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Fußball: Der FC Bayern als süße Versuchung

Fußball

Der FC Bayern als süße Versuchung

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    Der FC Bayern als süße Versuchung
    Der FC Bayern als süße Versuchung

    Finn Burtscheidt, 14, hat einen Traum. Er will Profi-Fußballer werden. Um diesen Traum zu verwirklichen, ordnet er andere Dinge unter, opfert seine Freizeit. Seit rund sechs Jahren spielt Finn in der Nachwuchsabteilung des FC Augsburg. Lässt sich vom FCA-Fahrdienst mit einem Kleinbus zu Training und Spielen aus Fürstenfeldbruck nach Augsburg karren. Finn hofft so, seinem Traum näher zu kommen. Diese Chance wolle er sich nicht entgehen lassen, meint Finn.

    Der Bub steht im Tor der U14 des FCA, Vorbilder sind Barcelonas ter Stegen und Augsburgs Hitz. Sie haben geschafft, wovon Finn träumt. Ob er es einmal zum Profi bringen wird, kann Manuel Baum nicht vorhersagen. Baum, 36, ist Cheftrainer des Augsburger Nachwuchsleistungszentrums (NLZ). Eine seiner Kernaufgaben besteht darin, Fußballer für den Spielermarkt der Profiligen auszubilden. Baum erklärt nüchtern, lediglich ein Prozentsatz im niedrigen einstelligen Bereich schaffe den Sprung. „Die Wahrscheinlichkeit, es in die Bundesliga zu schaffen, ist sehr gering“, sagt er.

    Selbst der deutsche Branchenriese FC Bayern München hat auf diesem Gebiet Probleme. Andere Klubs haben ihm beim Nachwuchs den Rang abgelaufen. Eine Entwicklung, die Ex-Präsident Hoeneß auf den Plan rief. Jüngst mussten Nachwuchsleiter Tarnat und Chefscout Jung gehen. Und: Bayern soll verstärkt in der Region nach Kickern Ausschau halten. Betroffen ist der FCA.

    Im Moment sei die Suche und das Halten von Talenten extrem hart, beschreibt Baum. „Eine derart massive Abwerbung seitens des FC Bayern hat es noch nie gegeben. Wir müssen sehen, wie wir damit umgehen, und abwarten, was passiert.“ Der FCB soll rund 20 FCA-Spieler von der U13 bis zur U15 im Visier haben. Augsburgs Verantwortliche reagierten, indem sie die Eltern zu einem Treffen einluden, bei dem sie diese zum Bleiben bewegen wollen. Ein FCA-Trainer hat das Angebot des FCB bereits angenommen. Alexander Moj, 28, hat in München einen Dreijahresvertrag unterschrieben, sein Kontrakt mit dem FCA läuft am Saisonende aus.

    Seitdem der Kampf um Talente im Kindesalter entbrannt ist, müssen die Klubs den Eltern frühzeitig Alternativen aufzeigen. Auch sie sind Realisten, wissen, dass ihr Sprössling nicht zwingend der nächste Messi wird. Die Bundesligisten achten in ihren NLZ daher nicht nur auf die sportliche Weiterbildung. Eine schwere Verletzung oder ein überraschendes Leistungstief: Eine Karriere kann zu Ende sein, bevor sie begonnen hat.

    Wie gering seine Chancen sind, hat Finn Burtscheidt im Hinterkopf. „Man denkt schon darüber nach, was man machen kann, wenn es nicht klappt“, betont er. Noch besucht der Achtklässler die Realschule. Weil er danach zweigleisig fahren will, braucht er einen Plan B zum Fußball. FCA-Cheftrainer Baum geht noch einen Schritt weiter, auch nach der Profikarriere seien gute Noten und eine Berufsausbildung bedeutend. „Wenn sie unseren Verein verlassen, sollen sie sich auch außerhalb des Fußballplatzes weiterentwickelt haben“, sagt Baum.

    Montagabend. Ortstermin bei der Handwerkskammer für Schwaben (HWK). Hoch konzentriert, wie sonst nur am Ball, verzieren Finn und Mitspieler mit Marzipan Tortenstückchen. Geschick und Fingerspitzengefühl sind nötig, damit das kulinarische Kunstwerk gelingt. Der Fußballnachwuchs erhält an diesem Abend Einblicke in handwerkliche Berufe, unter anderem den des Konditors.

    Gerade beim FCA können sich Junioren nicht darauf verlassen, als Profi durchzustarten. Zwar finden sich Spieler gelegentlich in Zweitligakadern, auf den Durchbruch bei einem Erstligisten warten sie bislang vergebens. Baum liefert dafür Erklärungen. Lange Zeit ging es beim FCA darum, die erste Mannschaft schnellstmöglich in die Bundesliga zu führen. Dort wurde Geld investiert. Für Baum nachvollziehbar, die Profis sind Aushängeschild eines Vereins, dienen als Zugpferd. Ihm erleichtert das die Suche nach Talenten. Andererseits erschweren die Erfolge und Auftritte in der Europa League seine Arbeit, wie er erklärt: „Die Qualität der Profis ist dadurch enorm gestiegen.“ Folge: Der Sprung ins Bundesligateam ist für Talente noch gewaltiger.

    Derzeit erhalten Spieler aus der FCA-Nachwuchsabteilung vor allem aus einem Grund Lizenzspielerverträge: weil der Deutsche Fußball-Bund vereinseigene Spieler, „Local Player“ genannt, im Profikader vorschreibt. Baum will mittelfristig nicht nur die Quote erfüllen. Sein Wunsch: Pro Jahr soll ein Spieler aus dem NLZ einen Profivertrag erhalten. Vielleicht zählt Finn Burtscheidt irgendwann zu diesen Auserwählten. (mit ref)

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