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Süchtigen-Standort in Augsburg: So reagieren Anwohner

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"Ist eh' schon schäbig hier": So reagieren Anwohner auf neuen Süchtigen-Standort

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    Der Süchtigentreff soll voraussichtlich nächstes Jahr vom Oberhauser Bahnhof in das alte Pfarrhaus von St. Johannes nahe der Wertachbrücke ziehen.
    Der Süchtigentreff soll voraussichtlich nächstes Jahr vom Oberhauser Bahnhof in das alte Pfarrhaus von St. Johannes nahe der Wertachbrücke ziehen. Foto: Michael Hochgemuth

    Vlad ist seit 30 Jahren heroin- und kokainabhängig. Der Familienvater besucht regelmäßig den Be-Treff am Oberhauser Bahnhof, weil sich in der Nähe sein Substitutionsarzt befindet. Dass die Anlaufstelle für Drogensüchtige wohl kommendes Jahr in das alte Pfarrhaus der Kirche St. Johannes bei der Wertachbrücke ziehen soll, findet der 48-Jährige als Betroffener "richtig gut". Vlad (Name geändert) erklärt auch warum. Doch nicht alle sind mit dem neuen Standort an der Donauwörther Straße glücklich. Anwohner äußern Sorgen, auch beim ansässigen Modehaus Jung hat man Bedenken.

    Es ist die große Neuigkeit für den Stadtteil Oberhausen. Nach monatelanger Suche nach einer neuen Örtlichkeit für den Drogenkontaktladen Be-Treff, scheint sie, wie berichtet, mit dem alten Pfarrhaus der Kirche St. Johannes gefunden. Die Stadt will dort suchtkranken Menschen ein größeres und verbessertes Angebot bieten und zugleich die bisherige Lage am Helmut-Haller-Platz verbessern. Die Situation hatte sich am Oberhauser Bahnhof zugespitzt – wie, das zeigt allein der Besuch am Freitagvormittag. 

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    Die wenigsten Menschen aus der Drogenszene halten sich an dem für sie gedachten Unterstand hinter dem Bahnhof auf. Stattdessen stehen sie an der Straßenbahnhaltestelle zusammen. Das Bild ist bedrückend. Es wird gelallt, krakeelt, getorkelt, Schnapsflaschen stehen auf dem Boden. Eine junge Frau kann sich kaum auf den Beinen halten, sie steht völlig schief, ihre Augen schauen nicht mehr geradeaus. "Mit den Kräutermischungen, Badesalzen und den anderen neuen Drogen gehen die Leute viel schneller kaputt", beobachtet Vlad. Allein deshalb hält er es für gut, dass mit dem neuen Standort des Be-Treffs auch das Konzept der Hilfe ausgeweitet werden soll. Am meisten aber freut er sich, dass sie dann mehr Platz zur Verfügung haben.

    "Das ist dringend notwendig. Der jetzige Be-Treff ist zu eng geworden. Das bringt viel Ärger untereinander." Wie berichtet, soll am neuen Standort neben der Betreuung Platz für Duschmöglichkeiten, eine Notschlafstelle, für Mittagstisch und Aufenthaltsmöglichkeiten im Freien in einem von einer Mauer umgebenen Garten sein. Bei den Anwohnern jenseits dieser Mauer ist die Begeisterung aber alles andere als groß, als sie von den neuen Plänen erfahren. "Hier in dem Viertel liegt sowieso schon so viel Abfall herum. Das wird dann bestimmt noch schlimmer", befürchtet der 72-jährige Manfred Kentner, der seit seiner Kindheit hinter der Kirche St. Johannes lebt. Auch ein junger Mann, der seinen Namen nicht nennen will, findet den neuen Standort nicht so optimal. Der Garten des Mietshauses, in dem er mit Eltern und Geschwister lebt, grenzt direkt an.

    Die Anwohner, deren Gärten an den künftigen Süchtigentreff angrenzen, sind nicht sonderlich begeistert über die Pläne.
    Die Anwohner, deren Gärten an den künftigen Süchtigentreff angrenzen, sind nicht sonderlich begeistert über die Pläne. Foto: Michael Hochgemuth

    "Meine kleine Schwester spielt oft im Garten und geht allein zur Schule", sagt er und hat dabei offenbar kein gutes Gefühl. Auch die Nachbarn hätten Kinder, sagt er. Einem weiteren Anwohner, Mitarbeiter bei Lieferando, ist das egal. "Diese Menschen brauchen auch ihren Platz", findet der 28-Jährige. Das sieht auch Sebastian Bühl so. Der 40-Jährige arbeitet ehrenamtlich im Rot-Kreuz-Laden an der Donauwörther Straße schräg gegenüber der Kirche. "Ich finde das gut, wobei ich glaube, dass die meisten am Oberhauser Bahnhof allein aus Gewohnheit bleiben werden." Bühl, der vor dem Laden eine Zigarette raucht, sieht sich um und sagt achselzuckend: "Es ist doch eh' schon schäbig hier." Damit spricht er einen wunden Punkt von Alexander Ferstl vom Modehaus Jung an.

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    Das Tradition-Bekleidungsgeschäft befindet sich auf der anderen Seite der Wertachbrücke. Man sei ohnehin in der Gegend einer der nur noch wenigen Vertreter von hochwertigem Angebot und Qualität, so der Geschäftsführer. "Ich sorge mich, welche Auswirkungen ein Süchtigentreff auf den Bereich der Haltestelle Wertachbrücke haben wird." Es gebe jetzt schon häufig Matratzenlager an der Brücke. Auch komme es immer wieder mal vor, dass der Parkplatz des Modehauses aufgesucht werde und Spritzen herumlägen. Das Familienunternehmen habe deshalb einen Sicherheits- und Schließdienst beauftragt. Er habe Bedenken, so Ferstl, dass das Problem mit der Suchtszene nicht strategisch angegangen, sondern nur verlagert werde. Ferstl räumt aber auch ein, dass er sich mit dem neuen Konzept noch nicht auseinandergesetzt habe. Wie er erzählt, habe Ordnungsreferent Frank Pintsch (CSU) ihn bereits schriftlich informiert, man wolle sich demnächst zu einem Gespräch treffen. Ein paar Meter weiter ist ein Ladeninhaber von dem neuen Standort und dem erweiterten Konzept angetan.

    Diyar Kheder ist Besitzer des Wertach-Kiosks.
    Diyar Kheder ist Besitzer des Wertach-Kiosks. Foto: Michael Hochgemuth

    Diyar Kheder betreibt zwischen Wertachbrücke und St. Johannes einen Kiosk. Wenn er morgens um 7.30 Uhr seinen Laden aufsperrt, trifft er meist schon auf berauschte Menschen. Manchen hilft der 31-Jährige. Und sei es, indem er ihnen etwas zu essen gibt. "Die neuen Drogen machen Zombies aus ihnen", beobachtet er. "In letzter Zeit ist es richtig schlimm geworden und es werden auch immer mehr. Ich finde es gut, wenn man sich verstärkt um sie kümmert." 

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