Augsburg. Sie ist 60 Kilogramm schwer, etwa 1,30 Meter hoch und 60 bis 70 Zentimeter breit. Und sie ist zum Symbol eines furchtbaren Verbrechens geworden. Die Holzkiste, in der die entführte Ursula Herrmann im Herbst 1981 einen qualvollen Tod sterben musste. Am Donnerstag stand der Nachbau dieses Verlieses wieder einmal wie ein Mahnmal in Saal Nr. 101 des Augsburger Landgerichts.
Im Prozess gegen den mutmaßlichen Entführer des damals zehnjährigen Mädchens sagte ein Mann aus, der die Kiste inzwischen vermutlich genauso gut kennt wie derjenige, der sie vor fast drei Jahrzehnten gebaut hat. Der pensionierte Kriminalbeamte Günter S. hatte mit einem Kollegen die Holzkiste, in der das Kind tot gefunden wurde, in alle Einzelteile zerlegt.
Sie zählten sämtliche Schrauben, ermittelten sogar den Durchmesser der Bohrlöcher und prüften die Herkunft aller Bretter. Doch es half nichts. Auch Werkzeugspuren brachten die Ermittler nicht weiter. Es wurden nie Werkzeuge gefunden, die zu den Spuren an der Kiste passten.
Fest steht, dass der Konstrukteur des Gefängnisses handwerklich begabt gewesen sein muss. Mehr aber nicht. "Einer bestimmten Berufsgruppe kann man ihn nicht zuordnen", stellte Günter S. fest. Rätsel gibt vor allem das komplexe System aus Plastikrohren auf, das an der Kiste installiert war.
In die Rohre waren in mühevoller Handarbeit 2286 kleine Löcher gebohrt worden - auch das haben die Ermittler nachgezählt. Es wird vermutet, dass die Rohre der Belüftung dienen sollten. Funktioniert hat das nicht: Das eingesperrte Mädchen ist vermutlich nach etwa sechs Stunden erstickt.
Günter S. war es auch, der später den Nachbau der Todeskiste konstruierte. Obwohl es nur eine Kopie ist, flößt die Kiste vielen Prozessbeteiligten fast Angst ein. "Es läuft mir kalt den Rücken runter, wenn ich sie sehe", sagte ein andere Zeuge, der gestern gehört wurde. Einer dagegen zeigte trotz des Anblicks keine besondere Gefühlsregung: Werner M. (59), der Angeklagte. (Jörg Heinzle)