Ein wenig hadert der Augsburger Leichtathlet Andreas Walser noch mit dem vergangenen halben Jahr, das geprägt war von Verletzungen und Trainingsausfällen. Was wäre nur gewesen, wenn er bei seinem überraschenden Einsatz bei den Paralympics in Paris im Vollbesitz seiner Kräfte gewesen wäre? Schließlich ist der sehbehinderte Sportler der Leichtathletikgemeinschaft (LG) Augsburg in seiner Karriere bereits über 6,96 Meter gesprungen. Ein Wert, der ihm in Paris die Bronzemedaille gesichert hätte. So wurde es Rang sechs.
Kurzfristig war Walser, der seit zehn Jahren an der Augenkrankheit Retinitis pigmentosa leidet, die seine Sehkraft immer weiter schwächt, für Paris nachnominiert worden – obwohl er die Weitsprung-Norm wegen seines Verletzungspechs nicht geschafft hatte. Doch ein paar Wochen vor den Spielen kam der Anruf der Bundestrainerin. Er durfte als Nachrücker mitkommen und konnte sich seinen großen Traum so doch noch erfüllen.
Bei seinem Wettkampf im Stade de France, dem imposanten Leichtathletik-Stadion in der französischen Hauptstadt, belegte der 28-Jährige mit seiner Saisonbestleistung von 6,73 Metern den sechsten und damit letzten Platz in der Kategorie T12. Gold gewann mit 7,27 Metern Said Najafzade aus Aserbaidschan, Silber Donlyor Saliev aus Usbekistan (7,16 Meter) und Bronze Fernando Vazquez aus Argentinien (6,88 Meter). „In so einem Stadion springen zu dürfen, ist einfach einmalig“, sagte Andreas Walser nach seiner Paralympics-Premiere.
Bei den Paralympics in Paris springt Andreas Walser Saisonbestleistung
Mit der Weite an sich, die für ihn Saisonbestleistung bedeutete, konnte er sich mit Blick auf das bisher so holprige sportliche Jahr und die kurzfristige Nominierung arrangieren. „Es waren einfach keine optimalen Voraussetzungen. Dafür, dass ich nicht hundert Prozent fit war, war der Wettkampf echt gut. Aber ich wäre ein schlechter Sportler, wenn ich mit dem sechsten Platz zufrieden wäre. Es waren nur 15 Zentimeter Rückstand auf die Medaillenplätze. Deswegen bin ich schon ein bisschen enttäuscht.“ Walser ist überzeugt, wäre er hundertprozentig fit gewesen wäre, hätte er um eine Medaille mitspringen können. „Das ist mein sportlicher Ehrgeiz.“
Die Erinnerung an diesen ganz besonderen Tag wird ihm trotzdem für immer bleiben. Nach dem Aufstehen um 4.30 Uhr ging es in den frühen Morgenstunden schon ins Stadion - das um 9 Uhr, eine Stunde vor Wettkampfbeginn, noch ziemlich leer dastand. „Das war im ersten Moment ein bisschen enttäuschend, denn gerade am Wochenende zuvor war das Stadion rappelvoll gewesen. Aber als der Wettkampf begann, waren es dann doch schon so um die 20.000 bis 25.000 Zuschauer. Und dann war es auch unfassbar laut“, sagt Walser beeindruckt von der Größe der Sportstätte. „Das ganze Drumherum, der Warm-Up-Platz in den Katakomben. Alles ist fünf- bis sechsmal größer, als wir das sonst gewohnt sind. Es war eine einmalige Erfahrung. Bei uns im Para-Sport ist das mit nichts zu vergleichen“, schwärmt er.
Für den Augsburger Andreas Walser standen in Paris auch Medientermine an
Mit einer Woche Trainingslager in Nizza hatte sich das deutsche Leichtathletik-Team auf die Paralympics vorbereitet. Auch in Paris waren die Tage eng getaktet. Mit Trainingseinheiten und für Walser ungewohnten Interviewanfragen und Medientermine. Erst nach Abschluss seines Wettkampfes hat er die Muse, sich mit den angenehmen Dingen rund um die Paralympics zu beschäftigen. „Nun kann ich die Atmosphäre besser genießen. Jetzt ist Entspannung angesagt“, sagt Walser, der noch bis Sonntag in Paris bleiben wird. Ein paar Wettkämpfe will er sich noch ansehen und die Stadt erkunden. Am Dienstag kamen seine Eltern zu Besuch ins Olympische Dorf.
In vier Jahren will Andreas Walser bei den Paralympics in Los Angeles antreten
Alles Erlebnisse, die ihn motivieren, auch bei den nächsten Paralympics 2028 in Los Angeles wieder dabei zu sein. „Ich habe Blut geleckt“, gesteht Walser. Nach einer kurzen Wettkampf- und Trainingspause will er sich deshalb zeitnah Gedanken machen, wie er seine sportliche Karriere weiter vorantreiben will. „Der Plan ist natürlich, sich für die Paralympics in Los Angeles optimal vorzubereiten“, sagt er mit dem festen Vorsatz, ein zweites Mal dabei zu sein. Deshalb müsse er bald schon daran arbeiten, die nächsten vier Jahre optimal zu gestalten. Denn Walser bleibt weiter ehrgeizig. „Die ersten Erfahrungen habe ich jetzt gemacht, und beim nächsten Mal heißt es dann: Medaillen gewinnen!“
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