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Augsburg: Afghanischer Flüchtling bestreitet dritten Profiboxkampf

Augsburg

Afghanischer Flüchtling bestreitet dritten Profiboxkampf

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    Jamshid Nooristani lebt seit 2015 in Deutschland.
    Jamshid Nooristani lebt seit 2015 in Deutschland. Foto: Rosario Iovane, Just Train

    „Päm, Päm, Päpäpäm!“ Und wieder „Päm, Päm, Päpäpäm!“ Ein Hieb folgt dem anderem. Mit höchster Präzision fliegen die Fäuste. Mit gnadenloser Härte prallen die Boxhandschuhe gegen die Handpratzen. Und mit eisernem Blick fixiert Jamshid Nooristani seinen Gegner. Der 22-jährige Boxer bewegt sich schnell. Er tänzelt leichtfüßig über die Matte, gleichzeitig lässt er seine Fäuste immer im selben Takt mit einer immensen Wucht nach vorne schnellen.

    Sein Trainer steht ihm gegenüber, gibt ihm Anweisungen. „Zuerst tief, dann hoch“, sagt er. Jamshid Nooristani gehorcht, setzt die Abfolge sofort um und lässt seine Fäuste wieder singen. „Päm, Päm, Päpäpäm!“, hallt es wieder durch den Raum.

    Nach dem Training herrscht Stille im Ultimate Gym in Augsburg. Der wilde, stürmische Kämpfer ist fort. Nun steht ein schüchterner junger Mann im Raum. Jamshid Nooristani kommt aus . 2015 ist er mit der Flüchtlingswelle nach Deutschland gekommen. „Ich hatte Probleme in meiner Heimat. Deshalb konnte ich dort nicht mehr leben“, erzählt Nooristani.

    Flucht über Türkei nach Deutschland

    Zuerst flüchtete er in die Türkei. „Ich habe gedacht, ich lebe dort, bis der Stress in meinem Land vorbei ist. In der Türkei war es aber nicht so schön.“ Weil er kein Visum hatte, durfte er dort nicht bleiben und entschloss sich, den Weg nach Deutschland auf sich zu nehmen. „Meine große Schwester war schon in Deutschland, deshalb wollte ich auch dorthin.“

    Mit dem Geld, das seine Mutter gesammelt und er bei der Arbeit in Afghanistan verdient hatte, finanzierte er seine Reise. Zu Fuß, mit dem Auto und dem Zug kam Nooristani im August 2015 in Passau an. Zu dem Zeitpunkt war er 16 Jahre jung. Seine Familie und seine Ehefrau musste er in Afghanistan zurücklassen. „Vor acht Monaten habe ich sie zuletzt gesehen“, sagt er. Das war im Iran. In seine Heimat darf der 22-Jährige nicht mehr zurück. „Dort ist es nicht sicher, es ist gefährlich.“ Der Boxer spricht nun leiser, es fällt ihm schwer, darüber zu reden. „Wenn ich zurückgehe, komme ich ins Gefängnis“, sagt Jamshid Nooristani. „Oder ich werde getötet.“

    Im Ring gibt Jamshid immer alles. Aufgeben kommt für ihn nicht infrage.
    Im Ring gibt Jamshid immer alles. Aufgeben kommt für ihn nicht infrage. Foto: Rosario Iovane, Just Train

    Nooristani ist Muslim, in Afghanistan wird er allerdings nicht mehr als ein solcher angesehen: „Wenn man von einem europäischen Land zurück nach Afghanistan kommt, sagen sie, du bist kein richtiger Muslim mehr und nicht wertvoll für das Land.“ Ein Ausgestoßener, ein Heimatvertriebener, ein Fremder. Nooristani wird wohl nie mehr zurückkehren können. „Afghanistan ist für mich vorbei.“

    Seine neue Heimat hat er in Augsburg gefunden. Seine Schwester lebt dort, einer seiner Brüder in Bamberg, „und ich habe hier Freunde gefunden.“ Das Gym, sein Trainer Sigmund Thebert und die Boxgemeinschaft geben Nooristani Halt. Beim Boxen bekommt er einen freien Kopf. „Ich kann dort alles rauslassen. Ohne Gefühle kann man nicht boxen.“

    Das erste Mal im Ring war er vor neun Jahren, damals noch in Afghanistan. „Mein großer Bruder hat geboxt. Er hat gesagt, es ist ein gefährlicher Sport, aber ich wollte es versuchen.“ Seitdem ist er dabei geblieben. In Afghanistan war er im Olympia-Kader, in Deutschland muss er sich immer wieder aufs Neue beweisen. Sein Trainer spricht in höchsten Tönen von Jamshid Nooristani: „Er ist fleißig, diszipliniert, ein richtiger Kämpfer.“ Nicht nur im Ring, auch im echten Leben.

    Nooristanis Mutter starb vor Kurzem an einer Corona-Infektion

    Seine Familie in Afghanistan hat er schon länger nicht mehr gesehen. Vor einigen Monaten erreichte ihn die Nachricht, dass seine Mutter verstorben ist. „Es ist schwierig, aber man muss mit den Problemen klarkommen“, gibt sich Jamshid Nooristani kämpferisch. Schon seit Jahren versucht er, seine Frau nach Deutschland zu holen. Aufgrund der bürokratischen Hürden und der zugespitzten Lage in Afghanistan sei das schwierig. In einem Monat haben er und seine Frau einen Termin in Neu-Delhi (Indien). „Ich hoffe, dass es dann endlich klappt.“

    Mit seinem Trainer Sigmund Thebert (rechts) trainiert Jamshid schon seit sechs Jahren.
    Mit seinem Trainer Sigmund Thebert (rechts) trainiert Jamshid schon seit sechs Jahren. Foto: Rosario Iovane, Just Train

    Nach seiner Ankunft in Deutschland hat er einen Sprachkurs gemacht und die Mittelschule erfolgreich nachgeholt. In Afghanistan konnten es sich nur die wenigsten leisten, die Schule zu besuchen. „Ich war in der Grundschule, aber danach musste ich arbeiten, um meine Familie zu unterstützen.“

    Die Anfangszeit in Deutschland gestaltete sich schwierig für ihn, jetzt fühlt er sich aber gut integriert. Wenn Nooristani nicht bei der Arbeit ist, trainiert er meistens in der Boxhalle. „Das muss er auch“, sagt sein Trainer. „Er ist zwar Profiboxer, aber er muss sich erst einmal hochboxen, um gegen die ganz Großen zu kämpfen und sich einen Namen zu machen.“ Und sein Ziel ist hochgesteckt: Jamshid Nooristani will Weltmeister werden. Den Willen dazu habe er, davon ist sein Trainer total überzeugt. „Wir werden noch viel von ihm hören. Davon bin ich fest überzeugt, sonst würde ich bestimmt nicht meine Zeit mit ihm vergeuden“, stellt Thebert klar.

    Dritter Profiboxkampf am 28. November in Donauwörth

    Zwei Profikämpfe hatte Nooristani schon, beide davon entschied er für sich. Seinen dritten Sieg will er am 28. November gegen Rafael Chiruta in Donauwörth holen. „Er ist fit und top vorbereitet. Das wird ein guter Kampf“, sagt Trainer Thebert. Im nächsten Jahr soll dann der Juniorenweltmeistertitel folgen. „Das ist realistisch, doch dafür müssen wir hart arbeiten.“ Für den Trainer kein Problem, für den Schüler ebenso wenig: „Ohne Boxen kann ich nicht leben.“

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