Es ist dieser eine Moment, an dem Marco Brenner im Finale der fünften Etappe des Critériums de Dauphiné merkt, dass es der Tag sein könnte, an dem er erstmals in der Radsport-Weltspitze auf sich aufmerksam machen könnte. Der Zielsprint auf der 170 Kilometer langen Etappe von Saint-Chamond nach Saint-Vallier in der französischen Auvergne-Rhône-Alpes-Region wird gerade angezogen und der 18-jährige Augsburger ist mittendrin. „An dem Tag habe ich gerochen, dass etwas gehen könnte.“
Jungprofi vom WorldTour-Team DSM könnte weit nach vorne fahren
Seit Anfang des Jahres fährt Brenner für das WorldTour-Team DSM, jetzt könnte der Jungprofi eine Ausrufezeichen setzen. Die steile Rampe kurz vor dem Ziel war er mit den ganzen Favoriten wie Geraint Thomas (Großbritannien) oder dem Führenden Lukas Pöstlberger (Österreich) gut hochgekommen, bei der Abfahrt hatte er sich gut positioniert und jetzt könnte er im Sprint vielleicht einen Spitzenplatz erzielen. Und was passiert? Nichts.
Stallorder bremst Marco Brenner aus
Marco Brenner bekommt die Stallorder, Ruhe zu geben, denn seine Teamkameraden Ilan van Wilder und Kevin Vermaerke, die im Gesamtklassement wesentlich besser platziert sind, der Belgier Van Wilder trägt zum Beispiel das Weiße Trikot des Spitzenreiters in der Nachwuchswertung, haben keine Chance mehr, vorne einzugreifen. Und die Teamleitung entscheidet, nichts zu riskieren. Brenner rollt als 25. über die Ziellinie. „Das ist ärgerlich, da wäre mehr gegangen, aber ich hätte meine Teamkollegen gefährdet.“ Ein Alleingang, wie er es so oft in seiner Jugendzeit gemacht hat, wäre nicht gut angekommen. So ist das eben im ersten Profijahr, auch wenn man eines der größten Radsportalente ist, das in den Pelotons des Rennradzirkus fährt.
Über 100 Siege hat Brenner als Jugendlicher eingefahren, den üblichen Weg über die U23 ausgelassen, gleich den Sprung ins Profilager gewagt. Mehrere Angebote hatte er vorliegen und wählte das deutsche Team Sunweb, das nun Team DSM heißt, aus. Dort unterschrieb er einen Vier-Jahres-Vertrag, der ihm ein ordentliches fünfstelliges Jahressalär garantiert. Doch viel wichtiger war, dass ihm ein schlüssiges Konzept vorgelegt wurde, wie er langsam an die Weltklasse herangeführt werden kann. Und das tut DSM, auch wenn es dem ehrgeizigen und durchaus selbstbewussten Brenner manchmal etwas zu langsam geht.
Am Ende der achttägigen Rundfahrt belegte Brenner im Gesamtklassement Platz 82. Sein Rückstand auf den Gesamtsieger Richie Porte aus Australien beträgt 1:03:49 Stunden.
Dauphine ist der Härtetest für die Tour de France
Trotzdem ist Brenner nicht unzufrieden. „Ich habe mich eigentlich ganz gut geschlagen.“ Denn die Dauphiné gilt als der Härtetest vor der Tour de France, die am 26. Juni beginnt. „Man nennt es die harte Woche Tour de France, weil sie im Zeitraffer auch durch Regionen führt, durch die die Tour de France geht“, sagt Brenner. „Und weil es nur acht Tage sind, testen die ganzen Favoriten hier ihre Beine aus und fahren härter.“ Brenner erzählt ein Beispiel: „Bei der Tour de Romandie bin ich beim Zeitfahren 25. geworden, hier 43., obwohl meine Wattleistung als objektives Kriterium jetzt besser war.“
Zudem muss sich der Jungprofi auch auf längere Distanzen einstellen. „Ich bin es nicht gewohnt, acht Tage Rennen zu fahren. Bei der Tour de Romandie waren es sechs. Das war man bisher längstes Rennen“, sagt Brenner. So musste der 18-Jährige den beiden Königsetappen am Ende Tribut zollen. Fast 50 Minuten verlor er alleine in den Savoyer Alpen. „Die letzten beiden Tage waren für mich schon megahart“, gesteht Brenner ein.
Zwei Königsetappen am Ende sind für Marco Brenner zu viel
Am vorletzten Tag ging es hinauf zum bekannten Skiort La Plagne. Und am Schlusstag warteten mit dem Col de la Colombière und dem Col de Joux Plane zwei Berge mit jeweils über 1600 Meter Höhe, bevor sich der Skiort Les Gets als letztes Ziel näherte. „Da ging es mir gar nicht gut. Ich wurde schon nach 40 Kilometer abgehängt und ich wollte dann nur nicht aus dem Zeitlimit fallen. Ich habe fast eine halbe Stunde verloren“, sagt Brenner.
Der Weg in die Weltspitze ist auch für ein Megatalent lang und manchmal schmerzhaft. Doch eines wollte Brenner auf keinen Fall: Aufgeben. „Wenn es gar nicht geht, hat mein Team gesagt, brauche ich mich nicht zu schämen und kann auch rausgehen. Aber es ist doch blöd, wenn da dransteht: Marco Brenner hat das Ziel nicht erreicht.“ Jetzt wartet am 19./20. Juni die deutsche Meisterschaft in Stuttgart auf ihn. Die Tour de France hat DSM für ihn noch nicht eingeplant. Brenner soll langsam aufgebaut werden.
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