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Unesco Welterbe: Wie Augsburg mit Wasser weltberühmt werden will

Unesco Welterbe

Wie Augsburg mit Wasser weltberühmt werden will

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    Der Augsburger Hochablass ist eines der 22 Denkmäler, die zur Welterbe-Bewerbung der Stadt gehören.
    Der Augsburger Hochablass ist eines der 22 Denkmäler, die zur Welterbe-Bewerbung der Stadt gehören. Foto: Peter Fastl

    Dieses Mal sind es Amerikaner. Gegen Mittag hat ihr Schiff in Regensburg angelegt, und was sie seitdem gesehen haben, ist „amazing“, „wonderful“, „unbelievable“ – oder auf Deutsch gesagt einfach unbeschreiblich schön. Staunend drückt sich die riesige Reisegruppe durch die engen Altstadtgassen. Das Programm ist straff, ein paar Stunden bleiben nur für die rund 1000 Denkmäler, die

    Knapp 150 Kilometer südwestlich, an einem anderen Tag derselben Woche, steht eine kleine Besuchergruppe im Augsburger Wasserwerk am Roten Tor und schaut verwundert auf den zwei Meter breiten Bach unter ihr. Das Wasser ist grünlich, alle paar Minuten treiben kleine Äste vorbei, Laub und hie und da ein labbriger Pappbecher. Man kann die Kühle des Wassers spüren. Was man nicht spürt, ist, dass ausgerechnet dieses Bächlein und das damit verbundene, komplexe Wasserversorgungssystem noch diese Woche auch

    Seit über acht Jahren arbeitet die 300.000-Einwohner-Stadt auf eine Eintragung in die Unesco-Liste hin, und wäre man zynisch, man könnte es eine Trotzreaktion nennen: 2003 scheiterte Augsburg mit der Bewerbung zur Kulturhauptstadt. Man hätte sich damals schmollend zurückziehen können, doch der langjährige städtische Tourismusdirektor Götz Beck und der Augsburger Autor Martin Kluger ersannen lieber einen neuen Plan, um die kleine Großstadt aus dem Schatten Münchens zu holen: Die historische Wasserversorgung, die den Bürgern dank technischer Finessen und kluger Köpfe seit über 800 Jahren die Versorgung mit sauberem Trinkwasser sichert, sollte die Stadt auf die Welterbe-Liste hieven. Nun, viele Jahre später, sieht es so aus, als ginge der Plan auf (hier lesen Sie eine Einschätzung der deutschen Unesco-Chefin).

    Unesco Welterbe: Augsburg in einer Liga mit den Pyramiden von Gizeh?

    Das Gremium, das über Augsburgs Aufnahme und die der 35 weiteren Bewerber entscheidet, kommt diesen Montag ab acht Uhr deutscher Zeit in Aserbaidschan zusammen. Das Unesco-Komitee ist Hüter der Welterbe-Liste, ihm gehören Vertreter aus 21 Staaten an, darunter Australien, Burkina Faso, Norwegen, China, Kuba und die Föderation St. Kitts und Nevis, ein Inselstaat auf den Kleinen Antillen. Wie klein ein Staat auch sein mag, jede Stimme wiegt gleich viel. „Bei der Abstimmung wird aber Konsens angestrebt“, sagt Maria Böhmer, Präsidentin der Deutschen Unesco-Kommission. Die Frage, ob Augsburg künftig in einer Liga mit den Pyramiden von Gizeh, dem Okawango-Delta in Botswana oder der Chinesischen Mauer spielt, dürfte irgendwann zwischen Freitag und Sonntag fallen.

    Während also das Welterbe-Komitee an diesem Montag die Regularien des ersten Sitzungstages abhandelt, sitzt Ulrich Müllegger in Augsburg auf gepackten Koffern. Ein paar Erledigungen noch im Büro, dann fliegt der Leiter des städtischen Welterbebüros nach Baku. Als offizielles Mitglied einer Delegation des Auswärtigen Amtes werden er, seine Stellvertreterin und Augsburgs Kulturreferent die Beratungen vor Ort verfolgen. Es ist eine von vielen Dienstreisen in den vergangenen zwei Jahren, mit Sicherheit aber die spannendste. Dennoch trägt Müllegger Pokerface. Ja, Experten hätten der Stadt beste Chancen auf den Titel zugesichert, darunter der Internationale Denkmalrat Icomos, der das Welterbe-Komitee berät. Aber nein, zu den Aussichten Augsburgs will sich Müllegger nicht äußern: „Es ist eine politische Entscheidung, die nun in der Hand von 21 Staaten liegt.“

    Vielleicht spielt aber gerade die Politik eine positive Rolle bei der Entscheidung. Augsburg steht mit seiner Bewerbung für ein vorbildliches Wasser-Management-System, das über 800 Jahre lang lückenlos nachweisbar ist. Lechkanäle, Kraftwerke, Wassertürme und Monumentalbrunnen sorgten dafür, dass in der Stadt ausreichend Treibwasser für die Mühlen der Handwerker sowie sauberes Trinkwasser für die Bürger vorhanden war. Der Reichtum Augsburgs zu Zeiten eines Jakob Fugger, der Aufschwung zur Textilstadt, das alles wäre ohne dieses System nicht denkbar gewesen.

    Doch Wasser ist vor allem auch ein Zukunftsthema. In einer Welt, in der über zwei Milliarden Menschen keinen Zugang zu sauberem Wasser haben, in der der Kampf um diese wertvolle Ressource schon heute Konflikte hervorruft, könnten von einer neuen Welterbestätte Augsburg wertvolle Impulse ausgehen. Schon jetzt denkt man deshalb daran, in Augsburg bald Tagungen zum Thema abzuhalten – mit Beteiligten aus aller Herren Länder.

    Dass der Welterbe-Status in erster Linie Auswirkungen auf die Entwicklung der Welterbe-Orte selbst hat, ist wissenschaftlich durch Studien erwiesen. Augsburgs Tourismusdirektor Götz Beck denkt da zunächst an sein Metier: „In Zeiten, in denen Firmen wie Ledvance und Fujitsu wegbrechen, kann der Tourismus dauerhaft Arbeitsplätze sichern“, ist er überzeugt. Beck spricht gar von der „Leit-Ökonomie der Zukunft“ – samt ihrer Impulse für Hotellerie, Gastronomie und Handel. Vergangenes Jahr ließen Augsburg-Touristen gut 700 Millionen Euro in der Stadt. Durch die Ernennung zum Welterbe könnte diese Summe steigen; vor allem, weil dann wohl mehr internationales Publikum käme.

    Welterbe: Augsburg erst durch Zusammenspiel wettbewerbsfähig

    Regensburg hat diesbezüglich eigene Erfahrungen gemacht. „Die Übernachtungszahlen haben sich seit der Ernennung zum Welterbe von 680.000 auf gut eine Million entwickelt“, sagt der städtische Kulturreferent Klemens Unger. Doch während Politik und Touristiker mehr internationales Publikum erwarteten, stieg das Interesse vor allem in Deutschland. „Da hat man

    Die Steinerne Brücke über der Donau in Regensburg.
    Die Steinerne Brücke über der Donau in Regensburg. Foto: Armin Weigel, dpa (Archiv)

    Ein paar hundert Meter von Ungers Büro entfernt sortiert Armin Gebhard neue Ware in seinem Geschäft für Herrenmode. Auf die Auswirkungen des Welterbe-Titels angesprochen, wird der Ladeninhaber ruhig. Es scheint, als wolle er alle Aspekte abwägen, bevor er eine Antwort gibt. Dann erwähnt er zuerst doch die positive Seite: Die Ernennung zum Welterbe habe einen „extremen Boom“ bewirkt, die Gewerbesteuereinnahmen stiegen, 2016 lagen sie auf einem Rekordwert von 235 Millionen Euro – 47 Millionen mehr, als der städtische Wirtschaftsreferent kalkuliert hatte.

    Das Welterbe, eine Geldmaschine? Gebhard will das so nicht bestätigen. Er selbst hat 2010 unweit seines Ladens zwar einen zweiten für Trachten eröffnet. „Den gäbe es ohne den Welterbe-Titel sicherlich nicht.“ Doch trotz des Hypes, den die Aufnahme in die Unesco-Liste ausgelöst haben mag, „es kommt auch wieder die Zeit danach“. Seit drei Jahren, sagt Gebhard, gehe es in Regensburg wirtschaftlich wieder leicht bergab.

    Der Herkulesbrunnen ist einer von drei Augsburger Monumentalbrunnen
    Der Herkulesbrunnen ist einer von drei Augsburger Monumentalbrunnen Foto: Wyszengrad (Archiv)

    Doris Stallhofer führt seit acht Jahren Touristen durch Regensburg. Sie beobachtet, dass viele Besucher tatsächlich vor allem wegen des Welterbe-Status kommen. „Sie verbinden damit etwas Besonderes, das sie anderswo nicht zu sehen bekommen.“ Doch was die Regensburger Altstadt so besonders macht, macht sie auch besonders anfällig: Die Unesco-Kernzone ist bewohnt, immer wieder gibt es Konflikte zwischen Anwohnern und Gästen. „Wenn viel los ist, zum Beispiel an Brückentagen, muss man als Gästeführer aufpassen, dass man nicht durch neuralgisch enge Gassen geht“, sagt Stallhofer. Die Bewohner reagieren ungeduldig, wenn überall Touristen herumstehen. Vor einiger Zeit hat die Stadt deshalb ein neues Tourismuskonzept erstellt, das viele Touranbieter freiwillig unterzeichnet haben. Keine Besuchergruppe darf demnach größer sein als 25 Personen.

    Für Augsburg macht sich Tourismusdirektor Götz Beck da keine Sorgen. Die 22 Denkmäler, mit denen die Stadt sich um den Welterbe-Titel bemüht, liegen rund 30 Kilometer auseinander, eine klassische „Kernzone“ um die Unesco-Stätten, die besonders geschützt werden muss, gibt es nicht. „Augsburg ist weitläufiger als Regensburg. Wir müssen uns vielmehr Gedanken machen, wie wir Touristen durch ein gutes Wege- und Shuttlesystem an alle Orte bringen können.“

    Den Reiz eines möglichen Welterbes Augsburg dürfte vor allem aber seine Vielseitigkeit ausmachen. Neben den Monumentalbrunnen in der Maximilianstraße, die sich in ihrer Schönheit selbst Fremden auf den ersten Blick erschließen, zählen zur Augsburger Bewerbung auch technische Denkmäler wie der Hochablass und diverse Kraftwerke sowie das Naherholungsgebiet Stadtwald mit seinen kilometerlangen Kanälen. Keiner dieser Orte wäre allein welterbefähig. Die Besonderheit entsteht erst durch das Zusammenspiel.

    Auch dies spricht für eine Eintragung Augsburgs in die Unesco-Liste, denn seit einigen Jahren fährt die Organisation einen neuen Kurs. Städte wie Regensburg hätten heute kaum noch eine Chance auf den Titel. Es gibt bereits zu viele Gebäude und Ensembles unter den Welterbe-Stätten. Doch die Augsburger Verantwortlichen wollen nicht länger spekulieren. Jetzt heißt es, das Ende der Woche abzuwarten. Bis dahin ist alles im Fluss…

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