: Nein, dafür war noch nicht genug Zeit. Aber ich habe eine neue Verwaltung aufgebaut. Die meisten Mitarbeiter sind unter 30. Der Haushalt ist so weit saniert, wie es möglich war, und der Tourismus hat gegen den Trend im Bayerwald wieder stark angezogen. Wir haben 842 000 Übernachtungen im Jahr.
Hat da vielleicht der junge schwule Bürgermeister eine Rolle gespielt?
Adam: Die Pilger stehen nicht gerade Schlange. Aber im Ernst: Indirekt hat das schon eine Rolle gespielt. Nach meiner Wahl war Bodenmais monatelang bundesweit in den Medien. Da haben wir sicher Millionen an Werbekosten gespart. Zudem haben wir versucht die Chance zu nutzen und zu zeigen, dass der Ort weltoffen und tolerant ist.
Hat es funktioniert?
Adam: Ich will ehrlich sein. Im Wahlkampf und auch in der Zeit nach meiner Wahl war die Skepsis bei vielen Bürgern wegen meines Alters groß. Meine Homosexualität war aber nie ein Thema. Ich glaube, den Bodenmaisern hat es sehr gut getan, dass das auch bundesweit so in den Medien kommuniziert wurde.
Wie geht es Ihnen selbst?
Adam: Ich habe fünf Kilo zugenommen, meine Marathonpläne und mein Studium auf Eis gelegt und eine Partnerschaft ist in die Brüche gegangen.
Keine schöne Bilanz. Haben Sie Ihre Kandidatur bereut?
Adam: Nein, die Aufgabe macht mir großen Spaß und meine Erfahrungen nimmt mir keiner mehr. Aber ich gehe morgens um 7 Uhr ins Büro und komme abends nicht vor 23 Uhr heim. In so einem kleinen Ort ist man ein Rund-um-die-Uhr-Bürgermeister. 40 Jahre mache ich das sicher nicht.
Was haben Sie denn für Pläne?
Adam: Man kann das nicht minuziös planen. Ich habe zuletzt für den Bundestag kandidiert, wir haben immerhin 36 Prozent geholt. Außerdem bin ich im SPD-Landesvorstand. Ich denke, die Bayern-SPD tut gut daran, ihre erfolgreichen Kommunalpolitiker mittlerweile noch stärker einzubinden als bisher.
Wohnen Sie noch bei Ihren Eltern?
Adam: Nein, ich wohne jetzt 100 Meter vom Rathaus entfernt.
Ein neuer Freund?
Adam: Ja, seit fast einem Jahr, aber es ist bei meinem Job eine tägliche Gratwanderung.
Sind Sie immer noch so stark in Vereinen engagiert?
Adam: Ich bin in allen Bodenmaiser Vereinen Mitglied - außer im Frauenbund und im Mütterverein.
Das wäre ja auch etwas übertrieben. Spätestens seit Deutschland einen schwulen Außenminister hat, sollte man meinen, dass Homosexualität in der Politik nichts Besonderes mehr ist. Nun wurde Guido Westerwelle in letzter Zeit heftig angefeindet. Wegen seines Schwulseins? Was meinen Sie?
Adam: Nein, bei Westerwelle liegt das am Charakter. Er ist ein neoliberaler Ichling und er betreibt eine eklige Hartz-IV- Politik.
So etwas wie eine Solidarität unter Homosexuellen gibt es da wohl nicht?
Adam: Nein, nicht in diesem Fall.
Zuletzt hatten Sie mit ganz anderen Schwierigkeiten zu kämpfen. Ein kurioser Streit um einen Brunnen beschäftigt Bodenmais. Was ist da los?
Adam: Der Streit hat eine lange Vorgeschichte. Schon 1995 haben die Bürger in einer Befragung mehrheitlich gegen diese Brunnenskulptur gestimmt. Dennoch wurde sie aufgestellt und die Gemeinde bezahlte 150 000 Mark dafür. Doch der Brunnen hat nie richtig funktioniert und hat hohe Reparaturkosten verursacht.
Und deshalb hat der Gemeinderat nun einstimmig beschlossen, ihn abzubauen.
Adam: Ja. Das Problem ist, dass der Brunnen unter meinem Vorgänger umgebaut wurde. Der Künstler hat daher die Gemeinde verklagt. Er sagt, man darf ein Kunstwerk nicht einfach verändern.
Da hat er nicht unrecht ...
Adam: Stimmt. Deshalb wird der Brunnen ja jetzt ganz abgebaut.
Wiederherstellen kommt nicht infrage?
Adam: Der Brunnen war in Bodenmais von Anfang an ungeliebt. Wenn wir den wieder aufbauen, werde ich von den Bürgern mit brennenden Fackeln aus dem Ort getrieben.
Interview: Holger Sabinsky