"Damit habe ich nicht gerechnet", gibt sich Nicole Weber durchaus überrascht über ihre drei Top-Resultate bei der Masters-WM in Katar. Mit dem Ergebnis ist sie dementsprechend auch "sehr zufrieden". Über 200 und 400 Meter Lagen sowie 200 Meter Brust schlug die Athletin des SV Augsburg in ihrer Altersklasse als Erste an. Die Masters-WM gilt als die Königsklasse der Amateure im Schwimmsport. Anders als bei den Profis treten die Sportlerinnen und Sportler in bestimmten Altersklassen (AK) gegeneinander an. Eine Alterskategorie umfasst immer fünf Jahrgänge, in Webers Fall, der AK 25, sind das alle Athletinnen zwischen 25 und 29 Jahren. Diese Alterseinteilung in Fünf-Jahres-Schritten zieht sich durch bis hinauf in die AK 100.
Ungewohnte Wettkampfbedingungen in Doha
Vom 22. Februar bis 4. März war Weber zusammen mit weiteren Schwimmkollegen des SVA in Katar und schwamm dort in genau dem gleichen Becken, wie die Profisportler bei der Schwimm-WM eine Woche zuvor. So saß Weber vor ihren Wettkämpfen in einem "Call-Room" – wie die Profis eben auch. Für die 28-Jährige aber doch eine eher ungewohnte Erfahrung: "Wir sitzen in dem Raum eine halbe Stunde vor Wettkampfbeginn. Niemand sagt etwas, man starrt sich so ein bisschen an. Das hat mich aus der Routine rausgebracht." Ihrer sportlichen Leistung tat dies im Nachhinein betrachtet aber keinen Abbruch. So schwamm sie die 200 Meter Lagen beinahe in ihrer persönlichen Bestleistung. "Als ich im Wasser auf die Anzeige schaute, war ich etwas überrascht", sagt Weber. Ihre neue Zeit war mit 2:25,29 Minuten nur eine Hundertstelsekunde langsamer als ihre eigene Bestmarke (2:25,30 min).
Da Weber als Amateurin hauptberuflich einer anderen Beschäftigung nachgeht, musste sie für die Masters-WM eineinhalb Wochen Urlaub nehmen. Zwischen den Wettkämpfen blieb dann auch mal Zeit, sich am Strand des Wüstenstaats zu erholen. "Es war sehr schön dort, bei 25 bis 27 Grad", gibt Weber zu, auch wenn sie ihren Aufenthalt in Katar eher als "Wettkampf-Urlaub" bezeichnen würde.
Einen großen Anteil am Erfolg hat Trainer Christian Reißner. "Die Trainer haben einen riesen Einfluss", erklärt Weber. "Wir schwimmen das, was der Trainer an die Tafel schreibt. Du vertraust dem Trainer zu 100 Prozent. Anders kommst du nicht weiter." Auf den Wettkampf in Doha bereiteten sich Weber und ihre Mannschaftskollegen ein halbes Jahr lang vor.
Weber hat bei der Masters-EM schon Gold gewonnen
Die Erfolge in Katar waren nicht die ersten ihrer Karriere. In den drei gleichen Disziplinen hatte sie im Zuge der Masters-Europameisterschaften in Rom vor zwei Jahren ebenfalls die Goldmedaillen abgeräumt. Doch anders als bei der EM zeigte sich die Konkurrenz in Doha stärker. "Das war ein anderes Niveau", sagt Weber. In Rom konnte sie nach dem Anschlag über 200 Meter Lagen entspannt mehrere Sekunden auf ihre Konkurrentinnen warten. In Katar duellierte sie sich in dieser Disziplin mit der Ungarin Gloria Okos. Von ihr trennten sie im Ziel lediglich 0,81 Sekunden. "Der Wettkampfgeist steckt tief in mir drin. Wenn ich auf Augenhöhe mit den Konkurrenten bin, und merke, dass ich vorne liege, kommt mein Kämpferherz raus", erläutert die Schwimmerin ihr Erfolgsrezept.
Zehren konnte Weber bei den Wettkämpfen in Doha auch von ihrer Collegezeit in den USA. Dort trainierte sie zwölfmal die Woche. "Die Ausdauer hilft mir heute immer noch", sagt die Schwimmerin. Dank eines Stipendiums hatte sie einst den Studienplatz an der Saint Leo University in Florida bekommen. Mit gerade mal 18 Jahren war sie nach dem Abitur über den Atlantik gezogen. "Das muss man schon wollen", gibt Weber zu. Für sie sei es aber "genau das Richtige" gewesen.
Im Zuge der Wettkämpfe der nordamerikanischen Colleges zog sie auch dreimal in die Finalläufe der „Nationals“ ein, den nationalen Collegemeisterschaften der USA. Diese Ergebnisse in einer starken Konkurrenz markieren für Weber ihren persönlichen Karrierehöhepunkt. "Das Schwimmen wird in Amerika viel mehr unterstützt, nicht so wie in Deutschland", erklärt sie. "Das ist dort richtiges Business." Dementsprechend treten die besten Nachwuchsschwimmerinnen und -schwimmer, die aus aller Welt quasi "eingekauft" werden, gegeneinander an.
Nach den drei Goldmedaillen bei der Masters-WM in Katar hält Weber jedenfalls fest: "Viel besser machen kann ich das eigentlich nicht." Trotz der guten Ergebnisse kommt für die 28-Jährige keine Profikarriere mehr infrage, dafür sei sie zu alt. Was allerdings bleibt: "Ein Leben ohne Schwimmen kann ich mir auch nicht vorstellen."