Dämmen und Bauen mit Stroh: Ein alter Baustoff wird wiederentdeckt
Stroh ist früher in Fachwerkhäusern verwendet worden. Es kann heute bei der Dämmung und in der Wandkonstruktion eingesetzt werden. Wie solche Gebäude aussehen.
Stroh – darunter versteht man trockene Halme von gedroschenem Getreide. Davon gibt es mehr als genug auf den Feldern: Laut Fachverband Strohballenbau Deutschland (Fasba) könnte etwa ein Fünftel des bei der jährlichen Getreideernte anfallenden Strohs dem landwirtschaftlichen Kreislauf entnommen und zum Bauen eingesetzt werden. Das würde für die Dämmung von rund 350.000 Einfamilienhäusern reichen.
Noch wird Stroh in Deutschland nur selten als Baumaterial verwendet – das soll sich ändern, wenn es nach den mehr als 150 Architekten, Handwerkern, Ingenieuren und Forschern geht, die sich aus ganz Deutschland am Wochenende in Lüneburg zum Deutschen Strohbautag trafen.
Vorteile und Nachteile von Stroh beim Hausdämmen
Lüneburg ist eine der deutschen Hochburgen beim Thema Baustroh: 2019 wurde hier das dreigeschossige Gemeinschaftswohnprojekt „Speicherbogen“ fertiggestellt, mit 20 Wohnungen die größte Wohnanlage in strohgedämmter Holzbauweise in Deutschland. Aktuell entsteht ein Hortanbau an der Anne-Frank-Schule, das größte öffentliche Gebäude mit Strohdämmung in Deutschland, bei dem die Holzkonstruktion der 720 Quadratmeter Außenwände mit dicht gepressten Ballen aus Weizen- und Roggenstroh befüllt wird. Durch Verkleidungen werden sie vor Feuchtigkeit geschützt. Das Verputzen mit Lehm und Kalk sorgt für den nötigen Feuerwiderstand und ein gutes Innenklima. Bei fachgerechter Herstellung sind sie vor Schädlings- und Schimmelbefall geschützt und brauchen keine chemische Behandlung.
„Die Ökobilanz von Stroh als Baustoff ist unschlagbar, denn es wird nicht extra hergestellt, sondern ist ein Abfallprodukt in der Landwirtschaft“, sagt der Architekt Dirk Scharmer, nach dessen Plänen sowohl der Lüneburger „Speicherbogen“ als auch 2015 ein fünfstöckiges Gebäude in Verden realisiert wurde, das höchste strohgedämmte Gebäude in Deutschland. Das hat allerdings seinen Preis: Scharmer rechnet mit rund acht Prozent höheren Kosten als bei herkömmlichen Dämmmaterialien, ein Großteil entfällt auf die arbeitsintensiven Putzarbeiten.
Strohdämmung im Eigenheim: Stroh erfüllt Anforderung beim Brandschutz
Würden die Entsorgungskosten und die bei der Produktion entstehenden Umweltkosten für das verbreitete Dämmmaterial Polystyrol in Form einer CO2-Steuer berücksichtigt, wäre Stroh viel günstiger. Aus Scharmers Sicht ist allerdings nicht der höhere Preis ausschlaggebend, dass sich Stroh bislang nicht als Baumaterial durchsetzen konnte: „Bauen ist Gewohnheitssache. Massive Gebäude sind gefragt, denn Menschen suchen Schutz. Die Angst vor Feuchtigkeit und Feuer in Zusammenhang mit Stroh ist weitverbreitet, irrationale Dinge spielen eine große Rolle.“
Brandschutzingenieur Dirk Kruse betonte auf der Tagung, dass Stroh durch seine Verkleidung die Anforderungen beim Brandschutz auch für viergeschossige Gebäude erfüllt, wonach beim Tragwerk ein Feuerwiderstand von einer Stunde erfüllt sein muss – der Nachweis ist die Grundlage für die Realisierung des Gemeinschaftswohnprojekts „Querbeet“ in Lüneburg, bei dem demnächst 40 strohgedämmte Wohnungen bezogen werden können. Laut Michael Oehlerking, Geschäftsführer der AMT Ingenieurgesellschaft, erreicht Stroh die Mindestanforderungen beim Schallschutz – auch erhöhte Anforderungen könnten erreicht, aber noch nicht garantiert werden. „Am wichtigsten ist es, Stroh als Baustoff verstärkt zu erforschen. Es gibt an einigen Unis Projekte, aber das reicht nicht aus“, sagt Florian Hoppe vom Fasba-Vorstand.
Diese Projekte mit Stroh gibt es in Bayern
Er lebt seit Jahren in Weimar in einem Zwei-Familienhaus, das nicht nur mit Stroh gedämmt ist, sondern dessen tragende Wände aus Strohgroßballen bestehen. Geschützt werden sie außen von einem Kalkputz und innen von einem Lehmputz. Solche Gebäude sind bislang in Deutschland die absolute Ausnahme, sie bedürfen der Einzelfallgenehmigung. „In Niedersachsen, Thüringen und Rheinland-Pfalz hat die Bauaufsicht vereinzelt Genehmigungen für solche Projekte erteilt“, sagt Hoppe.
Darauf hofft auch Johannes Riedmüller. Der Zimmerermeister aus Westerheim im Unterallgäu hat sich im Strohballenbau fortgebildet und bislang zwei Projekte mit Stroheinblasdämmung realisiert. Er ist vom Baustoff Stroh überzeugt und hat Großes vor: Riedmüller will in den nächsten Jahren für sich eine neue Betriebsstätte bauen, mit tragenden Wänden aus Stroh.
Mittlerweile haben auch Unternehmen aus Bayern Stroh als Baustoff entdeckt. So bietet die Wolfgang Endress GmbH & Co. KG aus Gräfenberg seine Marke gräfix an, ein mineralischer Grundputz für Wand- und Deckenelemente aus Stroh. Und auch strohgedämmte Häuser finden sich vereinzelt in unserer Region: In Dießen wurde 2016 nach Plänen des Architekturbüros Maria Weig ein Wohnhaus mit Seminarraum errichtet.
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