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Warum die Wartezeiten für Arzttermine in Augsburg so lang sind

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Warum Patienten in Augsburg so lange auf Arzttermine warten

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    In Augsburg klagen immer mehr Betroffene über lange Wartezeiten auf einen Termin beim Arzt.
    In Augsburg klagen immer mehr Betroffene über lange Wartezeiten auf einen Termin beim Arzt. Foto: Monika Skolimowska, dpa (Symbolbild)

    Anruf beim Orthopäden wegen Rückenschmerzen. Wann kann sich der Arzt das Problem anschauen? Auskunft in der Praxis: Der nächste freie Untersuchungstermin sei in vier Wochen zu haben. Noch länger warten Kassenpatienten oft bei anderen Fachärzten, etwa Neurologen oder Kinderärzten. Dabei gilt Augsburg als Großstadt mit einer guten ambulanten medizinischen Versorgung. Aber stimmt das wirklich?

    Die Frage nach einem drohenden ärztlichen Versorgungsmangel beschäftigte diese Woche den Ausschuss für Umwelt-, Klimaschutz und Gesundheit des Stadtrats. Denn Beschwerden von Betroffenen über lange Wartezeiten auf einen Arzttermin nehmen offenbar derart zu, dass einige Stadträte Alarm schlagen. Auch bei Gesundheitsreferent Reiner Erben gehen entsprechende Mitteilungen ein. Er sagt, "wir haben bei der KVB auf Klagen von Betroffenen hingewiesen." Dort spreche man von einer "Überversorgung" in Augsburg. 

    Laut Statistik ist Augsburg mit Arztpraxen gut versorgt

    Die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) ist dafür zuständig, eine bedarfsgerechte ambulante medizinische Versorgung sicherzustellen. Und schaut man auf deren statistische Zahlen, sieht es in Augsburg gut aus. In der Stadt gibt es 195 niedergelassene Hausärztinnen und Hausärzte, was einem Versorgungsgrad von über 108 Prozent entspricht. Bei allgemeinen Fachärzten wie etwa Augenärzten, Frauenärzten, Kinderärzten, Nervenärzten oder Urologen liegen die Versorgungsgrade laut Statistik bei zwischen 109 und 164 Prozent. Als ausreichend versorgt gilt Augsburg darüber hinaus mit spezialisierten Fachärzten wie beispielsweise Radiologen. Die Versorgungsquote regelt, ob noch weitere Niederlassungen genehmigt werden. Die KVB sieht derzeit nur sehr wenige zusätzliche Zulassungsmöglichkeiten für weitere Mediziner in Augsburg – etwa bei Hausärzten, ärztlichen Psychotherapeuten oder Kinder- und Jugendpsychiatern.

    Oliver Legler vom Bayerischen Landesamt für Gesundheit sagt, "der erste Eindruck ist, Augsburg ist gut versorgt, teils überversorgt, gefühlt kann es anders aussehen." Diesen Eindruck hat auch Stadträtin Hella Gerber (CSU), die selbst Medizinerin ist. Nach ihren Erfahrungen müssen gesetzlich versicherte Patienten bei Fachärzten teils Monate warten, bis sie einen Termin bekommen. Es gebe auch mehr ältere Menschen, die eine intensive medizinische Beratung bräuchten. Stadtrat und Diplom-Psychologe Bruno Marcon (Augsburg in Bürgerhand) kritisiert, für Kinder sei es geradezu unmöglich zeitnah in eine psychiatrische Versorgung zu kommen. Teils müssten die kleinen Patienten bis zu 1,5 Jahre warten. "Die Statistik ist ein Betrug an der Öffentlichkeit", so Marcon.

    Augsburger Stadtrat: "Statistik ist Betrug an der Öffentlichkeit"

    Legler vom Landesamt hat mehrere Erklärungen, warum die Zahlen anders aussehen als die realen Erfahrungen von Patienten. In Bayern gebe es zwar so viele Ärzte wie nie, die Zahl der geleisteten Arztstunden sei aber nicht entsprechend gestiegen. Auch bei Medizinerinnen und Medizinern gebe es einen Trend zur Teilzeitarbeit, viele junge wollten lieber als angestellte Ärzte arbeiten und nicht als Einzelkämpfer mit eigener Praxis. Dazu kommt, dass bei den niedergelassenen Hausärzten in den kommenden Jahren ein einschneidender Generationenwechsel bevorsteht. Jeder dritte Hausarzt in

    Zwar werden in Bayern mehr Studienplätze in der Humanmedizin geschaffen, unter anderem an der Universität Augsburg. Experten gehen jedoch davon aus, dass in der neuen Generation von Ärzten die Nachfrage abnehmen wird, eine niedergelassene Praxis zu übernehmen. Im Umweltausschuss kam deshalb die Frage auf, ob die Stadt Augsburg mit Blick auf die künftige ärztliche Versorgung selbst aktiv werden sollte. Möglich wäre beispielsweise, dass sie ein eigenes Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) gründet, in dem angestellte Ärzte tätig sind. Solche MVZ werden bislang in der Regel von Ärzten und Krankenhäusern betrieben. In begründeten Ausnahmefällen und mit Zustimmung der KVB können grundsätzlich aber auch Kommunen als Träger einsteigen. Legler sagt, viele Kommunen hätten Interesse an diesem Modell, bislang seien aber nur drei MVZ auf Gemeindeebene realisiert worden. 

    Soll Augsburg ein kommunales medizinisches Versorgungszentrum einrichten?

    Erben sieht als Ziel, in Augsburg eine gute ärztliche Versorgung bereitzustellen. Dies liege aber nicht in städtischer Zuständigkeit. Die KVB empfehle bei Problemen ihre Terminservicestelle. Diese soll dafür sorgen, dass Patienten schneller zu einem Vertragsarzt kommen. Einem städtischen MVZ gibt der Referent wenig Chancen. In Bayern seien solche kommunalen Zentren bislang nur in unterversorgten Regionen eingerichtet worden. Zudem seien Klagen zu befürchten, wenn die Stadt mit einer solchen Einrichtung Medizinern Konkurrenz mache. 

    Legler vom Landesamt sagt: "Ein kommunales MVZ kann sinnvoll sein, wenn kein Mediziner in die Bresche springt." Es gebe aber ein beachtliches unternehmerisches Risiko, die Organisation sei hochkomplex. Insgesamt sei es ein spannendes Thema, bei dem bayernweit ein Lernprozess laufe.

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