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Lesetipp: Steigende Zinsen, teures Material: War Bauen früher wirklich einfacher?

Lesetipp

Steigende Zinsen, teures Material: War Bauen früher wirklich einfacher?

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    Gerade auf dem Land entscheiden sich viele für das Leben im Einfamilienhaus.
    Gerade auf dem Land entscheiden sich viele für das Leben im Einfamilienhaus. Foto: Mathias Wild (Symbolbild)

    Junge Menschen machen in sozialen Medien zynische Witze darüber, was sich ihre Eltern zum erreichten 30. Lebensjahr leisten konnten – und wo sie sich selbst sehen. Auf der Seite der Eltern steht etwa ein Haus samt Familie, auf der anderen sie selbst, deren Lohn gerade für die Miete reichen werde. Sind diese Witze übertrieben? Mehr als 600.000 Euro zahlen die Deutschen Ende 2022 im Schnitt für ein Haus. Für den Finanzierungsvermittler Interhyp ein Höchststand. Und vor allem für junge Menschen eine immens hohe Summe. Ein großer Teil der Bevölkerung, besonders in ländlichen Gebieten, lebt heute im Eigenheim, das oft noch vor der Jahrtausendwende gebaut oder gekauft wurde. Und das, obwohl die Zinsen damals, als zahlreiche Neubaugebiete entstanden sind, viel höher waren. Wie konnten sich Familien früher also Häuser leisten, wo es für junge Menschen heute fast utopisch wirkt?

    Was die Preise auch um Augsburg in die Höhe treibt

    Die Grundstückspreise steigen seit Jahren rasant. Zahlte man in Bayern 1996 für den Quadratmeter baureifen Grund noch umgerechnet 107 Euro, waren es laut dem Landesamt für Statistik im Jahr 2020 rund 350 Euro. 

    Baustoffe sind teuer. Die hohen Preise entstanden etwa durch Lieferengpässe während der Corona-Pandemie. Auch durch die hohe Nachfrage der Niedrigzinszeit wurden sie befeuert und bestehen nach wie vor. Diese Kosten wurden bislang aufgrund besagter niedriger Zinsen noch in Kauf genommen. Jetzt geht die Nachfrage allerdings zurück.

    Die Zinsen, die sich die vergangenen Jahre auf einem Rekordtief bewegten, steigen mittlerweile wieder. Laut Preisvergleichswebsites bewegen sich günstige Angebote aktuell zwischen 3,5 und 4 Prozent, also etwa auf dem Niveau des Jahres 2010. Wer für 200.000 Euro über zehn Jahre hinweg Zinsen zahlt, kommt bei 3,6 Prozent auf etwa 68.000 Euro Zinskosten, heißt es beim Baufinanzierungsvermittler Interhyp. Im Juni 1990 wären es mit neun Prozent Zinsen etwa 169.000 Euro gewesen. Zusammenfassend also steigen die Zinsen zwar wieder, doch im Vergleich zu früher sind sie immer noch niedrig.

    Bürokratie Georg Feistle vom Bauunternehmen Reitenberger in der Nähe von Wertingen hat den Wandel in der Branche mitgemacht. Seit rund 40 Jahren ist er als Bauleiter tätig und kennt die unterschiedlichen Hürden, die Bauherren früher wie heute überwinden mussten und müssen. "Es gibt heute viel mehr Vorschriften als früher", sagt er. Das fange schon beim Baugrund an, für den verschiedenste Gutachten angefertigt werden müssen. Das sei laut Feistle vor einigen Jahrzehnten nicht so gewesen. Zudem müsse weit mehr dokumentiert werden. Und das bedeute Aufwand, den auch jemand bezahlen muss. "Materialien, die verwendet werden, müssen auch dokumentiert werden", erklärt Feistle weiter. Die Energieauflagen des Gesetzgebers, die etwa die Dämmung und Heizung der Immobilie betreffen, sorgen für höhere Kosten als zu Feistles Anfangszeiten. Bürokratie und neue gesetzliche Auflagen treiben also die Kosten in die Höhe.

    Mieten wird immer teurer. "Massive Versäumnisse beim Wohnungsbau in deutschen Großstädten haben dazu geführt, dass eine riesige Nachfrage auf viel zu wenig Angebot trifft", schreibt eine Sprecherin des Baufinanzierungsvermittlers Interhyp. Gerade in Großstädten müsse man deshalb nicht mehr von einem Trend, sondern von "einem langfristigen Status quo" sprechen. Und mit steigenden Mietpreisen liebäugeln immer mehr Menschen mit der Idee des Eigenheims. Das erhöht wiederum die Nachfrage. Damit steigen die Kaufpreise von Immobilien.

    Die Gesamtkosten für ein Haus sind also im Vergleich zu früher enorm gestiegen. War es in den Neunzigerjahren noch normal, den Traum vom Eigenheim mit (von D-Mark auf Euro umgerechnet) weniger als 300.000 Euro zu verwirklichen, ist das lange Geschichte. Denn die Bau- und Immobilienpreise in Deutschland sind in den vergangenen 20 Jahren deutlich gestiegen. Interhyp schreibt: "Für das zweite Quartal 2022 zeigen unsere Auswertungen Höchststände bei den Immobilienpreisen.

    Der Durchschnittskaufpreis inklusive Nebenkosten für ein Einfamilienhaus lag bei rund 607.717 Euro. Also eine Verdoppelung. Das Unternehmen merkt allerdings an, die Immobilienpreise würden sich langsam aber sicher mit den steigenden Zinsen wieder stabilisieren – wenn auch auf weiterhin sehr hohem Niveau.

    Fazit

    Die Grundstückspreise sind stark gestiegen, ebenso wie die Kosten für die Baumaterialien. Zinsen für Kredite steigen zwar wieder, trotzdem sind sie viel niedriger als vor 30 Jahren. Es gibt neue Auflagen für den Hausbau, die Geld kosten und früher nicht umgesetzt werden mussten. Da Mietpreise neue Gipfel erklimmen, steigt die Nachfrage nach Immobilien. War es also früher oder heute "leichter", ein Haus zu bauen? "Es ist schwieriger geworden", findet Bauleiter Georg Feistle. Auf jeden Fall, wenn Dauer und Aufwand berücksichtigt werden. Den Auswertungen von Interhyp nach lag die durchschnittliche monatliche Rate für einen Hauskredit im zweiten Quartal 2006 bei 979 Euro. 2022 lag sie im Schnitt bei 1576 Euro, ist also signifikant gestiegen.

    Im historischen Vergleich sei die Erschwinglichkeit von Immobilien derzeit aber nicht so schlecht, wie viele glauben, schreibt Interhyp. Die hinter uns liegende Zeit der Niedrigzinsen sei viel mehr Ausnahme denn Regel. Zudem sei das durchschnittliche Einkommen ähnlich stark gewachsen, wie die monatlichen Raten. In internen Studien zeige sich laut dem Baufinanzierungsvermittler außerdem, dass generell die Bereitschaft, für einen Hauskredit auf bestimmte Dinge zu verzichten, in der Gesellschaft geringer geworden sei. Zusätzlich seien die Ansprüche an die Größe des Wohnraums und die Ausstattung gestiegen. Und mehr Quadratmeter pro Person sowie eine nachhaltige und hochwertige Ausstattung "seien eben auch mit höheren Kosten verbunden".

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