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Interview: "Ich will unbedingt noch in die Antarktis"

Interview

"Ich will unbedingt noch in die Antarktis"

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    Bei seinem letzten internationalen Einsatz bei den Paralympics in Peking 2008 holte Daniel Arnold die Silbermedaille.
    Bei seinem letzten internationalen Einsatz bei den Paralympics in Peking 2008 holte Daniel Arnold die Silbermedaille. Foto: Rolf Vennenbernd, dpa

    In unserer Serie Was macht eigentlich …? fragt die AZ-Sportredaktion bei Leuten nach, die den Sport in Augsburg geprägt haben. Das können ehemalige Aktive sein, aber auch Trainer, Funktionäre oder Sponsoren. Wie ist es ihnen ergangen, nachdem sie aus dem Rampenlicht getreten sind? Heute: Daniel Arnold.

    2008 bei den Spielen in Peking haben Sie Ihre erfolgreiche internationale Laufbahn mit drei Goldmedaillen und einmal Silber bei Paralympics beendet. Spielen Sie heute noch Tischtennis?

    Arnold: Meine Sporttasche ist immer noch gepackt und jederzeit einsatzbereit. Mitte November habe ich es zuletzt probiert, weil ich ernsthaft versuchen wollte, wieder Punktspiele für meinen Verein, den TSV Merching, mitzuspielen. Aber die Pause war zu lang, ich merke eindeutig, dass ich körperlich noch nicht wieder so fit bin.

    Warum haben Sie so lange pausiert?

    Arnold: Ich war zum einen zugegebenermaßen faul, hatte aber auch gesundheitliche Beschwerden im Knie. Die Arthrose darin wird auch nicht mehr weggehen. Sobald ich eine Dreiviertelstunde Tischtennis spiele, muss ich es drei bis vier Tage büßen. Dann kann ich jede Stufe nur einzeln laufen. Aber nichts machen ist bei einer Arthrose auch nicht optimal. Deshalb versuche ich mich zu zwingen, mich auf meinem Hometrainer im Wohnzimmer zu bewegen. Denn den Sport will ich eigentlich nicht aufgeben. Ein bisschen Spielen wäre schon schön.

    Sind das die negativen Folgen Ihrer langen und erfolgreichen Karriere ?

    Arnold: Mit Sicherheit. Ich habe ja schon mit sechs Jahren angefangen. In der Zeit, in der ich in diesem Sport richtig aktiv und erfolgreich war, da habe ich – gerade vor den Paralympics – fünfmal die Woche zweimal am Tag trainiert.

    Die angeborenen Verkürzungen an den Armen und an einem Bein werden die Probleme verschärft haben?

    Arnold: Die Orthopäden hatten mir im Jahr 2000 schon angekündigt, dass ich fünf Jahre später im Rollstuhl sitzen würde. Ein Arzt hat mir dann 2004 geraten, sofort aufzuhören. Oder zumindest nur in Maßen Tischtennis zu spielen. Genau in diesem Jahr habe ich dann meine zwei Goldmedaillen in Athen geholt und wollte unbedingt noch bis Peking weitermachen. Einmal Olympische Spiele im Land des Tischtennis war für mich einfach der sportliche Höhepunkt.

    Und das haben Sie auch wirklich durchgezogen?

    Arnold: Ja klar, man muss abwägen. Aber in Peking habe ich noch die Silbermedaille geholt.

    War dieses Erlebnis wirklich die ganzen Anstrengungen wert?

    Arnold: Ja, auf alle Fälle. Tischtennis in Peking ist wie Fußball in Deutschland. Wenn wir in Europa Tischtennis spielen, geht es in der ganzen Halle ruhig und konzentriert zu. In China aber gibt es unentwegt Schlachtrufe, die Zehntausende mitbrüllen, ganz egal, ob das während des Ballwechsels ist.

    Das ist ziemlich ungewohnt für einen Spieler aus Deutschland?

    Arnold: Ich bestritt damals das Eröffnungsspiel gegen einen Chinesen. Die ganze Bande entlang waren Fernsehkameras aufgebaut. In Peking wurde das Spiel live über einen Videowürfel auf einem riesigen Hochhaus gezeigt, in der U-Bahn und in Einkaufszentren. Egal, wo ich danach in der Stadt war, alle haben mich gekannt und „Ping Pong“ gerufen. Das ist etwas ganz anderes als bei uns. Von daher hat sich das für mich gelohnt.

    Waren Sie auf diesen Hype vorbereitet?

    Arnold: Wir wussten, dass uns in China die Fans aus zwei Metern anbrüllen und uns die Pressefotografen in die Augen blitzen. Deshalb hatten wir das sogar im Training geübt. In den Lehrgängen mussten immer zwei Personen spielen, die anderen haben außenrum getobt. Trotzdem kann man sich auf dieses Extrem nicht vorbereiten.

    Woran erinnern Sie sich in Ihrer Karriere noch gerne?

    Arnold: Natürlich an meine erste Goldmedaille mit dem Team in Sydney und die zwei Goldmedaillen im Team und Einzel in Athen. Allerdings konnte man dort die Zuschauer fast schon einzeln begrüßen, weil es so wenige waren. In Sydney waren zumindest Schulklassen eingeladen, da war mehr los. Aber alle drei Olympischen Spiele waren eine tolle Erfahrung.

    Danach war Schluss mit den großen Turnieren?

    Arnold: Ja, obwohl London ja noch ganz toll gewesen sein muss. Was meine Kollegen so erzählt haben, war das wirklich super.

    Das heißt, als ehemaliger Olympionike verfolgt man das Sportgeschehen weiterhin ganz genau?

    Arnold: Natürlich, ich kenne die ganzen Leute ja noch und bin auch noch mit vielen in Kontakt. Teilweise fragen meine härtesten Gegner von damals, wann ich wieder komme.

    Wäre dann nicht die Trainerlaufbahn etwas für Sie?

    Arnold: Das habe ich mir auch schon überlegt. Aber ich kann mit meiner Arbeit als Speditionskaufmann in Langweid nicht garantieren, dass ich die Trainingszeiten einhalten kann. Wenn ein Kunde am Abend noch ein Paket mit Luftfracht nach Südafrika verschicken möchte, kann ich das nicht auf morgen verschieben und zum Training gehen.

    Profispieler waren Sie nie?

    Arnold: Nein, Tischtennis war immer nur Hobby. Ich habe meine Ausbildung gemacht und auch während der sportlichen Karriere immer gearbeitet. Wir mussten ja auch das meiste selbst finanzieren, wie etwa die Teilnahmen an den Qualifikationsturnieren. Ich hatte aber zum Glück einerseits einen Sponsor und war andererseits aufgrund meiner Weltranglistenposition nicht gezwungen, viele Turniere zu spielen. Ich konnte mir daher fast immer aussuchen, wo ich antreten wollte.

    Wie hat Sie Ihre Karriere persönlich geprägt?

    Arnold: Ich reise immer noch sehr gern durch die Welt und bin relativ schnell selbstständig geworden. Ich habe mit 16, 17 Jahren ja schon international gespielt und war meist allein auf großer Reise. Wenn man dann in Länder kommt, deren Sprache man nicht spricht und deren Schrift man nicht lesen kann, muss man sich trotzdem durchschlagen und die Sporthalle erreichen. Was jetzt schön ist, dass ich etwas von den Ländern sehe, wenn ich reise, nicht nur Flughäfen, Sporthallen und Hotels.

    2009 sagten Sie, dass Sie nach Ihrer Karriere mal eine Kreuzfahrt machen wollen. Waren Sie schon unterwegs?

    Arnold (lacht): Mehr als genug. Ich habe eine Asien-Tour gemacht, die Karibik und das Mittelmeer. Und vier Wochen Südamerika bis runter nach Ushuaia. Vor Weihnachten waren meine Freundin und ich auf der Transatlantikfahrt der Queen Mary nach New York. Und jetzt will ich unbedingt noch in die Antarktis. Aber dafür muss ich noch etwas sparen.

    Daniel Arnold, geb. 16. Dezember 1978 in Augsburg, von Geburt an sind seine beiden Arme und das rechte Bein verkürzt. Beim TSV Merching begann er mit sechs Jahren mit dem Tischtennisspielen. Von 1999 an war er beim Post SV Augsburg auch Stammspieler in einer Nicht-Behinderten-Mannschaft. Im Behindertensport gewann der gelernte Speditionskaufmann dreimal Gold bei den Paralympics und holte fünf WM-Titel und acht EM-Titel. 2004 wurde er zu Augsburgs Sportler des Jahres gewählt. Er lebt mit seiner Freundin in Mering.

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