Seit über vier Jahrzehnten begeistert sich Horst Koristka für den Tanzsport. Dieser hält den bald 61-Jährigen fit. „Die Knie tun mir weh, wenn ich im Sommer eine lange Pause mache“, sagt der Abteilungsleiter der TSG Augsburg-Hochzoll und lacht. Die Antwort auf die Frage, ob er sich „Let’s Dance“ im Fernsehen anschaue, kommt schneller als sie zu Ende gestellt ist. „Selbstverständlich“, platzt es aus Koristka heraus. „Immer.“
Dem Funktionär ist bewusst, dass die Sendung großteils auf Schein, Showelementen und Bekanntheit der Protagonisten basiert, dennoch lobt er die Leistungen auf dem Parkett. Profis und Promis würden wöchentlich zeigen, was im Tanzen mit Training möglich sei und wie man sich stetig steigern könne, so Koristka. „Das ist wirklich stark, was die aus sich rausholen.“
Seit zehn Jahren gibt "Let's Dance" dem Tanzsport eine Plattform
Seit zehn Jahren lässt Privatsender RTL mehr oder weniger berühmte Kandidaten in seiner Unterhaltungssendung auftreten – und gibt damit dem Tanzsport eine Plattform. Öffentlich-rechtliche Fernsehsender haben sich aus der Berichterstattung über sportliche Wettkämpfe weitestgehend zurückgezogen, Interessierte greifen auf Live-Übertragungen im Internet zurück.
Dort zu sehen: Nina Trautz. Die 28-jährige Augsburgerin ist Profitänzer, sie spricht von einem „Teufelskreis“: Weniger TV-Interesse bedeutet weniger Sponsoren; weniger Sponsoren erzeugen weniger Interesse der TV-Sender. Rund drei Viertel des Jahres ist Trautz mit Partner Valera Musuc weltweit unterwegs. Am Osterwochenende reist sie zur Europameisterschaft nach Moskau, um den Titel wird im Ballsaal des Kreml getanzt.
Die Szene kennt sich. Der Ingolstädter Christian Polanc zählt mit Schlagersängerin Vanessa Mai in der jetzigen Staffel zu den Favoriten. Gegen ihn hat Trautz ebenso schon getanzt wie gegen einen Juror der Show: Motsi Mabuse ist Deutsche Meisterin in den lateinamerikanischen Tänzen. Während der ehemalige spanische Turniertänzer Joachim Llambi die Rolle des strengen Lehrers einnimmt, kommt die hübsche Südafrikanerin in der Show sympathisch rüber. Mabuse habe ihr Image zu recht, beteuert Trautz. Zwar sei sie auf dem Parkett eine harte Rivalin, abseits davon aber eine lustige, offene Person.
Profitänzerin beeindruckt das Niveau von "Let's Dance"
Trautz kämpft für die TSG Bavaria Augsburg in der World Series um Weltranglistenpunkte und nimmt an Weltmeisterschaften teil, in der Kür ist sie mit Musuc vierfache Deutsche Meisterin und steht auf Platz eins der deutschen Rangliste. Die 28-Jährige betreibt eine Augsburger Tanzschule. Dort beginnen Hobbytänzer, packt sie der sportliche Ehrgeiz, wechseln sie später in den Verein und das Turniergeschehen. Für die TSG Bavaria treten knapp 40 Paare an.
Trautz beeindruckt das Niveau der RTL-Show – trotz der fehlenden Erfahrung der Laien. Die Situation sei auch für den jeweiligen Profi des Paares schwierig, weil er neben seinem Spezialgebiet Standard und Latein ebenso in Hip-Hop oder Boogie-Woogie führen müsse. Trautz trainiert drei bis vier Stunden pro Tag, sechsmal die Woche.
Weit weniger üben Breitensportler. Auf diese Zielgruppe konzentriert sich das Tanzsportzentrum Augsburg. Bettina Merz bestätigt, „Let’s Dance“ mache den Tanzsport populärer. Die Funktionärin sieht einen Zusammenhang, weil sie mehr Anfragen verbucht. „Während dieser Zeit kommen mehr Leute, die tanzen wollen.“
Gut für die Gesundheit: Krankenkassen bezuschussen Tanzkurse
Dass Tanzen dem Körper guttut, bestätigte Mitte März ganz offiziell der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB). An den deutschen Tanzsportverband verlieh er das Siegel „Sport pro Gesundheit“. Nun können Übungsleiter B-Prävention im Tanzsport ausgebildet werden, zudem können Krankenkassen Kursgebühren bezuschussen. Merz bricht eine Lanze fürs Tanzen: „Wer sagt, Tanzen ist kein Sport, der hat noch nie getanzt.“ Die Wurzeln ihres Vereins liegen im Rock’n Roll, abgedeckt werden inzwischen viele Stilrichtungen. Die größte Außenwirkung hätten Auftritte der Showgruppe, meint Merz.
Horst Koristka sieht in „Let’s Dance“ einen netten Nebeneffekt, die Nachfrage würde deshalb nicht zwingend steigen. Den Reiz transportiere man mit eigenen Auftritten und Veranstaltungen, meint Koristka. „Da sehen die Leute, wie viel Spaß das macht.“ Und dass Tanzen keine Frage des Alters ist, dafür dient er als bester Beweis.
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