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Patrizia-Chef im Interview: So hat Corona den Immobilienmarkt verändert

Patrizia-Chef im Interview

So hat Corona den Immobilienmarkt verändert

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    „Wir sehen keine Blase“, sagt Thomas Wels zu den Preisen am Immobilienmarkt. Er steht zusammen mit Wolfgang Egger an der Spitze von Patrizia und sammelt Street Art.
    „Wir sehen keine Blase“, sagt Thomas Wels zu den Preisen am Immobilienmarkt. Er steht zusammen mit Wolfgang Egger an der Spitze von Patrizia und sammelt Street Art. Foto: Patrizia AG

    Welche Folgen, Herr Wels, hat die Corona-Krise auf dem Immobilienmarkt hinterlassen?

    Thomas Wels: Die Corona-Pandemie, da sind sich Fachleute einig, verschärft bestehende Trends. Im Einzelhandel zeichnet sich schon länger ab, dass beispielsweise das Konzept des Kaufhauses, das aus der Nachkriegszeit kommt, immer schwieriger wird. Hart betroffen waren große Ketten mit ihren Filialen in den Innenstädten. Diese werden künftig nicht mehr 5 Stockwerke mit Laufkundschaft füllen können. Der Grund liegt auch im Internethandel, dort sind immer mehr Waren jederzeit und sofort vom Sofa aus verfügbar. Warum soll ich mich in den Wagen setzen, um in ein Kaufhaus zu fahren, um dort die Schuhe doch nicht in der passenden Größe zu finden? In den USA und Großbritannien ist dieser Wandel schneller gegangen, die

    Wie könnten neue Modelle für die Innenstädte aussehen?

    Wels: Ich sehe bereits viel Kreativität in den Innenstädten. Es können viele kleine Boutiquen sein, die sich in großen Kaufhäusern einmieten, Mischformen oder Pop-Up-Stores. Plötzlich sind Vermieter bereit, Verträge für ein Jahr abzuschließen. Auch das Erlebnis-Shopping könnte zunehmen, mit Kita, Gaststätten in oberen Stockwerken, Raum für Kunst und Kultur und auch Büros. Hier ist man schnell beim japanischen Modell.

    Kaufen die Menschen in Japan anders ein?

    Wels: Ja. In Deutschland bekommt man in den fünften Stock eines Kaufhauses kaum mehr einen Besucher. In Japan sind in den obersten Stockwerken grundsätzlich Restaurants. Der Besucher muss durch das Shopping-Center hindurch, um essen zu gehen.

    Machen Sie sich um die Innenstädte also gar keine so großen Sorgen?

    Wels: In den Zentren der großen Städte werden wir weniger reine Konsumflächen sehen, mehr Mischformen aus Shopping, Büro, Wohnen, Kultur. Hier sind Lösungen möglich. Größere Sorgen mache ich mir um die mittelgroßen Städte unter 100.000 Einwohnern. Dort sind am Rand große Garten-, Schuh- oder Bekleidungscenter entstanden bequem mit dem Auto erreichbar.. Unter einem Dach gibt es auch einen Buchladen dazu. Der Gang auf die grüne Wiese hat den kleineren und mittelgroßen Städten sehr geschadet. Wie soll dort die in den Innenstädten frei werdende Fläche künftig genutzt werden?

    Die letzten Monate haben viele Arbeitnehmer im Homeoffice verbracht. Kann es sein, dass wir in Zukunft einen großen Teil der Büroflächen gar nicht mehr brauchen?

    Wels: Ich denke, dass Büros weiter gebraucht, aber anders aussehen werden. Nicht alles im Homeoffice ist optimal. In der Pandemie haben sich viele Beschäftigte gleichzeitig um Kinder und Arbeit kümmern müssen, manche Paare haben zuhause keinen Platz für zwei Arbeitsplätze. Für Teamarbeit und Führungsgespräche werden die Beschäftigten weiter zusammenkommen. Das Arbeiten der Zukunft wird eine Kombination aus Home Office und Büro sein, und es wird mehr Flexibilität geben. Bei Patrizia haben wir dafür gerade die Voraussetzungen geschaffen. Kommen die Mitarbeiter zusammen, muss es freie Räume für Teamwork und kreatives Arbeiten geben, anders als in den 80er Jahren, als möglichst viele Mitarbeiter in Großraumbüros auf engstem Raum arbeiteten sollten. Die Firmen sind jetzt gezwungen, diese neuen Flächen zu schaffen. Auch bei Patrizia haben wir unsere Büros komplett neugestaltet, unter anderem in Frankfurt und Luxemburg.

    Hochhäuser wie in Frankfurt werden also nicht überflüssig?

    Wels: Hochhäuser, wie es sie in Deutschland ja fast nur in Frankfurt gibt, in New York oder Tokio aber in großer Zahl, sind ein Sonderfall. In der Pandemie hatten viele Beschäftigte Angst, in solche Büros zu kommen, weil sich dort viele Menschen treffen. Es könnte deshalb in Zukunft mehr Dezentralität geben. Unternehmen könnten Abteilungen in unterschiedlichen Gebäuden unterbringen. Und wer sagt, dass diese alle in nur einer Stadt sein müssen? Für Eigentümer von Hochhäusern könnte das bedeuten, dass sie die Stockwerke künftig nicht mehr nur an ein, sondern an ganz verschiedene Unternehmen vermieten.

    Profitiert hat von Corona ja der Markt für Wohnimmobilien. Die Preise steigen und steigen. Muss die Blase nicht irgendwann zwangsläufig platzen?

    Wels: Wir sehen keine Blase. Der Trend hat schon lange vor der Pandemie begonnen. Noch haben wir die Situation, dass es für eine Vielzahl an Haushalten nicht genügend Wohnungen gibt. Seit der letzten Krise, der Finanzkrise, ist zu wenig gebaut worden. Das gilt nicht nur für Deutschland, sondern für ganz Europa. Die Bevölkerung ist aber gewachsen und sie ist gealtert, sodass der Trend zu Single-Wohnungen im Alter weiter zunimmt. Ist ein Gut knapp, bleibt der Preis hoch.

    Es gibt in Deutschland aber auch Städte und Regionen, aus denen die Menschen abwandern und Immobilien leer zurückbleiben...

    Wels: Manche Regionen wie das Ruhrgebiet oder das Bremer Umland mögen zu Abwanderungsgebieten zählen. In den meisten Städten aber gibt es zu wenig Wohnungen. Das ist ein politisches und ökonomisches Versäumnis. Ein Beispiel: Durch den Brexit könnten 70.000 Banker London verlassen, zusammen mit ihren Familien sind das rund 200.000 Menschen. Frankfurt, Amsterdam oder Paris bieten sich als neues Finanzzentrum an. Wo aber wollen Städte wie Frankfurt 200.000 Menschen zusätzlich unterbringen? Dafür ist die Infrastruktur gar nicht da.

    Müssten Sie bei Patrizia angesichts des Booms nicht stärker in Wohnimmobilien investieren? Zum Beispiel Reihenhaussiedlungen kaufen?

    Wels: Reihenhaussiedlungen sind vielleicht nicht das beste Beispiel. Wir investieren bei Patrizia aber tatsächlich seit jeher stark in Wohnimmobilien. Patrizia treibt große Bauprojekte voran, zum Beispiel in Berlin, wo wir jetzt 1.800 Wohnungen bauen, aber auch in Barcelona. Wir haben mehrere Projekte in der Pipeline. Fantasie bei Investoren entsteht, wenn Immobilien oder Mieten das Potential haben, ihren Wert zu steigern.

    Vor allem Preise für Wohnimmobilien sind stark gestiegen.
    Vor allem Preise für Wohnimmobilien sind stark gestiegen. Foto: Marcel Kusch, dpa

    Rentiert sich angesichts der hohen Preise noch die Anschaffung einer Immobilie, wenn Institutionen wie die Bundesbank bereits vor Übertreibungen warnen?

    Wels: In Deutschland müssen die Menschen neben der staatlichen Rente privat für das Alter vorsorgen. Wohnimmobilien sind dabei eine sichere Wertanlage. Und es gibt kaum Alternativen: Investiert man in eine Bundesanleihe, erhält man aktuell eine Rendite um die null Prozent. Wohnimmobilien ermöglichen dagegen vier bis fünf Prozent. Steigen die Zinsen eines Tages, sinkt der Wert der Bundesanleihe. Immobilien haben dagegen einen realen Wert, sie können verkauft werden oder man kann sie renovieren, um den Wert zu erhöhen.

    Können Sie verstehen, dass Immobilienkonzerne angesichts von Problemen wie Gentrifizierung oder Privatisierungen von Wohnungen nicht immer den besten Ruf haben?

    Wels: Wir kennen die Kritik, auch aus der Politik. Aber wer schafft denn Wohnraum? Hat die

    Wie hat Patrizia die Corona-Krise finanziell überstanden? Der Markt war ja zeitweise wie eingefroren.

    Wels: Patrizia hat die Corona-Pandemie gut überstanden, unsere Finanzkennzahlen können sich sehen lassen. Im Jahr 2020 haben wir mehr als 116 Millionen Euro Gewinn im laufenden Geschäft erwirtschaftet. Das ist nicht trivial, denn die Krise hat einige Immobiliensektoren härter getroffen. Andere haben sich dagegen gut entwickelt. Wohnimmobilien, Logistikimmobilien und der Lebensmitteleinzelhandel – also Supermärkte und Discounter – haben in der Krise Stabilität bewiesen. Genau in diesen Sektoren ist Patrizia gut aufgestellt.

    Patrizia ist heute praktisch bereits in ganz Europa vertreten. Wie sehen Ihre Pläne aus?

    Wels: In Europa sind wir sehr gut aufgestellt und haben eine kritische Masse erreicht. Wir wollen jetzt in Asien, beispielsweise in Japan stärker aktiv werden und investieren. Das Gute ist, der Markt in Japan ist ähnlich wie der deutsche. Wir finden dort Investoren, die ihr Geld mit unserer Hilfe in Immobilien anlegen wollen. Aber wir wollen nicht nur international, sondern auch in attraktiven Nischen stärker wachsen. Gerade der Bereich der Infrastruktur kann für Investoren sehr interessant sein. Zum Beispiel Datencenter, die Gesundheitsinfrastruktur oder erneuerbare Energien.

    Patrizia bringt man bisher nicht mit Photovoltaikanlagen in Verbindung...

    Wels: Europa ist auf den Weg in eine CO2-neutrale Gesellschaft. Daraus ergibt sich eine interessante Anlageklasse für Investoren. Wir verwalten über unser Logistikportfolio zwei Millionen Quadratmeter Dachfläche, die Platz für Solarzellen bieten. Daneben verwalten wir in Norddeutschland unterirdische Kavernen, in denen bisher Öl oder Gas gespeichert worden ist. Diese Kavernen sind ideal, um künftig Wasserstoff zu speichern, der in der Energiewende eine große Rolle spielen soll. Wir wollen im Infrastrukturbereich wachsen, einerseits durch Akquisitionen, andererseits vergrößern wir unser Team. Weitere Wachstumsimpulse kommen durch die Digitalisierung...

    Welche Rolle spielt die Digitalisierung in der Immobilienwirtschaft, wo es doch mit Steinen und Beton recht handfest zugeht?

    Wels: Die Digitalisierung ist sicherlich nicht gerade im Immobiliensektor erfunden worden, die Immobilienverwaltung lebt noch in der Papierwelt. Aber wir investieren seit längerem stark in die Digitalisierung unserer Prozesse, mit dem Ziel Standards für die Branche zu entwickeln. Digitale Messsysteme können heute den Mietern zeigen, wo sie wie viel Energie verbrauchen und wo sie sparen können. Die Technologie ist zudem viel weiter als vor zehn Jahren. Neue Gebäude haben Dreifachverglasung, der Leichtbetonbau verbraucht viel weniger Energie. Es wird nicht genug Bäume geben, um die ganze Welt auf Holzbau umzustellen. Leichtbeton ist eine Alternative, die Energie spart. In Projekten in der Hamburger HafenCity sind wir dabei, diese Form des energiesparenden Bauens umzusetzen.

    Mit Vonovia und der Deutschen Wohnen soll auf dem Immobilienmarkt ein Gigant entstehen. Müssten Sie auch fusionieren, um zu bestehen?

    Sie wissen, wir haben einen Hauptaktionär...

    Gründer Wolfgang Egger...

    Wels: ...und er liebt die Unabhängigkeit. Dazu kommt, das zeigen Untersuchungen seit langem, dass gerade viele Großfusionen erfolglos sind. Daran hat sich nicht viel geändert. Bei Patrizia haben wir mit dem Kauf von Triuva und anderen Unternehmen eine Serie erfolgreicher kleinerer und mittelgroßer Transaktionen hinter uns. Mit diesem Kurs waren wir sehr erfolgreich.

    Wie stark wollen Sie noch wachsen?

    Wels: Wachstum ist ja kein Wert per se. Unsere Kunden allerdings – Pensionskassen, Versicherungen, Sparkassen – werden immer größer und haben mehr Kapital anzulegen. Sie erwarten daher von uns immer mehr, größere und unterschiedliche Investmentmöglichkeiten – darum wachsen wir mit unseren Kunden. Wir stemmen größere Projekte, haben derzeit mehr als 47 Milliarden Euro Assets under Management, also verwaltetes Vermögen. In drei bis vier Jahren ist Patrizia doppelt so groß, damit rechnen wir. Wir sind – salopp formuliert – Getriebene des eigenen Erfolges, was positiv ist.

    Der Immobilienspezialist Patrizia hat Wachstumspläne. Der Hauptsitz ist Augsburg.
    Der Immobilienspezialist Patrizia hat Wachstumspläne. Der Hauptsitz ist Augsburg. Foto: Silvio Wyszengrad

    Sie sind Co-Chef neben Wolfgang Egger, dem Gründer. Wie kommen Sie miteinander aus?

    Wels: Wolfgang und ich sind sehr unterschiedlich und ergänzen uns gut. Er ist ein Vollblutunternehmer mit hervorragenden Kontakten zu Kunden und Investoren. Er steht vorne und hat entschieden, bei Patrizia Strukturen zu schaffen und eine Organisation zu entwickeln, die Wachstum international und dauerhaft ermöglicht. Ich habe lange Jahre bei UBS in der Schweiz gearbeitet und komme aus dem stark institutionalisierten Umfeld großer, globaler Konzerne. Bei Patrizia bin ich praktisch für den Maschinenraum zuständig, und dafür die organisatorischen Voraussetzungen zu schaffen, um unsere ambitionierten Ziele zu erreichen.

    Was machen Sie denn, wenn Sie nicht an Immobilien, Staub und Steine denken?

    Wels: Vor 20 Jahren habe ich angefangen, Street Art zu sammeln. Die Begeisterung ist erwacht, als ich in Gegenden kam, in denen man sich als Fremder normalerweise nicht aufhält, zum Beispiel die Randgebiete von Brooklyn. Das Sammeln ist fast zu einer zweiten Profession geworden. Sonst verbringe ich gerne Zeit in den Schweizer Bergen.

    Hatten Sie schon einmal eine Spraydose in der Hand?

    Wels: Das nicht. Ich habe aber zumindest einen Tag, also eine Art Graffiti-Unterschrift.

    Sprechen Sie nach 43 Jahren in der Schweiz eigentlich Schwizerdütsch?

    Wels: Nein. Wir wohnen ja in Laax, also im rätoromanischen Teil der Schweiz. Spricht ein Deutscher Schwizerdütsch, fällt das sofort auf. Das ist, wie wenn ein Hamburger Bayerisch spricht, es funktioniert nicht.

    Zur Person: Thomas Wels, Jahrgang 1958, ist seit April 2020 Co-CEO von Patrizia. Der Augsburger Immobilienspezialist hat weltweit mehr als 850 Mitarbeiter.

    Hören Sie sich dazu auch unseren Podcast über Wohnungsnot in Augsburg an:

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