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Zweite Stammstrecke: Eine unsichtbare Großbaustelle 27 Meter unter München

München

27 Meter unter der Münchner Innenstadt liegt eine unsichtbare Großbaustelle

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    Hier sollen einmal, voraussichtlich im Jahr 2037, die Gleise der 2. Stammstrecke verlaufen. Etwa zehn Meter weiter oben wird seit Mittwoch der Tunnel gebaut.
    Hier sollen einmal, voraussichtlich im Jahr 2037, die Gleise der 2. Stammstrecke verlaufen. Etwa zehn Meter weiter oben wird seit Mittwoch der Tunnel gebaut. Foto: Matthias Balk, dpa

    München hat jetzt ein eigenes Bergwerk unter der Innenstadt. So ungefähr kann man sich die Baustelle vorstellen, an der am Mittwoch tief unter der Erde die Arbeit aufgenommen wurde. 27 Meter muss man am Münchner Marienhof, direkt auf der Rückseite des Rathauses, in die Tiefe fahren, um hinab zu den Arbeitern zu gelangen. Hier unten entsteht ein Tunnel, der die bestehenden U-Bahn-Linien an der Haltestelle Marienplatz mit der zukünftigen S-Bahn-Station der 2. Stammstrecke verbinden wird. Deren Baugrube ist daher auch Ausgangspunkt für den Tunnel.

    Der 91 Meter lange Verbindungsstollen mit rund acht Metern Höhe unterquert den Angaben der Bahn zufolge in Zukunft den Eingangsbereich der U-Bahn und läuft unterirdisch parallel zur Rückseite des Münchner Rathauses. Am Mittwoch setzte ein elektrisch betriebener Hydraulikbagger den ersten Schlag. Jeden Tag wolle man etwa 80 Zentimeter bis einen Meter vorankommen, sagt Karsten Läufer, Projektleiter der Arbeitsgemeinschaft Marienhof, also aller Bauunternehmen, die auf der Großbaustelle tätig sind. Der Rohbau soll im Sommer fertig sein, dann geht es weiter mit der Betonverkleidung des Tunnels. „Anfang nächsten Jahres wollen wir bei der U-Bahn durchschlagen.“

    Gleich kommt der erste Schlag: Die Bauarbeiter beim symbolischen Tunnelanstich am Mittwoch.
    Gleich kommt der erste Schlag: Die Bauarbeiter beim symbolischen Tunnelanstich am Mittwoch. Foto: Matthias Balk, dpa

    Fahrgäste bekommen vom Bau der zweiten Stammstrecke nichts mit

    Die rund 200.000 Fahrgäste, die nach Schätzungen der Stadt täglich im Schnitt in den U- und S-Bahn-Stationen unter dem Marienplatz unterwegs sind, werden davon nichts mitbekommen, genauso wenig wie Zehntausende, die im Tageslicht durch die Innenstadt eilen. Unbemerkt von ihnen allen wird in fast 30 Metern Tiefe ab sofort rund um die Uhr gebaut. 120 Tunnelbau-Spezialistinnen und -Spezialisten arbeiten an sieben Tagen pro Woche 24 Stunden. Damit sich auch Laien die Dimensionen vorstellen können, greift die Bahn zu einem Vergleichsmaß, das in Bayern jeder und jede verstehen soll: Der Hydraulikbagger hebe den Tunnelquerschnitt von rund 89 Quadratmetern aus, heißt es von der Bahn. Etwa 6.500 Kubikmeter Erdreich würden bewegt. „Damit könnte man 6,5 Millionen Maßkrüge füllen – das entspricht beinahe dem gesamten Bierkonsum des vergangenen Oktoberfestes.“

    Durch diese Schleuse muss jeder Arbeiter, um sich an den Luftdruck in der Baukammer zu gewöhnen.
    Durch diese Schleuse muss jeder Arbeiter, um sich an den Luftdruck in der Baukammer zu gewöhnen. Foto: Matthias Balk, dpa

    Unterirdische Baustelle, historisches Gebäude in unmittelbarer Nähe: Da kommt einem schnell Köln in den Sinn. Dort war am 3. März 2009 das Historische Archiv der Stadt eingestürzt. Bis heute vermuten Experten einen Zusammenhang mit Bauarbeiten an einem unterirdischen Gleiswechselbauwerk für die neu angelegte Stadtbahn. In München sichert man sich im wahrsten Sinne minutiös dagegen ab. Alle drei Minuten zeigen Sensoren an, ob umliegende Gebäude wie das weltberühmte neugotische Rathaus aus dem Jahr 1905 sich in irgendeiner Form bewegen. Wäre das der Fall, könnte gezielt mit Einspritzungen gegengesteuert werden. „Botox für den Boden“, wie es Bahn-Pressesprecher Sebastian Meyer bei der Baustellenbesichtigung nennt.

    Eine besondere Schwierigkeit der 2. Stammstrecke, genauso wie jetzt beim Verbindungstunnel, ist das Grundwasser. Die Baustelle liegt in einer Art unterirdischem, natürlichem Wasserbecken. Damit die Wassermassen nicht einfach hereinbrechen, braucht es unter Tage einen Luftdruck bis zu 1,0 bar. Das entspricht in etwa dem Druck beim Tauchen in zehn Metern Tiefe. Um sich an den Druckunterschied zu gewöhnen, müssen die Spezialistinnen und Arbeiter vor und nach ihrer Schicht erst einmal in eine Schleuse, die aussieht wie eine Weltraumkapsel. Für die Arbeit im Untergrund müssen sie wegen der widrigen Bedingungen körperlich fit sein. Projektleiter Karsten Läufer formuliert es so: „Schon ein kleiner Schnupfen bedeutet: Du gehst hier nicht rein.“

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    1 Kommentar
    Gerold Rainer

    Nur eine kleine Korrektur: An der Oberfläche herrscht ein Luftdruck von ca. 1 Bar, im Tunnel einer von 2 Bar, weil sich das Gewicht der Luftsäule zu dem der Wassersäule addiert.

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