Die Erwartungen waren groß, die Enttäuschung ist daher umso größer. Dass die deutsche Handball-Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft in Ägypten nach dem letzten Hauptrundenspiel die Koffer packen muss, war schon vor der Partie gegen Polen klar. Trotzdem wollte man sich mit einem Sieg verabschieden. Doch es kam anders. Nach einem ernüchternden 23:23 (11:12) gegen Polen kehrt die DHB-Auswahl als WM-Zwölfter mit der schlechtesten Platzierung in der Verbandsgeschichte von den Titelkämpfen zurück. Den bisherigen Tiefpunkt einer DHB-Auswahl gab es vor zehn Jahren mit Rang elf in Schweden. Der ehemalige Bundesligaspieler (VfL Günzburg) und Zweitliga-Schiedsrichter Harald Schweizer (60) aus Augsburg analysiert das Turnier:
„23 Gegentore sind in Ordnung, 23 geschossene Treffer zu wenig“, sagt Schweizer, für den sich die Probleme aus den anderen Spielen gegen den deutschen Nachbarn nahtlos fortsetzten. „Wir haben einfach zu viele gute Chancen vergeben“, hat er am Bildschirm erkannt. Das Team habe sich einfach auch aus dem Rückraum zu viele schlechte Würfe geleistet, „bei Drux und Kühn habe ich manchmal die volle Konzentration vermisst“. Torwart Andreas Wolff bewahrte die deutsche Mannschaft mit einer Parade in letzter Sekunde vor der dritten Turnierpleite.
Handball-WM: Fehlen von Leistungsträgern ist nicht zu kompensieren
Gegen die Magyaren hatte Schweizer auf einen Sieg gehofft, „doch letztlich waren die Ungarn zu stark“, räumt er ein. Gleiches galt für die Partie gegen Spanien, „die waren einfach besser“. Wobei man gegen die Südeuropäer durchaus gute Phasen hatte, „doch letztlich waren die Mittel unseres Teams doch beschränkt“. Das Fehlen von Leistungsträgern wie Hendrik Pekeler, Finn Lemke, Patrick Wiencek oder Steffen Weinhold sei einfach nicht zu kompensieren gewesen. Schweizer: „Junge Spieler wie Sebastian Firnhaber sind gegen starke Gegner teilweise noch überfordert.“
Der Kapitän und Linksaußen, viele Jahre absolute Weltklasse, fand in Ägypten nur selten zu seiner Bestform. In einem TV-Interview monierte er, dass er von seinen Kollegen zu wenig ins Spiel einbezogen werde. Schweizer dazu: „Gegen Polen war dies nicht der Fall, in den Spielen zuvor waren unsere Angriffe wirklich etwas zu rechtslastig.“
Torhüter Wolff läuft seiner Form hinterher
Die Männer zwischen den Pfosten waren über viele Jahre eine Trumpfkarte der DHB-Auswahl. Damit konnten die Schützlinge von Trainer Alfred Gislason punkten. Die Nummer eins, der in Polen (Kielce) spielende Andreas Wolff, lief der Form hinterher. In Polen ruht gerade wegen der Corona-Pandemie der Spielbetrieb, Wolff fehlte die Spielpraxis. Diese hatte der Stuttgarter Oldie Johannes Bitter. „Er hat gut gehalten“, lobt Schweizer den 38-jährigen Keeper. Der Dritte im Bunde der Schlussmänner, Silvio Heinevetter (Berlin), bekam nur kurze Spielzeiten.
Jetzt geht es mit Bundesliga und dem Europapokal weiter
Am Dienstag landete die deutsche Auswahl schon wieder in der Heimat. Dort geht es mit der Bundesliga und den Europapokal-Wettbewerben nahtlos weiter. Für das Nationalteam steht im März in Berlin die Qualifikation für die Olympischen Spiele in Tokio auf dem Programm. Gegner sind Schweden, Slowenien und Algerien. Zwei Teams erkämpfen sich das Ticket für Japan. „Schwere, aber lösbare Aufgaben“, glaubt Harald Schweizer, der anfügt: „Gegen Algerien sollte man gewinnen, gegen Schweden und Slowenien kann die Mannschaft aber auch verlieren.“
Dass Deutschland in Tokio, wie von DHB-Vizepräsident Bob Hanning gefordert, ein Favorit auf die Goldmedaille sein wird, ist für Schweizer „sehr hoch gegriffen, das ist nicht planbar“.
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