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Heiz-Alternative: Ist Wasserstoff die Rettung für die Gasheizung?

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Ist Wasserstoff die Rettung für die Gasheizung?

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    Ließen sich Gasheizungen bald mit Wasserstoff betreiben, hielte dies die Umbaukosten am Haus sicher klein. Aber ist die Option auch realistisch?
    Ließen sich Gasheizungen bald mit Wasserstoff betreiben, hielte dies die Umbaukosten am Haus sicher klein. Aber ist die Option auch realistisch? Foto: Sven Hoppe, dpa (Symbolbild)

    In Deutschland heizen die meisten Haushalte mit Gas. Im Jahr 2021 traf dies auf jedes zweite Wohngebäude zu. Dementsprechend groß ist die Verunsicherung durch die Pläne von Grünen-Wirtschaftsminister Robert Habeck für ein neues Gebäudeenergiegesetz, wonach neue Heizungen ab dem 1. Januar 2024 zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden sollen. Viele Eigenheimbesitzer und Vermieter fragen sich, ob sie ihre Gasheizungen auf absehbare Zeit durch eine strombetriebene Wärmepumpe ersetzen müssen. Gegebenenfalls verbunden mit einer Dämmung des Hauses und hohen Kosten. Alles wäre leichter, wenn die bestehende Anlage mit klimafreundlichen Gasen weiterbetrieben werden könnte. Mit Biogas oder mit grünem Wasserstoff. Verglichen mit der Umstellung auf eine Wärmepumpe hielten sich dann die Investitionskosten im Heizungskeller in Grenzen, dem Klima wäre geholfen. Ob diese Rechnung so aufgeht, ist aber umstritten. 

    Tatsächlich erleben Öl- und Gasheizungen derzeit einen Boom, berichtet Erich Schulz, Landesinnungsmeister des Fachverbandes Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik Bayern. Viele Bürgerinnen und Bürger erneuern dieses Jahr ihre Anlage, bevor das neue Gesetz in Kraft tritt. Für Schulz ist das in Ordnung: "Wir halten es für positiv, wenn eine 30 bis 40 Jahre alte Oldtimer-Heizung herauskommt und durch ein modernes Gerät ersetzt wird", sagt er. Neue Heizungen sind digitalisiert, nutzen Brennwerttechnik und brauchen nur einen Bruchteil an Strom. "Damit kommt man auf gut 30 Prozent Einsparung", sagt er. "Und zwar sofort - und nicht erst nach der Optimierung des CO2-Äquivalents bei der Stromerzeugung." 

    Ab 2024 sollen Heizungen zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Derzeit heizt jeder zweite Haushalt in Deutschland mit Erdgas.
    Ab 2024 sollen Heizungen zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Derzeit heizt jeder zweite Haushalt in Deutschland mit Erdgas. Foto: Jan Woitas, dpa (Symbolbild)

    Gasheizungen dürfen mit grünen Gasen wie Wasserstoff betrieben werden

    Langfristig eröffnet der bisherige Entwurf Habecks Gasheizungen ebenfalls eine Perspektive. Der Entwurf sieht vor, dass Gebäudeeigentümer ab dem 1. Januar 2030 zu 50 Prozent grüne Gase und ab dem 1. Januar 2035 zu 65 Prozent grünen oder blauen Wasserstoff beziehen können, um die Klima-Anforderungen zu erfüllen, nachzulesen in Paragraph 71k. 2045 spätestens muss das Land dann komplett ohne Erdgas auskommen. 

    Aus Sicht des Energieanbieters Energie Schwaben (früher: Erdgas Schwaben) bleibt die Gasheizung damit über den 31. Dezember 2023 hinaus attraktiv: "Im Gebäudebestand wird dies mit den entsprechenden grünen Gasen weiterhin eine wirtschaftlich attraktive Option bleiben", so das Unternehmen. Zusätzlich sei der Einbau einer Hybridheizung vorgesehen – also einer Kombination von Gasheizung und Wärmepumpe. "Auch wird es im Gebäudebestand viele Ausnahmen geben, wenn für die Gebäudeeigentümer keine anderen wirtschaftlich zumutbaren Alternativen existieren", erwartet Energie Schwaben.

    Energie Schwaben will nun schnell Tarife schaffen, um die Vorgaben zu erfüllen. "Noch in diesem Jahr werden wir einen Tarif mit einem 65-prozentigen Biogasanteil einführen", verspricht das Unternehmen. "Damit übererfüllen wir die Forderung nach 50 Prozent Biogas bis 2030."

    Gasheizung auf Wasserstoff umrüsten: Energie Schwaben macht das Netz bereit für Wasserstoff

    Für die Zeit danach arbeitet Energie Schwaben an der Umstellung des Netzes auf Wasserstoff. Im Rahmen der Initiative "H2 vor Ort" haben regionale Netzbetreiber in Deutschland einen Transformationsplan aufgestellt. "Ursprünglich war die Umstellung auf den Transport von 100 Prozent Wasserstoff im Einklang zu den Plänen der Bayerischen Staatsregierung für das Jahr 2040 geplant", so Energie Schwaben. Aufgrund des neuen Entwurfes des Gebäudeenergiegesetzes soll die Umstellung auf Ende 2034 vorgezogen werden. "Dies ist eine große Kraftanstrengung, aber wir werden die frühere Umstellung bewältigen", gibt sich das Unternehmen zuversichtlich. Letzten Endes werde sich der Gasnetztransformationsplan von Energie Schwaben an den Erfordernissen des final verabschiedeten neuen Gebäudeenergiegesetzes (GEG) ausrichten. Noch liegt ja lediglich ein Entwurf vor und es wird zum Beispiel diskutiert, das Gesetz zeitlich zu verschieben. 

    Die Gasheizung künftig mit klimaneutralen Gasen zu betreiben, ist aber auch für Landesinnungsmeister Schulz eine reale Option. "Dies wird so kommen", sagt er. Bereits heute wird Biogas teilweise ins Gasnetz eingespeist. Zudem sei das Erdgas-Netz schon zu großen Teilen geeignet für Wasserstoff. Und schließlich werden bereits heute Gasheizungen mit dem Etikett "H2 ready" angeboten. "Diese Geräte sind bereit für eine Beimischung von 20 Prozent Wasserstoff", erklärt Schulz. Der nächste Schritt sei der Umstieg auf 100 Prozent Wasserstoff. Damit ist ein Umbau der aktuellen Gerätegeneration verbunden. "Die Geräte lassen sich umrüsten, das funktioniert", sagt Schulz. 

    Nicht nur auf Wärmepumpen zu setzen, sondern auch die Optionen Gas- und Biomasseheizungen - gerade im Waldland Bayern - für den Alt- und Neubau offen zu halten, ist aus Sicht des Fachverbandes Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik Bayern wichtig. "Wir brauchen Technologieoffenheit", sagt Schulz. In den Innenstädten beispielsweise sei der Einsatz von Wärmepumpen nicht immer einfach.Bis zum Jahr 2045 sei es durchaus realistisch, große Mengen grünen Wasserstoffs mit Sonnenstrom zum Beispiel in nordafrikanischen Ländern zu produzieren und ihn per Schiff und Pipeline nach Bayern zu exportieren. 

    Starke Zweifel, ob zeitnah genug grüner Wasserstoff vorhanden ist

    Doch andere Fachleute bezweifeln, ob die Rechnung zugunsten der Gasheizung so aufgeht: "Wir werden auf absehbare Zeit bei weitem nicht genug grünen Wasserstoff haben, um damit heizen zu können", warnt Martin Sambale, Geschäftsführer der Energie- und Umweltzentrums Allgäu. Die derzeit verfügbare Menge reiche nicht einmal, um den aktuellen Bedarf der Industrie zu decken. In der Industrie wird derzeit für Produktionsprozesse noch klimaschädlicher "grauer" Wasserstoff eingesetzt, der aus Erdgas erzeugt wird.

    Dass in zehn bis 15 Jahren genug grüner Wasserstoff da ist, um damit heizen zu können, daran haben Fachleute Zweifel.
    Dass in zehn bis 15 Jahren genug grüner Wasserstoff da ist, um damit heizen zu können, daran haben Fachleute Zweifel. Foto: Uwe Zucchi, dpa (Symbolbild)

    Ähnlich sieht man es im Handwerk. "Bestehende Heizsysteme auf CO2-Freiheit umzurüsten, ist gut und richtig", sagt Alfred Kailing, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer für Schwaben. "Wir werden 2035 aber wahrscheinlich nicht ausreichend grünen Wasserstoff haben, um den Heizungsbestand damit entsprechend des bisherigen Erdgasangebotes versorgen zu können", warnt er. Die Heizungsbetreiber würden mit der Industrie um einen raren Energieträger konkurrieren, die ohne diesen nicht auskommen wird. "Die Preise für grünen Wasserstoff werden hoch bleiben. Die Frage ist, ob der Endverbraucher wirtschaftlich mit der Industrie mithalten kann", sagt Kailing. 

    Energieökonomin Claudia Kemfert bezeichnet Wasserstoff stets als "Champagner der Energiewende", der für Bereiche vorgesehen werden sollte, die keinesfalls auf ihn verzichten können. "Champagner der Energiewende im Heizungskeller macht eher keinen Sinn", kommentiert auch die Verbraucherzentrale. 

    Energieexperte: Wärmepumpen sind effizienter als ein Heizungssystem auf Basis von Wasserstoff

    Zudem geht in der Produktion von Wasserstoff mit grünem Strom Energie verloren. Energie-Fachmann Sambale hält den Einsatz für ineffizient. "Mit einer Wärmepumpe nutzt man grünen Strom vier bis fünf Mal effizienter", sagt er. "Durch das Warten auf Wasserstoff verlieren wir im Klimaschutz viel Zeit", warnt er. 

    Das Energie- und Umweltzentrum Allgäu rate deshalb Kundinnen und Kunden davon ab, auf die Schnelle eine Gasheizung zu installieren. "Man begibt sich in sich eine Sackgasse: Erdgas wird durch die LNG-Importe und den CO2-Preis teurer, Wasserstoff steht in zehn Jahren aber noch nicht im ausreichenden Maß zur Verfügung", lautet Sambales Einschätzung. Zu diesem Schluss kommt auch Alfred Kailing von der Handwerkskammer: "Das Thema Wasserstoff ist spannend, aber es erscheint mir fragwürdig, ob man heute mit der Investition in eine Gasheizung in zehn bis 15 Jahren ein funktionierendes System hat." 

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