Deutschlands größter Autokonzern taumelt - und rüttelt sogar an der Beschäftigungsgarantie, die noch bis 2029 Bestand hat. Auch Werksschließungen schließt Volkswagen in der Heimat nicht mehr aus, ergab ein Treffen der Management-Ebene am Montag in Isenbüttel bei Wolfsburg.
Es ist die nächste Aufregung in der seit geraumer Zeit stattfindenden Abwärtsspirale, die aus einem Mix von Problemen bei der Antriebswende, erstarkter Konkurrenz und einem schwächelnden Absatz unterhalb der Erwartungen resultiert. Ein Automobilexperte sieht die jüngsten Entwicklungen bei Volkswagen kritisch, hält sie andererseits aber auch für überfällig. Die Krise sei größtenteils selbstverschuldet.
VW erwägt Entlassungen und Werksschließungen - „Stellenabbau jahrelang verschleppt“
Frank Schwope von der Fachhochschule des Mittelstands in Hannover erläutert gegenüber n-tv.de: „Einen möglicherweise so großen Stellenabbau hat es bei Volkswagen seit Jahrzehnten nicht gegeben. Dabei wird das ganze aber auch ein Stück weit übertrieben“, erläutert Schwope und führt aus: „Immerhin hat der Konzern in den letzten Jahren satte Gewinne eingefahren, und auch dieses Jahr dürften deutliche Milliardengewinne übrig bleiben.“
Die Entwicklung bei VW ist seiner Meinung nach mitnichten überraschend und hätte sich über einen langen Zeitraum angebahnt. Auch Ex-Volkswagen-Chef Herbert Diess verpasste laut Schwope die Gelegenheit, eine Umstrukturierung einzuleiten: „Die Tragweite hat sich in den letzten Monaten respektive Jahren aufgebaut. Ein ernsthafter Stellenabbau wurde jahrelang verschleppt. Im Gegenteil: Der Konzern ist in den letzten Jahren immer größer geworden. Wenn man sich dann auch noch überlegt, dass der ehemalige Vorstandschef Diess sogar noch ein neues Werk in Wolfsburg bauen wollte, dann ist man schon perplex.“
Experte über Sparmaßnahmen bei VW: „Milliardengewinne, Dramatik und Folklore“
Wirtschaftlich geht es dem Konzern und auch der Kernmarke VW Pkw nicht schlecht: Schwope führt aus, dass Volkswagen im Jahr 2023 operativ 22,6 Milliarden Euro verdiente und auch im laufenden Jahr werden seiner Ansicht nach „Milliarden übrig bleiben“. „Allerdings ist es immer angenehmer, in guten Jahren zu sparen als in schlechten. Diese vermeintliche Dramatik gehört zur Verhandlungsfolklore zwischen Vorstand und Betriebsrat dazu“, so der Hannoveraner Lehrbeauftragte im Bereich „Automotive Management“.
Die Ankündigungen des Wolfsburger Betriebsrats, um den Erhalt von Jobs und Fabriken zu kämpfen, bezeichnet der Experte ebenfalls als „Verhandlungsfolklore“ und hält dessen Einfluss für „überbewertet“ aufgrund der Tatsache, dass Volkswagen nach wie vor Schwarze Zahlen schreibt. Letztlich ist bei den VW-Managern eine zu niedrige Rendite der Grund für die Sparmaßnahmen, die seiner Ansicht nach sämtliche Konzerne der Automobilindustrie in den kommenden Jahren begleiten.
Volkswagen und das Rendite-Problem: Einsparziele erfordern Maßnahmen
Laut dem VW-Vorstand müsse die Kernmarke VW umfassend restrukturiert werden und „auch Werkschließungen von fahrzeugproduzierenden und Komponenten-Standorten können in der aktuellen Situation ohne ein schnelles Gegensteuern nicht mehr ausgeschlossen werden“. Darüber hinaus reiche der bisher geplante Stellenabbau alleine durch Maßnahmen wie Altersteilzeit und Abfindungen nicht mehr aus, um die Einsparziele zu erreichen.
Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management (CAM) erklärt gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa): „Die Party der Automobilindustrie, von der wir profitiert haben in den letzten 20, 30 Jahren, die ist vorbei.“ Das betreffe seiner Meinung nach nicht nur VW, sondern die gesamte Branche. Zudem tue sich VW meist schwerer als andere Unternehmen mit Veränderungen. „Diesen Tanker in Bewegung zu setzen, ist enorm schwer“, so Bratzel.
VW schnallt den Kostengürtel enger: Für CDU-Chef ein wirtschaftspolitischer Weckruf
CDU-Chef Friedrich Merz sieht in den verschärften Sparplänen von Volkswagen einen wirtschaftspolitischen Weckruf für die Bundesregierung. „Deutschland ist nicht mehr wettbewerbsfähig genug“, erklärte der 68-Jährige bei einer Parteiveranstaltung in Osnabrück und sprach davon, dass VW mit einer einseitigen Festlegung auf die E-Mobilität einen Fehler gemacht habe.
Volkswagen sei seitens des Vorstandes zum „Sanierungsfall“ erklärt worden, sagte Merz. „Das ist keine konjunkturelle Frage des Weltmarktes“, wird der 61-Jährige von der dpa zitiert.
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