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Tradition: Wie in der Augsburger Altstadt eine echte Krachlederne entsteht

Tradition

Wie in der Augsburger Altstadt eine echte Krachlederne entsteht

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    Die langjährigen Mitarbeiterinnen Heidi Münch (l.) und Brigitte Schoofs lassen sich in der Werkstatt der Gerberei Aigner bei der Arbeit über die Schulter schauen.
    Die langjährigen Mitarbeiterinnen Heidi Münch (l.) und Brigitte Schoofs lassen sich in der Werkstatt der Gerberei Aigner bei der Arbeit über die Schulter schauen. Foto: Silvio Wyszengrad

    Neulich ist ein Kunde extra mit dem Flix Bus aus dem westfälischen Münster nach Augsburg angereist, um bei Leder Aigner Maß nehmen zu lassen. Er wollte eine Trachtenlederhose. Die Gerberei in der Altstadt, die es bereits seit 1855 gibt, ist zwar etwas versteckt, bei Kennern aber bekannt. Hier werden immer noch Lederwaren von Hand gefertigt. Bei den Lederhosen ist derzeit ein bestimmtes Detail sehr gefragt.

    Wer glaubt, vor Beginn des Plärrers sei in dem Traditionsgeschäft in den vergangenen Wochen die Nachfrage nach Trachtenlederhosen stark gestiegen, der irrt. „Die Augsburger laufen auf dem Plärrer eher mit Hosen aus Bangladesch herum“, meint Mitarbeiterin Heidi Münch unumwunden. Es seien mehr die Menschen aus dem Umland, die sich bei ihnen etwas maßschneidern lassen. Oder eben aus anderen deutschen Städten und Regionen.

    Genäht wird aus Hirschleder

    Das Traditionsgeschäft am Vorderen Lech hat sich schon lange wegen seines speziell bearbeiteten Hirschleders einen Namen gemacht. Aus dieser Tierhaut werden hier die Hosen genäht. Das Hirschleder wird in dem alten Gebäude immer noch selbst gegerbt, gefärbt und zu Kleidung und Taschen weiterverarbeitet. Münch arbeitet schon seit über 20 Jahren in dem Geschäft, ihre Kollegin Brigitte Schoofs sogar seit über 30. Beide beobachten, wie sich der Geschmack der Kunden bei Trachtenlederhosen immer wieder mal verändert. Und das hat nicht immer unbedingt etwas mit dem Schnitt der Hose zu tun. Der Geschmack beginnt schon beim Material.

    Welche Eigenschaften das Material hat

    Stickereien sind sehr beliebt.
    Stickereien sind sehr beliebt. Foto: Silvio Wyszengrad

    Bis vor Kurzem noch sei das Leder von Hirschen aus Neuseeland besonders beliebt gewesen, erzählt Münch. Es gelte als makellos, weil es in dem Land keine Dasselfliegen gebe wie in Europa. „Die legen nämlich ihre Eier in der Haut der Tiere ab. Das sorgt für Vernarbungen“, sagt Münch und zeigt an einer Lederhose auf winzige Einkerbungen. „Inzwischen geht der Kunde wieder mehr zur Natur zurück.“ Da darf dann auch ein Kratzer im Leder sein, den sich der Hirsch zu Lebzeiten im Wald zugezogen hat. Oder eben kleine Narben durch die Fliegenlarven. Der glatte

    Bei dem speziellen Sämisch-Verfahren wird die Tierhaut mehrere Male in Fett getränkt und zum Oxidieren in den Dachboden des Altstadthauses gehängt. „Chemie kommt an das Leder nicht ran.“ Dann müsse das Material noch geschliffen und gewalkt und gefärbt werden. „Früher gab es nur drei Färbungen“, erzählt Schoofs. „Grau Grün und Schwarz.“ Längst ist hier die Vielfalt größer. Wie auch bei den Stickereien.

    Blaue Stickereien sind im Trend

    Heidi Münch zeigt eine helle kurze Lederhose mit auffälligen, knallblauen Blumen darauf. Blaue Stickereien seien derzeit sehr gefragt. Überhaupt wollen viele Kunden bei den Verzierungen kräftigere Farben. Gestickt wird per Hand mit Nadel und Seide. An die tausend Mal wird durch das feste Leder gestochen, bis eine Stickerei fertig ist. Manchmal müsse man sogar mit einer Zange die Nadel wieder aus dem Leder ziehen. „Man piekst sich schon öfters in die Finger.“ In einer Trachtenhose stecken 20 bis 30 Stunden Handarbeit. Eine kurze Hose kostet laut Münch im Grundpreis 550 Euro. Die zusätzlichen Stickereien beginnen bei 250 Euro. Nach oben sind dann keine Grenzen gesetzt. Zum Glück gebe es noch Kunden, die eine handgefertigte Lederhose schätzen, sagt Münch. „Neulich hat ein Junge von seinen Eltern zum Abitur eine geschenkt bekommen.“

    Es kämen auch junge Männer, um sich die alte Krachlederne des Großvaters umändern zu lassen. „So etwas finde ich schön.“ Münch erzählt von einem Paar, das in seine Lederhosen gegenseitig die Kosenamen „Eichhörnchen“ und „Krebs“ gestickt haben wollte. Oder von einem Augsburger, der jetzt in Dubai lebt und zu dem dortigen Oktoberfest eine echte, handgenähte Lederhose haben wollte. Über solche Aufträge freut man sich bei dem Hirschlederer. Die Lederhosen wird es auch noch geben, wenn das Geschäft in der Altstadt nicht mehr besteht. „Wir sind die letzte Generation“, sagt Münch. „Wir machen noch so lange, wie es geht. Dann ist Schluss. Dann war’s das.“

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