Fast jede zweite Frau, die in Baden-Württemberg neu in den Ruhestand geht, bekommt eine Rente unter dem Grundsicherungsniveau. Das geht aus einem am Donnerstag vorgestellten Rentenreport des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) hervor. Demnach erhielten 49,7 Prozent der Frauen, die im Jahr 2022 in Rente gingen, weniger als 850 Euro Rente pro Monat - und liegen damit laut DGB unter der Schwelle für Grundsicherung. Bei den Männern bekamen nur etwa 25 Prozent der Neurentner weniger als 850 Euro pro Monat.
Der Chef des DGB Baden-Württemberg, Kai Burmeister, nannte die Befunde alarmierend. "Wenn jede zweite Rentnerin im Land eine Rente unterhalb des Grundsicherungsniveaus von 850 Euro im Monat erhält, müssen wir uns fragen: Erfüllt die gesetzliche Rente ihre Funktion als zentrale Säule der Alterssicherung?", sagte Burmeister einer Mitteilung zufolge am Donnerstag in Stuttgart. Bei einem Weiter-So in der Rentenpolitik drohe der breiten Mitte der Gesellschaft Altersarmut, warnte der DGB-Landeschef.
Unterbrechungen in der Erwerbsbiografie wegen Kindern oder Pflege
Als Grund für die häufig niedrigen Rentenzahlungen bei Frauen sehen Sozialverbände vor allem die hohe Teilzeitquote bei Frauen. "Altersarmut ist weiblich. Viele Frauen haben immer noch durch die Betreuung von Kindern oder die Pflege von Angehörigen Unterbrechungen in der Erwerbsbiografie", sagte Uta-Micaela Dürig, Vorständin beim Paritätischen Wohlfahrtsverband Baden-Württemberg. Häufig seien Frauen deswegen in Teilzeit und auch im Niedriglohnbereich tätigt. "Dadurch bewegen sich Rentenansprüche auf die Armutsschwelle zu oder sind sogar darunter", sagte Dürig.
Der DGB-Auswertung zufolge bekommen Neurentner im Südwesten im Schnitt auch weniger Geld als Menschen, die schon länger in Rente sind. Laut DGB beträgt die durchschnittliche Altersrente von Männern in Baden-Württemberg 1427 Euro pro Monat. Neurentner bekamen im Jahr 2022 durchschnittlich 55 Euro weniger. Das deute darauf hin, dass zunehmend Männer mit prekären Erwerbsbiografien ins Rentenalter kämen, heißt es in dem Bericht. Auch werde die Rentenpolitik der Vergangenheit mitsamt eines sinkenden Rentenniveaus immer sichtbarer.
Der DGB fordert unter anderem mehr Tarifbindung und eine Anhebung des Rentenniveaus auf mindestens 50 Prozent. Eine wichtige Rolle spielt laut Burmeister auch die betriebliche Altersvorsorge. "Diese gilt es auszubauen", sagte er.
Expertin rät zu zusätzlicher privater Vorsorge
Die Zahlen des DGB beziehen sich in ihrer Auswertungen lediglich auf die gesetzliche Rente. Andere Einnahmen etwa aus einer privaten Altersvorsorge wurden nicht berücksichtigt. Diese Einkünfte seien aber wichtig, um die Rentenlücke zu schließen, sagte Finanz-Expertin Michaela Harlacher, die Frauen bei der Altersvorsorge im Netz berät.
Weil Frauen häufig in Teilzeit arbeiteten oder wegen der Kinder im Berufsleben aussetzten, falle bei ihnen die Rente oft deutlich geringer aus, sagte die gelernte Bankerin. "Dann gilt es für Frauen hinzuschauen." Ein erster Schritt sei herauszufinden, wie hoch die Rente mit dem heutigen Stand ausfallen würde. "Nur so kommt man ins Tun."
Je früher man mit der Vorsorge anfange, desto besser sei es. Und je höher die Sparraten seien, desto besser. Prinzipiell sei es aber nie zu spät, um anzufangen zu investieren. "Nichts zu tun, ist die schlechteste Alternative."
Berücksichtigt man auch andere Einnahmen sieht die Lage etwas besser aus. Nach Angaben des Statistischen Landesamts hatten im Jahr 2022 knapp 39 Prozent aller Rentnerinnen im Südwestens monatlich weniger als 1000 Euro Nettoeinkommen zur Verfügung. Bei den Männern sind es 12,5 Prozent. Zum Nettoeinkommen zählen laut Landesamt etwa Verdienste aus Erwerbstätigkeit, Rente, Pension, ALGI/II, Grundsicherung, Bürgergeld und Einnahmen aus Vermietung. Im Südwesten gab es den Angaben zufolge 2022 rund drei Millionen Menschen, die aus Altersgründen eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezogen.
(dpa)