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25 Jahre Tatort München: Miroslav Nemec und Udo Wachtveitl: "Die Ehe-Metapher passt ganz gut"

25 Jahre Tatort München

Miroslav Nemec und Udo Wachtveitl: "Die Ehe-Metapher passt ganz gut"

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    Die Schauspieler Udo Wachtveitl als Kommissar Leitmayr (links) und Miroslav Nemec als Kommissar Batic posieren bei Dreharbeiten zu einer Tatortfolge.
    Die Schauspieler Udo Wachtveitl als Kommissar Leitmayr (links) und Miroslav Nemec als Kommissar Batic posieren bei Dreharbeiten zu einer Tatortfolge. Foto: Andreas Gebert, dpa

    Kriminalhauptkommissar Franz Leitmayr ist eben noch durch München gehetzt, um einen Mord zu verhindern. Jetzt steht er vor der Leinwand, im Filmtheater Sendlinger Tor. Mit müden, glasigen Augen. Udo Wachtveitl hustet.

    Er sieht fast exakt so aus wie „der Leitmayr“ auf der Kinoleinwand, der aus dem BR-„Tatort“. Schwarzes Sakko, dunkelblaues Hemd: Leitmayr. Schwarzer Mantel, dunkelblauer Pullover: Wachtveitl. Dem einen setzt die Mörderjagd zu, dem anderen eine Grippe. Abgekämpfter Wachtmayr, abgekämpfter Leitveitl.

    Tatort aus München: Seit 25 Jahren ermittelt Udo Wachtveitl

    Seit 1991 spielt er den Ermittler in den Münchner Folgen der ARD-Krimireihe. Eine Ewigkeit im Fernsehgeschäft. 25 Jahre.

    Deshalb ist Wachtveitl an diesem Abend hier, wo er doch lieber zu Hause sein und schlafen würde. „25 Jahre Batic und Leitmayr – Einladung zu Premiere und Interviewtag in München“, betitelte der Bayerische Rundfunk seine „Presse-Einladung“. Er verloste hundert Eintrittskarten, er hätte tausend verlosen können. Faszination „Tatort“.

    Udo Wachtveitl, 57, und sein Kollege Miroslav Nemec, 61 – „der Batic“ – haben tagsüber acht Stunden lang Interviews gegeben. Zur Premiere der Jubiläumsfolge „Mia san jetz da wo’s weh tut“ sind drei Kamerateams gekommen. München.tv, BR, ORF. Roter Teppich, Fotografen. Hustender Wachtveitl. Lächelnder Wachtveitl. Er hört sich geduldig die immer gleichen Fragen der Journalisten an und beantwortet sie geduldig mit den immer gleichen Worten. Er empfindet das als ermüdend. Aber soll er sich immer neue, lustige Antworten ausdenken?

    Die ORF-Journalistin fragt, wie er „25 Jahre ,Tatort‘“ feiern werde? Ob seine Beziehung zu Miroslav Nemec wirklich mit einer Ehe vergleichbar sei? „Es gab auch Streit“, sagt er, und Nemec neben ihm beendet den Satz: „...aber die Ehe-Metapher passt ganz gut.“ Die ORF-Journalistin nickt zufrieden.

    Michael Fitz beobachtet diese Szenen aus zwei, drei Metern Entfernung. „Die beiden sind Kult“, sagt er. Fitz war von 1991 bis 2007 Carlo Menzinger, der Dritte im Ermittler-Team. „Ich kann mich genau erinnern: Von drei ,Tatorten‘, die wir im Jahr gedreht haben, waren zwei gut.“ Schon zu seiner Zeit sei der „Tatort“ ein Leuchtturm im deutschen Fernsehen gewesen. Leider werde die Reihe nicht besser, wenn sie inflationär werde.

    Tatort als "popkulturelles Symbol"

    Beständig neue „Tatort“-Kommissare, neue „Tatort“-Assistenten, neue „Tatort“-Städte, „Tatort“-Specials, „Tatort“-Kritiken, Vor- und Nachberichte, Bild-Schlagzeilen. Der „Tatort“ sei ein „popkulturelles Symbol“ und „in besonderem Maße deutsch“, schrieb ein Journalist der New York Times vor sieben Jahren.

    Damals erreichten „Tatort“-Folgen in der Regel sieben Millionen Zuschauer. Inzwischen ist die Zehn-Millionen-Marke keine Seltenheit. Die Deutschen werden des „Tatorts“ nicht überdrüssig, im Gegenteil. Axel Prahl und Jan Josef Liefers schafften als Münsteraner Ermittler Thiel und Boerne mit der Folge „Schwanensee“ am 8. November 2015 die beste „Tatort“-Einschaltquote seit 1992: 13,69 Millionen Menschen schauten zu. Die Folge war die meistgesehene TV-Sendung des Jahres. Sie lag vor einem Fußball-Champions-League-Spiel des FC Barcelona gegen den FC Bayern München. 2015 wurden 40 „Tatort“-Erstausstrahlungen gezeigt, so viele wie nie.

    Der Tatort lockt Sonntag für Sonntag Millionen vor den Fernseher. Aber wer ermittelt eigentlich wo? Diese  Kommissare bzw. Teams sind derzeit im TV-Einsatz.
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    Der Tatort lockt Sonntag für Sonntag Millionen vor die Fernseher. Aber wer ermittelt eigentlich wo? Diese 22 Kommissare beziehungsweise Teams sind derzeit im TV-Einsatz.

    Auch den Münchner Jubiläums-„Tatort“ werden am Sonntag von 20.15 Uhr an Millionen Menschen im Ersten sehen. Sie werden mitfiebern, wenn Leitmayr, der „Grantler mit philosophischem Tiefsinn“, und Batic, der „Gemütsmensch“, durch ein München jagen, das den München-Postkarten allenfalls oberflächlich gleicht. Wenn Leitmayr und Batic sich kabbeln. Wenn die Blicke, die sie austauschen, vielsagender sind als die Worte, die sie wechseln.

    Tatort im Fernsehen: Zehn Millionen TV-Zuschauer

    Und Udo Wachtveitl wird sich, ein wenig zumindest, wundern, dass wieder acht, neun, zehn Millionen Menschen ihren Sonntagabend mit Leitmayr verbracht haben werden. Mit ihm.

    „Der Leitmayr ist ein Typ, der so aussieht wie ich, der so spricht wie ich, der ungefähr so alt ist wie ich, der in München aufgewachsen ist wie ich“, sagt Wachtveitl ein paar Tage später. „Er ist trotzdem eine Kunstfigur.“

    Der Tatort lockt Sonntag für Sonntag Millionen vor den Fernseher. Aber wer ermittelt eigentlich wo? Diese  Kommissare bzw. Teams sind derzeit im TV-Einsatz.
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    Der Tatort lockt Sonntag für Sonntag Millionen vor die Fernseher. Aber wer ermittelt eigentlich wo? Diese 22 Kommissare beziehungsweise Teams sind derzeit im TV-Einsatz.

    Am Premierenabend ist es nach 22 Uhr geworden, das Publikum strömt aus dem Kino hinaus in die kalte März-Nacht. Der „Tatort“ wird als eines der letzten Lagerfeuer der Fernseh-Nation bezeichnet. Wachtveitl steht im Wintermantel vor der Leinwand. Eine Frau bittet ihn um ein Autogramm, wünscht „gute Besserung“. Eine sagt: „Nehmen Sie „BoxaGrippal“. „Hexa?“, fragt er. „Nein, Boxa.“

    „Das Faszinierende am ,Tatort‘ sind sicherlich die authentischen Figuren“, meint Silke Porath am Telefon. „Mit ihnen kann man sich identifizieren.“

    Szenenwechsel, Tatortfolge 52: Was passiert jetzt wohl mit dem mysteriösen Halbnackten? „Ich bin soeben zur Jungfrau Maria durchgedrungen“, sagt er in der Nymphenburger Villa einer bekannten TV-Astrologin. Räucherschalen-Rauchschwaden ziehen an seinem Gesicht vorbei. „Das ist die Muttergottes“, erklärt Leitmayr Batic, und Batic atmet ein „Jaja“ aus.

    Batic: „Wir nehmen Sie fest, wegen Mordverdachts an Ihrer Frau.“

    Leitmayr: blickt genervt.

    Wachtveitls Tatort-Tiefpunkt: "Gesang der toten Dinge"

    Wachtveitl schüttelt den Kopf, als könne er es nicht fassen, dass er 2009 tatsächlich in der Folge mit dem halbnackten TV-Astrologinnen-Witwer mitspielte. Er sitzt in einem Café in der Nähe des Münchner Gärtnerplatzes. Vor ihm ein Ingwer-Limonen-Tee und ein frisch gepresster Orangensaft. „Als einen absoluten Tiefpunkt empfand ich unseren Esoterik-,Tatort‘ ,Gesang der toten Dinge‘. Wirklich grauenvoll“, sagt er. „Aber auch Mercedes passiert manchmal ein Modell, das den Elchtest nicht besteht. Nur, steigt man deswegen als Ingenieur bei

    Wachtveitl war mehrmals kurz davor hinzuschmeißen. Er tat es nicht, unter anderem aus Loyalität zum „ganzen Projekt ,Tatort‘“. Vier Monate im Jahr arbeitet er an neuen Folgen, acht Monate hat er Zeit für anderes. 72 Folgen – für Wachtveitl eine Abfolge von Einzelprojekten. 25 Jahre – er erinnert sich an „die schiere gute Laune“ an den Drehtagen. „Und dann gab’s auch erotische Seifenblasen. Es sind ja immer wieder neue Kolleginnen am Set, die man kennenlernt.“ Lächelnder, kaum mehr hustender Wachtveitl.

    Im Laufe der Jahre ist er zu einem „Tatort“-Experten und -Erklärer geworden. Der Experte erklärt: „Der ,Tatort‘ gehört dazu wie ein Einrichtungsgegenstand – egal, ob der nun gut, hübsch oder scheußlich ist.“ Ja, der „Tatort“ gehöre irgendwie zu Deutschland. Gehört, so einrichtungsgegenständlich betrachtet, damit Udo Wachtveitl zu

    Es ist der Tag, an dem die Online-Seiten der Zeitungen über Explosionen am Brüsseler Airport Zaventem und in der U-Bahn-Station Maelbeek berichten. Wachtveitl blickt auf sein Smartphone, liest vor: „Viele Tote...“

    Die Deutschen wachsen mit dem Tatort auf

    Leitmayr und Batic wurden mit 152 Toten konfrontiert. Silke Porath, die 44-jährige Buchautorin, durfte den „Tatort“ als Kind nicht sehen. Wie der 24-jährige Max von der Groeben, der in der Jubiläumsfolge eine der Hauptrollen spielt und von „einer Ehre“ spricht. Wie Bruder Maurus Runge, ein 37-jähriger Benediktinerpater aus dem Sauerland, der regelmäßig über den „Tatort“ twittert. Für ihn hat er etwas von einem „Hochamt“, das sonntägliche Zuschauen sei ein Ritual. Sie sind mit dem „Tatort“ aufgewachsen, ihre Kindheitserlebnisse binden sie an die Krimi-Reihe, die seit 1970 in der ARD läuft und läuft und läuft.

    Udo Wachtveitl verschwindet in Richtung Gärtnerplatz. Er will noch ein „Tatort“-Drehbuch lesen. Er bemerkt es vielleicht nicht: Manche Passanten drehen sich nach ihm um. Sie lächeln. Auch Wachtveitl lächelte, als er vorhin sagte, was er in Interviews gerne sagt. „Es bleibt dabei. Ich will nicht noch mit dem Rollator auf Verbrecherjagd gehen.“ Batic und Leitmayr dürften kein trübsinniges Ende finden.

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