Ein Augsburger hat vor rund 20 Jahren eine alte Jugendstilvilla in der Stadt gekauft. In die Renovierung steckte er Geld und Zeit. So erzählt es der Hausbesitzer selbst. Seit 18 Jahren vermiete er sechs Wohnungen darin, in einer weiteren wohne er selbst. Er habe sich immer gut mit seinen Mietern verstanden, beteuert er vor dem Amtsgericht. Bis im Jahr 2018 eine Frau in die Erdgeschosswohnung neben ihm einzog. Jetzt sitzt der 61-Jährige, zum ersten Mal, wie er beteuert, auf der Anklagebank. Es geht um Beleidigung, Nachstellung und Hausfriedensbruch. Der Prozess offenbart die Eskalation eines Mietverhältnisses.
Es sind einige Fälle, die die Staatsanwältin in der Anklage auflistet. Sie sollen sich im Zeitraum von Herbst 2023 bis März dieses Jahres in dem Haus zugetragen haben. Der 61-jährige Vermieter soll laut Anklage bei mindestens sieben Gelegenheiten die Mieterin als Schlampe beleidigt haben. Auch habe er ihre Wohnung gegen ihren Willen betreten. Aufgrund der Belästigungen traute sich die Geschädigte der Anklage zufolge nicht mehr, in ihrer Wohnung frei herumzulaufen. Sie soll aus Angst die Tür der Wohnung von innen wie auch die Tür des Badezimmers abgeschlossen und unter Schlafstörungen gelitten haben. Gegen den Strafbefehl, der eine Geldstrafe in Höhe von 60 Tagessätzen zu je 100 Euro vorsah, legte der Hauseigentümer Einspruch ein. Deshalb der Prozess. Der gepflegte Mann im dunkelblauen Hemd erscheint ohne Anwalt und sagt: „Die Realität sieht anders aus.“ Er schildert Richter Nicolas Pfeil seine Perspektive.
Augsburger Vermieter vor Gericht: „Situation spitzte sich über die Jahre zu“
„Ich habe sehr nette Mieter in meinem Haus, das sind Justizbeamte, Ärzte und eine Museumsleiterin. Wir pflegen ein gutes Verhältnis“, berichtet der Dozent. „Das Jugendstilhaus ist begehrt, ich habe eine Riesen-Auswahl an Bewerbern und nehme mir die Zeit, auszusuchen.“ So auch bei der Wohnung im Erdgeschoss neben ihm. Dass dort nur eine Einzelperson einzieht, war ihm wichtig. Weil das alte Haus hellhörig sei, erklärt er dem Richter. Seine Entscheidung fiel auf eine Lehrerin. „Ich dachte, sie ist die richtige Nachbarin.“ Doch damit lag er aus seiner Sicht wohl falsch.
Ihm zufolge hätten bei der Frau immer wieder ihm fremde Personen über etliche Monate hinweg gelebt – ein Paar aus Spanien, dann Männer. Geärgert habe er sich, dass sie sich nicht an den Mietvertrag hielt. „Sie hat gelogen und von gelegentlichen Männerbesuchen gesprochen.“ Irgendwann habe er sie darauf hingewiesen, dass dies Vertragsbruch sei. „Sie sagte, ich würde es nicht mögen, wenn sie Männerbesuch habe. Das fand ich beleidigend, aber ich steckte es weg.“
Dann sei wieder ein Mann eingezogen, dieser habe ihn sogar als Lügner beschimpft. „Die Situation spitzte sich über die Jahre zu, ich konnte nicht mehr schlafen, meine Tätigkeit als Dozent nicht mehr konzentriert ausführen.“ Der Angeklagte schildert seine Situation so ausführlich, dass ihn der Richter daran erinnern muss, zu den Vorwürfen Stellung zu beziehen.
Richter am Amtsgericht Augsburg: „Schauen Sie, dass Sie die Sache klären“
Das Schimpfwort „Schlampe“ habe er nie persönlich zu der Mieterin gesagt, behauptet er. „Wenn, dann habe ich in meiner Wohnung geschimpft und den Frust herausgelassen, es ist alles sehr hellhörig. Aber nicht ihr gegenüber und nicht in der Häufigkeit.“ Wenn sie das mitgekriegt habe, tue es ihm leid. Zu dem Vorwurf Hausfriedensbruch berichtet er von jenem Abend, als er auf seiner Terrasse entspannen wollte und die Terrassentür der Nachbarin nebenan offen stand. „Ich habe beide herumgrölen gehört, dazu hysterisches Gelächter.“
Er sei zur geöffneten Tür gegangen, „um Ruhestörung anzumahnen“. „Sie kam mit entgegengerannt und sagte, ich solle abhauen, sie zahle Miete und könne machen, was sie wolle.“ Ob er einen Fuß bei ihr hineingesetzt habe, wisse er nicht mehr genau. Die ihm vorgeworfenen Nachstellungen erklärte er als Klopfen an ihrer Wohnungstür, um Ruhestörungen anzumahnen.
Richter Pfeil macht dem Angeklagten deutlich, dass er aus der Nummer nicht herauskommt, seine angeführten Punkte aber berücksichtigt würden. „Meine Absicht ist es nicht, das Verfahren in die Länge zu ziehen“, so der 61-Jährige, der den Einspruch gegen den Strafbefehl schließlich auf die Rechtsfolgen beschränkt. Zeugen müssen deshalb nicht mehr gehört werden. Der Richter verurteilt den Vermieter, der nur noch in Teilzeit arbeitet, rechtskräftig zu 40 Tagessätzen zu je 50 Euro. Er schlägt dem Vermieter vor, sich einen Anwalt zu nehmen und ein Zivilverfahren gegen die Mieterin anzustreben. „Schauen Sie, dass Sie die Sache klären. Ansonsten werden Sie nicht mehr glücklich.“ Denn die Mieterin, die wohnt weiterhin im Jugendstilhaus.
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