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Bauen & Wohnen: Viel weniger Haus fürs Geld wegen steigender Bauzinsen

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Viel weniger Haus fürs Geld wegen steigender Bauzinsen

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    Ein Haus zu bauen, ist seit Jahresanfang schwerer geworden.
    Ein Haus zu bauen, ist seit Jahresanfang schwerer geworden. Foto: Ulrich Wagner

    Von 0,9 auf 3 Prozent in nicht mal sechs Monaten: Wie Raketen sind die Hypothekenzinsen seit Januar dieses Jahres davon gezischt. Seit Jahrzehnten habe es in Deutschland keinen so rasanten Zinsschub mehr gegeben, betont Max Herbst von der unabhängigen Frankfurter Finanzberatung FMH. Und der Höhenflug sei noch nicht zu Ende, bis zum Jahresende könnten 4 oder 5 Prozent möglich sein. Für alle, die mit einem Immobilienkauf liebäugeln, sind das alarmierende Nachrichten. Und offenbar Anlass genug, „dass viel mehr Menschen als sonst eine Immobilie kaufen wollen“, beobachtet Hermann-Josef Tenhagen, Chefredakteur des Online-Ratgebers Finanztip.

    Zwischen Wunsch und Wirklichkeit klafft aber eine Riesenlücke. Die Zeit des billigen Baugelds ist vorbei. Wer jetzt einen Hypothekenkredit braucht, stehe unter Druck, sagt Roland Stecher, Baufinanzierungsexperte der Verbraucherzentrale Bremen. Zeit ist Geld, jeder weitere Zinsschub bedeutet nur: Es wird noch teurer. War beispielsweise ein Darlehen über 400.000 Euro im Januar zum Niedrigzins von knapp einem Prozent (auf zehn Jahre) noch für viele Haushalte gut zu stemmen, kann es jetzt schnell unerschwinglich werden. Weil sich die Zinslast inzwischen verdreifacht hat, betragen nun allein die Mehrkosten für die Finanzierung 633 Euro pro Monat, wie Christian Niemeier vorrechnet, Vermögensverwalter der Hoppe-Vermögensbetreuung in Menden.

    Die Preissteigerungen gehen weiter

    Die Sorge vieler Bürger, sich deutlich weniger Haus oder bald gar kein Objekt mehr leisten zu können, sei berechtigt, gibt Herbst zu bedenken. Nicht nur die Zinsen galoppieren davon. Auch Baukosten und laufende Nebenkosten gehen stärker ins Geld, die Kaufpreise sowieso. „2022 ist wohl mit Preissteigerungen von sechs bis sieben Prozent zu rechnen“, sagt Heiko Senebald, Sprecher des Immobilienverbands IVD. Was also tun? Jetzt zuschlagen, bevor es noch teurer wird - oder den Traum vom Eigenheim vorerst begraben?

    Für Kaufinteressenten sei eine solide Finanzplanung aktuell wichtiger denn je, betont Herbst. Wer reichlich Eigenkapital mitbringt und sich die monatliche Kreditlast problemlos leisten kann, sollte sich das Zinsniveau von heute selbstredend langfristig sichern. Am besten gleich für zehn oder 15 Jahre. „Im historischen Vergleich sind drei Prozent Zinsen immer noch günstig“, so Herbst. Ist die Wunschimmobilie zum marktgerechten Preis schon gefunden, würde Abwarten den Kauf nur verteuern, sagt Ralph Kinnart, Immobilienexperte bei B&K Vermögen in Köln. Hals über Kopf die nächstbeste Immobilie kaufen, ist allerdings keine Option. Furcht vor steigenden Zinsen oder Torschlusspanik seien niemals gute Ratgeber, warnt Stecher vor übereilten Entscheidungen.

    Top-Verdiener werden weiter kaufen, Normalverdiener bleiben auf der Strecke

    Wenig rosig sieht die Lage jetzt für all die aus, deren Haushaltskasse nicht prall gefüllt ist und die nur wenig Erspartes auf der hohen Kante haben. Für diese Käufergruppe sei notgedrungen erst einmal Zurückhaltung oder gar Rückzug aus einem bereits geplanten Projekt angesagt, so Herbst. Seine Prognose: Der Immobilienmarkt wird sich bald deutlich verändern. Top-Verdiener werden weiter kaufen, Normalverdiener bleiben auf der Strecke. Wer trotz hoher Zinsen zugreifen will, muss den Experten zufolge wohl noch mehr Eigenkapital mitbringen.

    In jedem Fall ist realistisches Kalkül gefragt – zumindest immer dann, wenn eine Familie nicht mehr als 30 Prozent ihres Nettoeinkommens für die Baufinanzierung aufwenden will. „Diese Finanzierungsrate ist sinnvoll, auch wenn einige Banken 40 oder 50 Prozent anbieten“, sagt Stecher.

    Beispielrechnung: Statt einer Wohnung im Wert von 448.500 Euro ist nur noch eine für 314.000 Euro drin

    Zinsexperte Herbst hat durchgerechnet, wie schwierig es geworden ist, einen Baukredit über viele Jahre zu stemmen und wie viel Haus überhaupt noch fürs Geld zu kriegen ist. Danach kann eine Familie mit 4.500 Euro netto im Monat ganze 1.350 Euro für Zins und Tilgung ausgeben. Ihr Eigenkapital liegt bei 80.000 Euro. Vor einem Jahr hätte sie für diese Rate noch eine Wohnung im Wert von 448.500 Euro kaufen können (ohne Makler). Der Kredit über 402.000 Euro wäre in 30 Jahren vom Tisch gewesen (Sollzins von 1,3 Prozent für 15 Jahre, Tilgung von 2,75 Prozent). Heute müsste die Familie bei gleicher Monatsrate Zinsen von 3,15 Prozent bezahlen. Damit kann sie sich aber nur noch ein Objekt für 366.500 Euro leisten und ein Darlehen über 314.000 Euro. Die Immobilie ließe sich nur noch mit deutlich enger geschnalltem Gürtel realisieren. Wenn überhaupt.

    Selbst Gutverdiener mit 120.000 Euro Eigenkapital und einem monatlichen Nettoeinkommen von 6.500 Euro kommen schneller an ihre Grenzen, wie Herbst vorrechnet. Ende 2021 hätte das gereicht, um eine Immobilie im Wert von 650.000 Euro kaufen zu können. Bei einer Monatsrate von 1.950 Euro wären 581.000 Euro Kredit problemlos machbar und nach 30 Jahren abbezahlt gewesen. Jetzt sieht die Sache anders aus: Für das Geld wäre nur noch eine Immobilie im Wert von 534.000 Euro drin, damit der Kredit über 454.000 Euro in 30 Jahren getilgt werden kann. „Damit könnte diese Familie noch kaufen, ihr finanzieller Spielraum wird aber deutlich enger“, sagt Herbst.

    Vorsicht bei nötigen Renovierungen und energetischen Sanierungen

    Sind noch Renovierungen oder energetische Sanierungen erforderlich, ist aktuell Vorsicht geboten. Kaufinteressenten sollten auf keinen Fall den Rattenschwanz an Problemen unterschätzen, wenn Handwerker ausgebucht sind, ein Umzug platzt und die Kosten fürs Baumaterial weiter steigen.

    „Wenn man jetzt nicht sofort bauen oder kaufen kann oder will, dann würde ich immer empfehlen, ganz ruhig abzuwarten“, so Tenhagen. Wer jetzt nicht zum Zug kommt, solle darauf bauen, dass steigende Bauzinsen erfahrungsgemäß die Preisentwicklung von Immobilien bremsen. Nachdem in Deutschland zu wenig gebaut wird, ist es aber fraglich, ob diese Strategie ganz sicher aufgeht.

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