Am Ende hat Dominik Kohr, 23, sein Versprechen wahr gemacht. Als vor vier Wochen sein Wechsel zu Bayer Leverkusen bekannt wurde, versprach der defensive Mittelfeldspieler des FC Augsburg: „Ich werde alles geben, damit wir hier mit dem FCA möglichst frühzeitig den Klassenerhalt schaffen.“ Damals, nach dem 2:1-Heimsieg gegen den 1. FC Köln, stand der FCA noch auf Platz 16.
Kohr erlebte eine Achterbahn der Gefühle
Mit dem 0:0 bei der TSG 1899 Hoffenheim vermieden Kohr und seine Mitspieler die Relegation. Wie versprochen. Und so pendelten die Gefühle von Kohr kurz nach dem Schlusspfiff in der Rhein-Neckar-Arena hin und her: „Ich bin glücklich, aber auch etwas traurig, weil es mein letztes Spiel für den FC Augsburg war. Aber ich habe mein Ziel mit dem FCA erreicht, dass wir nächste Saison gegeneinander spielen werden.“
Für Kohr waren seine letzten vier Wochen beim FCA „atemberaubend“, wie er eingestand: „Wir haben eine schwierige Phase durchlebt und überstanden, weil wir als Team mit den Fans und der ganzen Stadt zusammengerückt sind. Wir haben bis zum Schluss gekämpft und verdient die Punkte geholt.“ Es war ein emotionaler Abschied für Kohr nach dreieinhalb Jahren in Augsburg. Er sei dem FCA dankbar, dass er ihm die Chance gegeben hat, sich in der Bundesliga als Stammspieler durchzusetzen.
Als der FCA Kohr im Januar 2014 von Leverkusen für eineinhalb Jahre auslieh, war diese Entwicklung nicht abzusehen. Kohr galt als talentiert, aber Bayer war sich nicht sicher, ob er die Bundesligareife erreichen würde. Doch Kohr zeigte sich lernwillig, biss sich beim FCA durch, wurde zur idealen Ergänzung zu Mittelfeldstratege Daniel Baier.
In Augsburg holte sich Kohr die Bundesliga-Reife
In Leverkusen registrierte man die Entwicklung genau. Als Manager Stefan Reuter im Sommer 2015 Kohr fest verpflichtete, war der Spielraum gering. Ohne Rückkaufoption hätte der Transfer dem FCA geschätzt zwischen vier und sechs Millionen Euro gekostet, mit Rückkaufoption nur 1,4 Millionen Euro. FCA-Manager Stefan Reuter wollte die Zahlen nach Bekanntwerden nicht kommentieren, bestätigt aber den Sachverhalt. „Ein Transfer ohne Option war für uns damals nicht finanzierbar.“
Eher nicht darstellbar, denn auch beim FCA war man sich seiner Sache wohl nicht so ganz sicher. Doch Kohr ließ nicht locker und machte sich mit seiner kantigen Art nahezu unverzichtbar. Wenn er fehlte, dann meist wegen einer Sperre. In der abgelaufenen Saison war er mit zwölf Gelben Karten Bundesliga-Spitzenreiter in dieser Kategorie. Dazu kam noch eine Gelb-Rote Karte.
Kohr war keiner, der gegnerische Angriffe durch Antizipation unterband, er suchte den Zweikampf. Da war er giftig und verbiss sich oft wie ein Rottweiler in seine Gegner. 558 Duelle führte er, über 50 Prozent gestaltete er siegreich. So kam er zu seinem Spitznamen „Hard-Kohr“. Im Vergleich dazu kam Daniel Baier „nur“ auf 476 Zweikämpfe und fünf Verwarnungen.
Der Umbruch in Leverkusen ist eine Chance
Es sind wohl sein unbändiger Kampfeswille und seine Lernfähigkeit, die Kohr für Leverkusen so interessant machen. Bei Bayer vollzieht sich gerade ein schmerzhafter Umbruch. Der Werksklub spielt erstmals seit Jahren in keinem europäischen Wettbewerb mit. Statt auf internationale Spitzenköche setzt man im Kader nun auch auf Zubereiter eher solider Hausmannskost – wie eben Kohr.
Der sucht eine neue Herausforderung im alten Umfeld, zudem wird er wohl besser entlohnt als in Augsburg „Es ist noch mal etwas anderes als in Augsburg. Ich will den nächsten Schritt gehen“, sagt Kohr. In Leverkusen soll die europalose Zeit nicht von Dauer sein, beim FCA hingegen war der Auftritt auf internationalem Parkett wohl einzigartig.
Darüber hinaus wird Kohr schon in einigen Tagen international spielen. U21-Trainer Stefan Kuntz nimmt ihn mit zur U21-Europameisterschaft nach Polen. Kohr darf teilnehmen, weil er zu Beginn der Qualifikation noch unter 21 Jahre alt war. „Ich freue mich riesig über die Zusage, weil ich das erste Mal bei einer EM dabei sein kann" , erzählte Kohr.
Bis zum 1. Juni wird er sich mit seiner Freundin Melissa und der Berner Sennenhündin Abby in Augsburg erholen. Dann beginnt erst das Abenteuer Europameisterschaft, danach das Abenteuer Leverkusen.
Lesen Sie auch:
FCA geht gegen den Ticket-Schwarzmarkt vor