Startseite
Icon Pfeil nach unten
Augsburg
Icon Pfeil nach unten
Lokalsport
Icon Pfeil nach unten

EM vor Ort: Kopfschütteln über diesen Auftakt

EM vor Ort

Kopfschütteln über diesen Auftakt

    • |

    Die Stimmung ist phantastisch. Jedenfalls vor dem Spiel. „Wenn ein Tor für uns fällt, dann halten Sie Ihre Flasche gut fest. Die könnte zu Bruch gehen“, lächelt der freundliche türkische Fußballfan. Für die Türkei hat gestern die Fußball-Europameisterschaft begonnen. Kroatien war der erste Gegner.

    Im Vereinsheim von Türkspor Augsburg sind vorwiegend Mitglieder des Klubs. Und alles reine Männersache. Hasan Senjuva, ein Mitarbeiter des Vereins, glaubt allerdings, dass die EM eher zu einer deutschen Angelegenheit wird: „Deutschland zeichnet die mentale Stärke aus, und das könnte entscheidend sein.“ Ahmet Demir, der Abteilungsleiter von Türkspor, ist kurz vor der Partie noch sehr zuversichtlich: „Ich erwarte einen klaren Sieg. Wir waren zuletzt 13 Spiele unbesiegt und haben eine gute Mannschaft.“ Cemil Efe ist dagegen vorsichtig: „Ich könnte auch mit einem Unentschieden leben.“

    Dann ist alles angerichtet. Die türkische Fahne hängt unter dem Fernseher. Der Halbmond und der Stern auf der Flagge sollen den Spielern auf dem Bildschirm Flügel verleihen. Entsetzen aber schon nach 31 Minuten, als Tosun eine klare Kopfballchance für die Türkei vergibt. Ein Gast knallt wütend ein Fenster zu, das dem engen Raum wenigstens etwas Luft gespendet hat. Aber diese Möglichkeit hat auch Mut gemacht. „Shalala lalala Türkiey Türkiey“ , singen die ersten und beklatschen die Angriffe ihrer Landsleute auf dem Rasen. Doch die Kroaten arbeiten gegen die gute Stimmung im Lokal. Als Luka Modric mit einem fulminanten Weitschuss die 1:0-Führung für Kroatien erzielt, wird es für eine halbe Minute völlig ruhig im Lokal.

    Ein Besucher nimmt den Kopf in die Hände und sinkt mit dem Oberkörper auf die Tischfläche. Wenige Minuten später kommt der Halbzeitpfiff – Zigarettenpause. Vor dem Lokal wird eifrig diskutiert. „Die Kroaten wissen genau, was sie machen müssen. Alle gefährlichen Angriffe kommen über rechts. Da ist unsere Schwachstelle in der Abwehr“, ärgert sich Senjuva.

    Spätestens als nach der Pause Kroatien zweimal am Aluminium scheitert, wären sämtliche Gäste mit einem Unentschieden zufrieden. „Bitte nicht verlieren. Das erste Spiel ist so wichtig“, sagt einer und haut mit der Faust auf den Tisch, dass die Flaschen wackeln. Die Türkei wird aber nicht besser. Im Gegenteil. Kroatien erspielt sich eine Chance nach der anderen. Selbst ein Unentschieden wäre alles andere als verdient.

    Noch einmal klopfen Hände auf den Tisch, als die Türkei in der Nachspielzeit noch eine Chance versiebt. Dann ist Feierabend, die Türkei hat den EM-Auftakt mit 0:1 verloren. „Herzliches Beileid“ ruft ein älterer Türke frustriert durch das Lokal. „Da ist eine gewaltige Steigerung nötig. Wenn die nicht kommt, dann tschüss nach den Gruppenspielen“, schüttelt Senjuva den Kopf.

    Die meisten Türken rauchen sich nach dem Spiel den Ärger von der Seele. Ein paar gehen zur Tagesordnung über und eröffnen einen Tisch, an dem Karten gespielt wird. Zwei Chancen bleiben der Türkei noch. Gegen Spanien und gegen Tschechien. „Son careye sarilmak“ sagt ein türkisches Sprichwort: Der Ertrinkende klammert sich an jeden Strohhalm.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden