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Eishockey: „Für einen Torwart bin ich sehr normal“

Eishockey

„Für einen Torwart bin ich sehr normal“

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    „Auch ich habe meine Rituale – wie die Bananen oder die Pasta vor dem Spiel.“Patrick Ehelechner
    „Auch ich habe meine Rituale – wie die Bananen oder die Pasta vor dem Spiel.“Patrick Ehelechner

    In Rosenheim lässt es sich offensichtlich gut leben. Auf den Dachgärten rund um das Café in der Innenstadt gießen Frauen mit sichtlicher Begeisterung ihre Blumen, Spaziergänger haben eine stark gedrosselte Schrittgeschwindigkeit und auch Patrick Ehelechner (27) drückt auf seinem weißen Fahrrad nicht aufs Tempo. Frühsommer ist für Eishockeyspieler eine Erholungsphase. So ganz stimmt das aber nicht. „Ich bin fast jeden Tag im Training“, sagt der künftige Schlussmann der Panther. Kraft, Koordination, Ausdauer, Beweglichkeit – der Job des Torhüters verlangt zahlreiche Talente. „Viele Muskeln müssen angesprochen werden.“ Ehelechner wirft Tennisbälle an die Wand, bewegt sich auf Wackelbrettern und balanciert auf Bändern. Sein Vertrag in Augsburg beginnt im August, die ersten Fitnesstests beim TVA hat er souverän gemeistert.

    Nach fünf Jahren bei den Nürnberg Ice Tigers wird Augsburg ein Neuanfang für den Rosenheimer. „Das Ende in Nürnberg war nicht so schön. Wenn es nicht läuft, dann wird auf einmal alles ausgegraben, was vorher keinen gestört hat. Keiner ist fehlerfrei, ich habe viel daraus gelernt“, sagt Ehelechner, der auf seine Bilanz bei den Franken verweist. „Mir war egal, dass die Nürnberger der Meinung waren, neben mir einen ausländischen Torhüter beschäftigen zu müssen, um aus mir noch mehr Leistung herauszukitzeln. Ich wusste, wenn ich zeige, was ich kann, bin ich besser.“

    Ehelechner war die Nummer eins der Ice Tigers, aber da die Vereinsführung keinen Kontakt zu ihm suchte, hat er früh geahnt, dass er sich neu orientieren muss. Nürnberg nahm Panther-Torhüter Tyler Weiman unter Vertrag, Augsburg griff bei Ehelechner zu. „Es gab Interessenten aus dem Ausland, aber ich entschied mich für die Panther, weil jeder weiß, was Trainer Larry Mitchell aus Dennis Endras gemacht hat.“

    Endras wurde in Augsburg zum Nationaltorhüter, Ehelechner ist es bereits. Das letzte seiner neun Länderspiele bestritt er im Dezember beim 4:3 nach Penaltyschießen gegen die russische Olympia-Auswahl. „Jeder Bundestrainer hat seine Favoriten, ich bin aus dem Alter raus, dass ich mich darüber ärgere.“ Aber es ist zu spüren, wie sehr es ihn freuen würde, wenn noch ein paar Länderspiele dazukommen würden.

    Mit seinen Leistungen bei den Panthern kann er sich empfehlen. „Augsburg ist eine Eishockeystadt. Es spricht für sich, dass die Panther ihre Zuschauerzahlen halten konnten, obwohl der FCA mittlerweile in der Fußball-Bundesliga spielt. Wir können mehr, als die Großen nur ärgern“, ist Ehelechner überzeugt und freut sich auf die neue Saison. „Trainer Mitchell hat seinen Torhütern bisher immer vertraut und sie an einem schlechten Tag nicht nach drei Minuten ausgewechselt.“ Doch Ehelechner weiß, dass es auf die gesunde Mischung in der Beziehung Trainer–Torhüter ankommt. „Zu viel Draufhauen bringt ebenso wenig, wie nur nett zu sein. Das spürt ein Trainer normalerweise. Manchmal muss dem Torhüter gut zugeredet werden, weil er eine schlechte Phase hat. Das andere Mal muss er eine auf den Deckel bekommen, weil er glaubt, er ist der Größte und deshalb Eier kassiert hat.“

    Warum hat sich er ins Tor gestellt? „Es ist cool, Spiele zu entscheiden, aber natürlich kann der Schuss auch nach hinten losgehen.“ Ehelechner lebt als Torhüter zwischen Extremen. Ein Berliner Mentaltrainer hilft ihm dabei, den Herausforderungen selbstbewusst zu begegnen. „Er bereitet mich darauf vor, was kommen kann – positiv wie negativ. Das hat mir sicher dabei geholfen, in Nürnberg ruhig zu bleiben, obwohl es um mich herum ein wenig stürmisch war.“

    Seine persönliche Selbstdiagnose: „Für einen Torwart bin ich sehr normal“, versichert er und fühlt sich als Vertreter einer neuen Generation. „Früher hieß es immer, die haben einen an der Waffel. Auch ich habe meine Rituale – wie die Bananen und die Pasta vor dem Spiel. Aber ich klopfe mir nicht 15 Mal auf den Kopf oder 38 Mal auf die Beinschienen wie andere.“ Der Torhüter ist häufig nicht nur vom psychologischen Geschick, sondern auch vom System des Trainers abhängig. Bei Hans Zach sahen die Spezialisten vor dem Eisengehäuse immer gut aus, weil er seine Feldspieler auf strikte Defensivdisziplin eingeschworen hatte. „Wenn wir hinten zu offen stehen sollten, ist es mein Job, den Jungs zu helfen und Gegentore zu verhindern“, hält sich Ehelechner mit Taktikfragen nicht lange auf.

    Er hat viel erlebt, seit er vor fast 20 Jahren in Rosenheim mit dem Eishockey begann. Sein Idol heißt Olaf Kölzig, der bei den Washington Capitals Dave Prior als Torwarttrainer hatte. „Ich habe mit Prior zum ersten Mal 1995 in Rosenheim zusammengearbeitet. Damals war ich elf. Er hat mich zu dem gemacht, was ich heute bin.“

    Ehelechner hat sogar versucht, in Nordamerika Fuß zu fassen. Zwei Jahre spielte er in der kanadischen Juniorenliga OHL für die Sudbury Wolves (2003 bis 2005), dann brachte der Arbeitskampf in der NHL seine Pläne durcheinander. „Es gab keine freien Plätze für mich, deshalb bin ich zurück nach Deutschland.“ Die San Jose Sharks (NHL) hatten sich die Rechte an dem Rosenheimer gesichert, später wechselten sie zu den Pittsburgh Penguins. „Ich war zweimal im Trainingscamp.“ Der Durchbruch gelang nicht. „Ich bin mit mir im Reinen“, trauert Ehelechner der Chance nicht mehr nach.

    Mannheim, Duisburg und Nürnberg folgten. Im Oktober 2009 riss das Kreuzband im linken Bein. „Sechs Monate Reha waren für mich ein vollkommen neues Gefühl. Ich hatte das Glück, dass ich den Fußballer Andreas Wolf vom 1. FC Nürnberg als Trainingspartner hatte.“ Wolf spielt mittlerweile in Monaco, Ehelechner bereitet sich auf seine Zeit bei den Panthern vor. „Meine Wohnung habe ich mir bereits ausgesucht.“

    Mit Michael Bakos (bisher Straubing) trifft er einen Bekannten aus Mannheim wieder. Bis es so weit ist, hilft Ehelechner den Eltern in ihrem Kosmetikvertrieb und geht mit dem australischen Schäferhund Mio zum Joggen. „In Rosenheim bin ich daheim, aber ich kann mir vorstellen, länger in Augsburg zu spielen. Denn ich bin kein Eishockey-Wandervogel.“

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