Zum ersten Mal überhaupt sind im vergangenen Jahr mehr als 300 Milliarden Euro auf dem deutschen Immobilienmarkt umgesetzt worden. Bei rund 936.600 Kauffällen wechselten 337 Milliarden Euro den Besitzer. Das geht aus den Zahlen der aktuellen Immobilienmarktanalyse des Hamburger Gewos-Instituts für Stadt-, Regional- und Wohnforschung hervor, die am Donnerstag vorgestellt wurde. Sie gilt als besonders exakt, da sie auf der Erfassung der tatsächlichen Verkäufe beruht. Nachdem Beton-Gold seit Jahren schon immer gefragter ist – und der Preisanstieg auch von der Corona-Krise nicht nachhaltig gestoppt werden konnte –, senden diese Zahlen nun noch einmal ein großes Ausrufezeichen.
Denn während die Umsätze im Vergleich zum Vorjahr noch einmal um 14,5 Prozent gestiegen sind, war die Zahl der Transaktionen leicht rückläufig. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass die Preise noch einmal deutlich angezogen haben. "Das Jahr 2021 war ein absolutes Ausnahmejahr für den deutschen Immobilienmarkt. Verantwortlich für das neue Allzeithoch beim Geldumsatz waren einerseits Nachholeffekte, nach den coronabedingten Unsicherheiten des Vorjahres, insbesondere an den Teilmärkten für Mehrfamilienhäuser und Wirtschaftsimmobilien“, sagt Sebastian Wunsch, Bereichsleiter immobilienwirtschaftliche Analysen beim Gewos-Institut. Speziell in großen Städten hätten einige aufgeschobene Großverkäufe die Zahlen getrieben. Andererseits habe es aber weiterhin ein "gesteigertes Interesse an Wohneigentum" gegeben. Und viele Menschen waren bereit und in der Lage, diese Preise zu zahlen.
Der Traum vom Eigenheim platzt für immer mehr Menschen
Fast 80 Prozent der Transaktionen in Deutschland betreffen Wohnimmobilien. "Die Preisdynamik im Bereich des Wohneigentums hat sich in 2021 noch einmal erheblich verstärkt. Mit plus 13,7 Prozent bei Eigenheimen und plus 13 Prozent bei Eigentumswohnungen haben wir im vergangenen Jahr die stärksten Preiszuwächse seit Beginn unserer Aufzeichnungen in den Achtzigerjahren festgestellt", sagt Wunsch. Damit rückt das Eigenheim für immer mehr Menschen in unerreichbare Ferne. Laut den Gewos-Zahlen mussten Haushalte für den Erwerb eines Eigenheims im Jahr 2021 bereits 7,4 Jahreseinkommen aufwenden, für den Erwerb einer Eigentumswohnung wurden im Schnitt 5,5 Jahreseinkommen fällig. Im Vorjahr waren es noch 6,8 bzw. 5,1 Jahreseinkommen und vor zehn Jahren 4,7 bzw. 3,6 Einkommen.
Doch selbst wenn die finanziellen Mittel vorhanden sind, müssen potenzielle Käufer erst einmal ein passendes Haus finden. Die Zahl der inserierten Eigenheime ist laut Gewos in 2021 deutlich zurückgegangen, ebenso die Zahl der Fertigstellungen. Ein Grund dafür ist auch der Mangel an Baugrund. Längst gilt das nicht nur für die großen Städte, sondern auch für ihr Umland. In Bayern war die verkaufte Fläche mit 1719 Hektar beinahe stabil. Die erzielten Umsätze stiegen aber um 18,3 Prozent.
Die hohen Energiepreise verteuern viele Baustoffe beträchtlich
Doch nun frisst sich die Krise auch in die Bücher der Bau- und Immobilienbranche. Der Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB) warnt bereits vor einer Baustofflücke. "Die explodierenden Energiepreise lassen größere Produktionsausfälle in der Baustoffherstellung als ein sehr wahrscheinliches Szenario erwarten", wird Verbandspräsidentin Katharina Metzger in einer Mitteilung zitiert. Wenn ein Baustoff fehle, weil er nicht mehr produziert werden kann, Dämmstoffe etwa, könne ein kompletter Rohbau lahmgelegt werden. Kleine Ausfälle könnten so große Bauprojekte ins Stolpern bringen.
Diese Gefahr sieht auch das Münchner Ifo-Institut – und dies, nachdem sich die Lieferengpässe auf dem Bau gerade erst etwas abgemildert haben. Demnach klagten im August noch 36,4 Prozent der Unternehmen über Lieferprobleme. Im Juli waren es noch 45,6 Prozent. Sehr viele Bauunternehmen planten vor diesem Hintergrund weitere Preiserhöhungen. Oder Bauprojekte scheitern ganz. "Seit April sehen wir, dass auffällig viele Projekte gestrichen werden", sagt Ifo-Forscher Felix Leiss. Explodierende Baukosten, steigende Finanzierungszinsen und eingeschränkte Fördermöglichkeiten belasteten die Kalkulation potenzieller Bauherren schwer. "Einige Projekte werden damit unrentabel", sagt Leiss.
Der Druck auf den Wohnungsmarkt nimmt weiter zu
Die Unternehmen verfügten immer noch über prall gefüllte Auftragsbücher, aber: "Mit Blick auf die künftige Entwicklung greift die Angst um sich", sagt Leiss. Sehr viele Betriebe befürchteten Geschäftsrückgänge. Der Erwartungsindikator der Ifo-Umfrage fiel auf minus 48,3 Punkte - den niedrigsten Stand seit Beginn der Erhebung 1991.
Gewos-Experte Wunsch sieht daher das seit vielen Jahren angestrebte Ziel mittlerweile zweier Bundesregierungen von 400.000 neuen Wohnungen im Jahr als unrealistisch an. "Nach unseren Prognosen werden es in 2022 erneut nicht einmal 300.000", sagt Wunsch. Der Druck auf den Wohnungsmarkt in den Städten dürfte damit, auch durch die jüngste Zuwanderungswelle von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine, noch weiter steigen.