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Sportabzeichen: Der Stadt Augsburg wird das Sportabzeichen verloren gehen

Sportabzeichen

Der Stadt Augsburg wird das Sportabzeichen verloren gehen

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    Wolfgang Appel vor dem coronabedingt noch geschlossenen Rosenaustadion. Über 40 Jahre hat er dort als Prüfer das Sportabzeichen abgenommen, seit elf Jahren ist er als Referent verantwortlich.
    Wolfgang Appel vor dem coronabedingt noch geschlossenen Rosenaustadion. Über 40 Jahre hat er dort als Prüfer das Sportabzeichen abgenommen, seit elf Jahren ist er als Referent verantwortlich. Foto: Michael Hochgemuth

    Gesundheit und Bewegung im Breitensport – das war das Anliegen, dem sich Wolfgang Appel seit über 40 Jahren als Prüfer des Deutschen Sportabzeichens verschrieben hat. Die vergangenen elf Jahre arbeitete er zudem mit vollem Herzen als Sportabzeichen-Referent der Stadt. Hunderten Menschen hat dabei geholfen, die erforderlichen Zeiten und Distanzen zu schwimmen, zu laufen und zu werfen, damit sie am Ende ihre Urkunden und Ehrennadeln in Gold, Silber oder Bronze entgegennehmen konnten. Doch nun ist damit Schluss. Der 70-Jährige zieht sich von seinem Ehrenamt zurück – und hinterlässt eine bis jetzt nicht zu schließende Lücke.

    Denn bisher habe sich trotz fast dreijähriger Suche kein Nachfolger gefunden, berichtet Appel enttäuscht. Als vor elf Jahren sein in Augsburg weithin bekannter Vorgänger Ted Seebald einen Schlaganfall erlitten hatte, wagte sich Appel ohne langes Nachdenken in dessen große Fußstapfen. Schließlich stand die Abzeichen-Abnahme unmittelbar bevor. „Als langjähriger Prüfer kannte ich natürlich die Abläufe, aber ich hatte keinerlei Informationen. So bin ich quasi in den Lech gesprungen und habe mich nach oben gerudert“, erzählt er schmunzelnd und ergänzt, „es gab ja nur die verschiedensten, handgeschriebenen Zettel. Keine Unterlagen oder Computerausdrucke wie heute üblich.“

    Zwischen 500 und 600 Sportabzeichen-Abnahmen im Jahr

    Trotzdem erlebte das Sportabzeichen Ende der 2000er Jahre seine besten Zeiten. „Wir hatten zwischen 500 und 600 Abnahmen im Jahr. Doch das hat sich leider immer mehr reduziert“, erzählt der Augsburger. Auf die Frage nach dem Warum kommt Appel ins Grübeln. „Vielleicht hat es bei den Leuten einfach einen zu negativen Touch durch die Bundesjugendspiele in der Schule. Es ist so eine Art Auslaufmodell geworden. Die Leute fragen sich, warum sie das machen sollen.“

    Dabei biete das Deutsche Sportabzeichen einen ausgezeichneten Fitness-Nachweis. Es wird abgelegt in Einheiten, die Schnelligkeit, Kraft, Ausdauer und Kondition abprüfen. So muss beispielsweise ein Mann zwischen 40 und 44 Jahren für die Goldnadel den 3000-Meter-Lauf in 15:50 Sekunden bewältigen, den 10 Kilometer-Lauf in 60:10 Minuten oder die 25 Meter Schwimmen in 19 Sekunden. Eine Frau im selben Alter auf Goldkurs hat die gleichen Strecken in 18:30 Sekunden, 71:40 Minuten und 23,5 Sekunden zu absolvieren. In entsprechenden Tabellen kann jeder die Anforderungen aus den verschiedenen Bereichen für seine Altersklasse einsehen.

    Appels besonderes Bestreben war dabei immer, die breite Masse fürs Schwimmen zu begeistern. „Es ist doch so wichtig, das die Menschen das richtige Schwimmen lernen. Dann geht man halt mal am Samstagvormittag ins Bärenkellerbad und trainiert.“ Früher habe es regelrechte Sportabzeichen-Fans gegeben, die unbedingt das Goldene Abzeichen wollten und deshalb auch akribisch dafür trainierten, erzählt der Referent. Aus seiner Erfahrung heraus würden nämlich die wenigsten die Anforderungen für ihre Altersklasse ohne gezielte Vorbereitung schaffen.

    Ex-Bürgermeister Kurt Gribl überraschte beim Sportabzeichen

    Nur eine Ausnahme gebe es, an die sich Wolfgang Appel noch bestens erinnert: den ehemaligen Augsburger Oberbürgermeister Kurt Gribl. Der habe ihn beeindruckt, gesteht er. „Gribl ist gekommen und hat das Sportabzeichen mit Bravour abgelegt. Da kann man nur Respekt haben. Da ist auch absolut gar nichts getürkt worden. Ich hatte extra zwei Prüfer als Zeugen dabei“, erzählt Appel mit Nachdruck.

    Denn die meisten Lokalpolitiker würden zwar gern für das Sportabzeichen werben, eine Teilnahme an diesem für alle kostenlosen Angebot aber wagten die wenigsten. Mit Volker Ullrich, dem marathon-begeisterten ehemaligen Augsburger Stadtrat und heutigen Bundestagsabgeordneten, gehöre aber ein weiterer zu den von ihm abgeprüften „fitten“ Politikern.

    Appel kann von vielen Erlebnissen in seiner Amtszeit erzählen. Gut in Erinnerung geblieben ist ihm etwa der Anruf eines Mannes, der trotz seiner Gehbehinderung das Sportabzeichen Schwimmen absolvieren wollte. „Er hat mich und einen weiteren Prüfer zu sich eingeladen. In seinem Haus hatte er ein 16-Meter-Schwimmbecken und hat dort bravourös das Behindertenabzeichen abgelegt“, erzählt Appel von einer der sportlichen Leistungen, die ihn tief beeindruckt hat.

    90-jährige Langstreckenschwimmerin aus Italien überrascht

    Oder die 90-jährige Dame mit italienischem Akzent, die sich frohen Mutes an die 1000 Meter Schwimmen heranwagte, während Appel so seine Bedenken hatte. Doch wie an der Schnur habe die Dame die Bahnen nahezu in der exakten Zeit gezogen – um am Ende dem verdutzten Sportabzeichen-Referenten mitzuteilen, dass sie einstmals italienische Meisterin im Langstreckenschwimmen war. Andererseits musste Appel auch schon vereinzelt Sportler aus dem Wasser ziehen, die sich selbst überschätzten. Oder auch jenen Schüler, der ins Becken sprang, obwohl er nicht schwimmen konnte. „Man entwickelt im Laufe der Zeit eine Intuition, wenn etwas nicht stimmt“, hat Appel festgestellt.

    Verlass sei dabei auch immer auf sein „sensationelles Prüferteam“ gewesen, das ihm die Arbeit erleichtert habe. Ebenso wie das Geschäftszimmer des Bayerischen Landessportverbandes (BLSV), die Sportkameraden vom TV Augsburg oder die Mitarbeiter im Rosenaustadion. Dennoch will der 70-Jährige diese durchaus aufwendige, rein ehrenamtliche Arbeit nun beenden. Wenn sich nicht doch noch ein Überraschungs-Nachfolger findet, gehört die Tradition der Sportabzeichen-Abnahme in Augsburg der Vergangenheit an. Für Appel eine Tragödie: „Jetzt wurden die Leichtathletikanlagen im Augsburger Rosenaustadion so schön hergerichtet und dann werden sie vom Breitensport nicht mehr genutzt“, bedauert er diese traurige Entwicklung.

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