Marvin Friedrich redet gar nicht lange um den heißen Brei herum. „Es ist das Ziel jedes Spielers zu spielen. Ich bin nicht gekommen, um auf der Bank zu sitzen, oder gar nicht im Kader zu sein. Ich bin gekommen, um so viel wie möglich zu spielen“, stellt der neue Innenverteidiger des FC Augsburg klar. Das ist eine Ansage, die nach einer Handvoll Übungseinheiten beim neuen Arbeitgeber sitzt.
Schließlich ist der FCA in der Defensivzentrale personell so gut aufgestellt wie auf keiner anderen Position. Ragnar Klavan arbeitet seit Jahren dort meist präzise wie ein Schweizer Uhrwerk und auch Jeong-Ho Hong oder Jeffrey Gouweleeuw haben zuletzt bewiesen, dass sie gehobenen Bundesliga-Ansprüchen genügen. Friedrich ficht das nicht an. Und es klingt nicht überheblich, wenn der 1,90 Meter große Blondschopf erklärt: „Das gehört dazu. Man hat überall Konkurrenzkampf. Letztendlich muss man sich überall durchsetzen.“
Es klingt selbstbewusst und selbstsicher. Friedrich ist zwar erst 20, doch kommt er aus einer der besten Nachwuchsabteilungen der Bundesliga: aus der „Knappenschmiede“ von Schalke 04. Im Hause Friedrich in der kleinen Gemeinde Guxhagen, 15 Kilometer südlich von Kassel gelegen, wird Sport großgeschrieben. Eine Schwester von Marvin ist Leichtathletin, sein zwei Jahre älterer Bruder Sven spielt beim Regionalligisten KSV Hessen Kassel und seine Schwester Melissa war 2014 mit Deutschland bei der U-17-WM in Costa Rica. Vor wenigen Tagen wechselte die 19-Jährige vom 1. FFC Frankfurt zum Bundesliga-Konkurrenten Bayer Leverkusen.
Neuer Innenverteidiger für den FCA: Friedrichs Fußball-Karriere begann früh
Marvin Friedrich ordnete schon als Teenager dem Fußball alles unter. Mit 14 spielt er ein Jahr bei der U17 des SC Paderborn. Mit 15 wechselt er in das Schalker Internat. Er sagt: „Am Anfang war es schwer, Schule, Fußball und das Drumherum unter einen Hut zu bringen. Aber ich habe mich recht schnell eingelebt und auch die Schule ganz gut bewältigt.“ Mit dem Realschulabschluss im Rücken setzt er voll auf die Karte Profi. Auf Schalke scheint Friedrich, Schuhgröße 45,5, dann auch mit Siebenmeilenstiefeln Richtung Bundesliga-Karriere zu marschieren. Mit 18 gibt er am 13. September 2014 sein Pflichtspieldebüt. Er wird in Gladbach in der 70. Minute für Dennis Aogo eingewechselt, er schnuppert kurz Champions- und Europa-League Luft. Friedrich verlängert im Juni 2015 seinen Vertrag vorzeitig bis Juni 2018.
Dann stockt die Karriere. In der vergangenen Saison trägt er fast nur das Trikot der U23, in der Bundesliga kommt er gerade mal auf drei Spielminuten. Der damalige Trainer André Breitenreiter setzt in der Defensive lieber auf erfahrene Spieler, um Stabilität zu gewinnen. Selbst als die Innenverteidigung nach der Verletzung von Benedikt Höwedes arg dezimiert ist, zieht er den gelernten Mittelfeldmann Roman Neustädter, 29, Marvin Friedrich vor.
Der ehrgeizige Hesse ist gefrustet, will weg. Im Winter platzt eine eigentlich schon sichere Leihe zum HSV. Und die Chancen auf mehr Spielzeit in dieser Saison wird mit der Verpflichtung von Naldo, 34, nicht größer. Der Brasilianer ist der erste Transfer von Neu-Manager Christian Heidel. Damit habe sein Wechsel aber nichts zu tun, versichert Friedrich: „Naldo war nicht das I-Tüpfelchen. Ich hatte mir gewünscht, dass ich letzte Saison ein paar Spiele mehr hätte machen dürfen, als junger Spieler braucht man Spielpraxis.“ Andreas Luthe - So tickt der neue Torwart des FCA
Friedrich: "Der FCA ist genau der richtige Verein für mich"
Die will er sich jetzt beim FCA holen. „Im Gegensatz zu Schalke herrscht beim FCA viel mehr Ruhe. Auf Schalke hat man mehr Druck und steht mehr im Fokus, wenn man als junger Spieler spielt. Ich denke, hier kann ich mich besser entwickeln. Der FCA ist genau der richtige Verein für mich.“ Und in Augsburg glaubt man, dass Friedrich genau der richtige Spieler für den FCA ist. Chefscout Stefan Schwarz hat den schlaksigen Innenverteidiger schon länger im Visier. Dem kopfballstarken U-19-Europameister wird ein gutes Aufbauspiel und taktische Reife nachgesagt.
Der FCA intensiviert seine Bemühungen. Am 17. Mai kommt Friedrich persönlich nach Augsburg. Manager Stefan Reuter zeigt ihm die Arena und die Trainingsplätze. Friedrich: „Es war mir wichtig, die Leute und das Umfeld persönlich kennenzulernen und mir vom Stadion und von den Trainingsplätzen selbst einen Eindruck zu verschaffen. Und ich muss sagen, ich habe gleich das Gefühl gehabt, dass es passen könnte.“
Zudem überzeugen Friedrich und seinen Berater Thomas Struntz auch die konkreten Pläne der Augsburger. Es scheint eine Win-win-Situation für beide Seiten zu sein. Der FCA hat einen jungen „Wilden“ in der Hinterhand, falls Klavan oder Hong den Verein verlassen. Danach sieht es derzeit nicht aus, doch im Fußball kann es schnell gehen. Die Verträge der beiden Innenverteidiger laufen zudem 2017 aus.
Sein Vertrag läuft bis 2019 - mit Aussicht auf Verlängerung
Außerdem ist es ungewiss, wann Jan-Ingwer Callsen-Bracker nach seiner schweren Verletzung vom Dezember zurückkehren wird. Er hat einen Rückschlag erlitten und muss weiter pausieren. Christoph Janker ist nur als Backup eingeplant. Der FCA bekommt für geschätzte eine Million Euro den Zuschlag, Friedrich einen Vertrag bis 2019 mit Option auf Verlängerung. Dass der Wechsel ein Bestandteil des Deals um den Transfer von Trainer Markus Weinzierl vom FCA zu Schalke ist, verneinen beide Parteien.
Berater Strunz will sich dazu nicht groß äußern. „Bei uns war es kein Thema. Ich weiß aber nicht, was zwischen den beiden Vereinen lief.“ Ein Leihgeschäft kam für ihn nicht infrage. Strunz: „Davon bin ich kein Freund. Die Spieler fragen sich dann schon sehr früh wieder, zu was für einem Verein sie gehören, ob sie bleiben können oder zurückmüssen? Gerade für junge Spieler kann das häufig ein Problem darstellen, dass sie sich zu sehr mit zukünftigen Dingen beschäftigen.“
Und das lenkt ab. Das will Friedrich nicht. Er will sich in der Vorbereitung beim neuen Trainer Dirk Schuster in den Vordergrund spielen. Er will sich in der Bundesliga durchsetzen. Beim FCA ist man überzeugt, dass er das Potenzial dazu hat. Bei Schalke 04 aber auch. Manager Heidel hat sich ein Rückkaufsrecht nach zweineinhalb Jahren vertraglich garantieren lassen.