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FC Augsburg: Hinteregger: "Als Fußball-Profi kannst du nicht du selbst sein"

FC Augsburg

Hinteregger: "Als Fußball-Profi kannst du nicht du selbst sein"

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    Der Österreicher Martin Hinteregger im Trainingslager in seinem Heimatland. Im Ötztal bereitet er sich mit seinen Mannschaftskollegen vom FCA auf die neue Bundesliga-Saison vor.
    Der Österreicher Martin Hinteregger im Trainingslager in seinem Heimatland. Im Ötztal bereitet er sich mit seinen Mannschaftskollegen vom FCA auf die neue Bundesliga-Saison vor. Foto: Klaus Rainer Krieger

    Wenn Martin Hinteregger als Co-Trainer die E-Jugendspieler des TSV Haunstetten beobachtet, fühlt er sich in eine andere Zeit versetzt. Als er als Bub dem Ball nachjagte. Als er aus purem Vergnügen kickte und sich alles um das Spiel an sich drehte. Inzwischen ist Hinteregger 25 Jahre alt, er vertritt in der Nationalmannschaft Österreichs Farben und verdient mit dem Fußballspielen viel Geld. Hinteregger ist Teil einer Branche, in der in jüngster Zeit dieses Spiel an sich immer stärker verdrängt wird. Von unbegreiflichen Ablösesummen. Von ausufernder Berichterstattung über Randthemen. Von TV-Rechten in Milliardenhöhe. Von einer Selbstinszenierung der Profis in sozialen Netzwerken.

    „Es geht in die extrem falsche Richtung“, betont Hinteregger. „Als Fußballprofi kannst du nicht du selbst sein.“ Er erinnert sich an seine Erlebnisse auf dem Bolzplatz, an die Unbeschwertheit seiner Haunstetter Jungs und sagt mit Blick auf die jüngsten Auswüchse: „Vielleicht sollten sich die obersten Bosse das einmal anschauen. Dann wissen sie auch wieder, was Fußball ist.“

    Hinteregger spricht über die Missstände im Fußball

    In Längenfeld bereitet sich der FC Augsburg auf die kommende Spielzeit vor. Hinteregger sitzt im Ötztal in der Lobby eines Wellnesshotels. Wohler würde sich der gebürtige Kärntner wohl draußen fühlen, auf einer der Almen, die vom Tal aus zu sehen sind. Der Österreicher steht dafür, seine Meinung zu sagen. Erfrischend offen erzählt er auch diesmal von Missständen seiner Branche. Er wirkt nachdenklich. Ernst. Das Thema beschäftigt ihn. Für ihn wäre es das Schönste, wenn der Fußballer noch Fußballer sein könnte, sagt er. „Wenn man ehrlich seine Meinung sagen könnte, ohne dass das gleich als Kritik aufgefasst wird“, sagt Hinteregger. Er fügt an: "Es wäre schön, wenn man das sagen könnte, was man denkt. Und nicht das, was man sagen muss, damit es ruhig bleibt."

    An sich selbst hat er über die Jahre Veränderungen wahrgenommen. Auch wenn er das gar nicht wollte. Er sei ein anderer Mensch geworden. Unter anderem trete er öffentlich wesentlich zurückhaltender auf, berichtet Hinteregger. Seine Meinung äußert er dennoch. Anfang Mai kritisierte er nach der von Per Mertesacker angestoßenen Debatte um Druck im Profifußball, niemand dürfe Schwächen zeigen, deshalb werde das Thema totgeschwiegen. „Wer aber im Profifußball keinen Druck verspürt, ist ein sehr einmaliger Spieler“, sagte Hinteregger damals.

    Zudem zeigte er sich vom Verhalten junger Spieler verwundert, die sich permanent in sozialen Netzwerken bewegten, stets auf der Suche nach öffentlicher Anerkennung. Hinteregger wurde deutlich: „Wer am Anfang seiner Karriere aber zu viel öffentliche Anerkennung bekommt, glaubt schnell, dass er schon etwas erreicht hat – obwohl dem nicht so ist. Nach dem ersten Hype geht die Leistungskurve oft schnell nach unten. Das liegt aber nicht am Sportlichen, sondern am Mentalen.“ Er selbst sucht nach eigenen Wegen, der Schnelllebigkeit des Fußballs zu entkommen. Seine Hoffnung: Irgendwann findet er zu seinem Ursprung zurück, zu dem, was er sein will.

    Auf das Smartphone kann Hinteregger verzichten

    Wie ernst ihm diese Sache ist, unterstreicht er dadurch, dass er sich von seinem Smartphone getrennt hat und nun auf ein Modell aus dem Jahr 2008 zurückgreift. Ohne Onlineverbindung, ohne WhatsApp, ohne Instagram oder Facebook. Sogar aus der FCA-Spieler-WhatsApp-Gruppe ist er ausgestiegen. Wenn er Nachrichten verschickt, dann per SMS. Mit seiner reduzierten Mediennutzung hat der Österreicher gute Erfahrungen gemacht, viel mehr Zeit habe er jetzt. Außerdem legt er mehr Wert auf direkten Kontakt, er trifft sich häufiger mit Freunden. „Manchmal gehe ich vorbei und klingle einfach“, erzählt Hinteregger und schiebt eine rhetorische Frage hinterher. „Wer macht das heutzutage noch?“

    Privat wirft Hinteregger Ballast ab, ebenso konzentriert er sich sportlich auf das Wesentliche. Die jüngsten Wechselgerüchte lächelt er weg, es sei nichts dran, versichert er. Unter anderem berichteten englische Medien, Premier-League-Teilnehmer Westham United würde rund 15 Millionen Euro für ihn bezahlen. Hinteregger hingegen arbeitet an seiner Rückkehr ins Mannschaftstraining. Nach anhaltenden Problemen in den Sprunggelenken – er berichtet von insgesamt sechs Monaten mit Schmerzen in der vergangenen Spielzeit – will er endlich wieder befreit trainieren und spielen. Wie damals auf dem Bolzplatz.

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