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Demonstrationen: Demos wollen klare Kante gegen rechts zeigen

Demonstrationen

Demos wollen klare Kante gegen rechts zeigen

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    Menschen stehen während der Demonstrationen «Potsdam wehrt sich» auf dem Alten Markt.
    Menschen stehen während der Demonstrationen «Potsdam wehrt sich» auf dem Alten Markt. Foto: Sebastian Christoph Gollnow, dpa

    Tausende Menschen werden nach Schätzungen der Veranstalter am Wochenende in baden-württembergischen Städten gegen Rechtsextremismus auf die Straße gehen. Bundesweit werden Zehntausende bei Demonstrationen erwartet, auch Kirchen und Stadtoberhäupter zeigen Kante und rufen in teils scharfen Appellen zum Protest gegen rechts auf.

    Angesichts der anstehenden drei Landtagswahlen in Ostdeutschland, der Wahl in den USA und der Kommunalwahlen könnte der Protest nach Einschätzung des Freiburger Politikexperten Michael Wehner auch nur ein Anfang sein. "Es könnte uns nicht nur ein heißes Wahljahr, sondern auch ein heißes Demonstrationsjahr bevorstehen", sagte der Leiter der Außenstelle Freiburg bei der Landeszentrale für politische Bildung. "Haben Menschen das Gefühl, die Demokratie entwickele sich in die falsche Richtung, erheben sie Protest und ihre Stimme." Ereignisse oder Schlüsselmomente brächten Menschen dazu, auf die Straße zu gehen.

    Ein solcher Moment: der Bericht des Medienhauses Correctiv über ein Treffen mit Rechtsradikalen in Potsdam. Er hatte zu Kundgebungen gegen rechts geführt, oft mit deutlich mehr Teilnehmern als erwartet. Unter anderem in Köln versammelten sich mehrere Zehntausend Menschen. Unterstützt werden die Aufrufe vielerorts von großen gesellschaftlichen Bündnissen, an denen sich neben SPD, Grünen und Linken sowie Kirchen und Gewerkschaften etwa auch Kultureinrichtungen und Fußballvereine beteiligen.

    Können die Proteste etwas verändern?

    Unklar ist, ob sich die Proteste auf die politische Stimmung auswirken. "Dauerhaftes Demonstrationsengagement ist anstrengender, als für kurzzeitige Ein-Punkt-Aktionen zu mobilisieren", sagte Wehner. Das hätten die Proteste gegen die Pegida-Bewegung ebenso gezeigt wie die Kundgebungen der Klimabewegung Fridays for Future. "Es ist auf der einen Seite gut, dass sich eine Zivilgesellschaft bekennt", sagte Wehner. "Aber damit habe ich noch nicht jeden potenziellen AfD-Wähler davon überzeugt, am Wahlsonntag seine Stimme einer anderen Partei zu geben."

    Um aber eine professionelle Bewegung dauerhaft zu etablieren, müsse es Organisatoren geben, Bündnisse müssten formiert und die Infrastruktur sowie Personal bereitgestellt werden, sagte Wehner. "Es braucht die dauerhafte Bereitschaft zum Engagement." Am Donnerstag hatte die SPD ein überparteiliches "Bündnis für Demokratie und Menschenrechte" angekündigt.

    Die AfD-Fraktion kritisierte Wehner hingegen scharf: "Hier soll gegen eine demokratisch legitimierte politische Partei protestiert werden, weil sie tatsächlichen Protest aufnimmt", sagte der innenpolitische AfD-Fraktionssprecher Daniel Lindenschmid. Tatsächlicher und legitimer Protest habe das Ziel, die Politik zu ändern. "Diese läuft in diesem Land seit Jahrzehnten völlig verkehrt", sagte Lindenschmid.

    Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) stärkte den Demonstranten den Rücken: "Demokratie lebt von Vertrauen und vom Engagement der Vielen", sagte er am Freitag. "Deshalb ist es ein ermutigendes Zeichen, dass in diesen Tagen so viele aktiv für unsere Demokratie auf die Straßen gehen. Das ist ein starkes Signal aus der gesellschaftlichen Mitte."

    Viele Proteste auch im Südwesten

    Auch am Wochenende werden zahlreiche Menschen im Südwesten bei Protesten gegen rechts erwartet. Weitere Demonstrationen sind geplant. In Heidelberg ruft ein Bündnis für Samstag zu einer Kundgebung auf, es wird nach Angaben der Stadt von Freitag mit 3000 Menschen gerechnet. In Karlsruhe sind rund 1000 Teilnehmer angemeldet, in Pforzheim und auch in Ulm sollen es nach Angaben der Stadt jeweils "weit mehr als 1000 Teilnehmer" werden.

    Auch in Stuttgart wird nach Angaben eines Stadtsprechers am Samstag und Sonntag gegen rechts demonstriert. Unter dem Motto "Alle zusammen gegen die AfD" ruft das Bündnis "Stuttgart gegen Rechts" am Samstag die Menschen auf die Straße. Angemeldet wurden etwa 1000 Menschen. Am Sonntag wird in der Landeshauptstadt mit 700 Menschen gerechnet, auch Wissenschaftsministerin Petra Olschowski (Grüne) wird dort nach Angaben ihres Hauses sprechen.

    Bereits am Freitag (15.30 Uhr) werden in Hamburg rund 10 000 Teilnehmer gegen Rechtsextremismus und neonazistische Netzwerke erwartet. Als Redner sind Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und die kommissarische Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche, Kirsten Fehrs, angekündigt. Auch in anderen Bundesländern beteiligen sich die Regierungschefs an den Kundgebungen.

    Auch klare Meinung der Bürgermeister

    Mit klaren Appellen riefen am Freitag Dutzende Stadtoberhäupter aus Baden-Württemberg zu Protesten auf. Rechtsextremistische Strömungen versuchten, die demokratische Grundordnung in Deutschland zu untergraben, heißt es unter anderem in einer Erklärung von 30 Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeistern aus der Region. Es seien nun alle gefordert, die Stimme zu erheben für eine demokratische Zukunft des Landes.

    In einem weiteren Appell positionierten sich junge Bürgermeisterinnen und Bürgermeister: "Es ist Zeit, Farbe zu bekennen. Ganz gleich, welche Meinung oder welchen Hintergrund wir haben, es geht um mehr – es geht darum, unsere Demokratie zu verteidigen. Es ist unsere Demokratie, unsere Freiheit und unser Land", heißt es im Appell eines parteiübergreifenden Netzwerks von jungen Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern.

    Das Medienhaus "Correctiv" hatte über ein bis dahin nicht bekanntes Treffen von Rechtsradikalen mit Politikern von AfD und CDU in einer Potsdamer Villa vom 25. November berichtet. Der frühere Kopf der rechtsextremen Identitären Bewegung in Österreich, Martin Sellner, hatte dort nach eigenen Angaben über "Remigration" gesprochen. Wenn Rechtsextremisten den Begriff verwenden, meinen sie in der Regel, dass eine große Zahl von Menschen ausländischer Herkunft das Land verlassen soll - auch unter Zwang.

    (dpa)

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