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Corona-Pandemie: Geschlossene Hallen: Augsburger Sportvereine fühlen sich im Stich gelassen

Corona-Pandemie

Geschlossene Hallen: Augsburger Sportvereine fühlen sich im Stich gelassen

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    Um ein ausgeklügeltes Hygieneschutzsystem hat sich die TSG Augsburg-Hochzoll bemüht. Die Sportstätte ist dennoch wie alle anderen in der Stadt seit Wochen geschlossen.
    Um ein ausgeklügeltes Hygieneschutzsystem hat sich die TSG Augsburg-Hochzoll bemüht. Die Sportstätte ist dennoch wie alle anderen in der Stadt seit Wochen geschlossen. Foto: Köberling

    Gisela Weber ist 76 Jahre alt und seit über 30 Jahren mit Herz und Seele Übungsleiterin für Gymnastik und Gesundheitssport bei der TSG Augsburg. Doch momentan ist sie angesichts der Situation in ihrem Verein ziemlich ratlos. Sie kann wie viele andere Übungsleiter, Trainer und Funktionäre nicht nachvollziehen, warum "unsere Vereinsmitglieder die komplette Sportanlage, Freigelände sowie Turn- und Tennishalle nicht betreten dürfen, die Schulklassen aber schon." Die Kinder würden täglich in vollen Bussen zum Sportunterricht in die sonst gesperrte Turnhalle gebracht. "Unsere Vereinsangebote für den Gesundheitssport wie Wirbelsäulengymnastik und Koronarsport sind verboten, beim Unternehmen Medaktiv sind sie aber erlaubt. Dafür fehlt doch jedes Verständnis", kritisiert sie die aktuellen Regeln.

    Corona-Krise: In Augsburger Sportvereinen wird eine Kündigungswelle erwartet

    Das Kopfschütteln und der Unmut über die unnachvollziehbaren Maßnahmen im Sport wächst. Die meist ehrenamtlich arbeitenden Vereinschefs sind in der misslichen Lage, ihren Mitgliedern die strikte Einhaltung zu rechtfertigen und wegen der kompletten Hallenschließungen um Verständnis zu bitten. Doch alle geraten langsam an ihre Grenzen. Mit zunehmender Verzweiflung haben die Vorsitzenden der Augsburger Sportvereine deshalb auch die Verlängerung der Komplett-Schließung bis mindestens zum 10. Januar 2021 registriert. Sie bestätigen die Aussagen des Bayerischen Landessportverbandes (BLSV), dass die Lage für die Vereine bald existenzbedrohend wird. Dass die Kündigungen von Mitgliedern sprunghaft ansteigen. Besonders bei Kindern und Jugendlichen sei laut Auswertung des BLSV ein Rückgang von bis zu 4,3 Prozent zu verzeichnen.

    Der Landessportverband rechnet zum Jahresende 2020 mit einem Rückgang von weit mehr als 100.000 Mitgliedern in den bayerischen Sportvereinen. Zusätzlich hätten zum heutigen Stand bereits rund 65.000 Mitglieder ihre Kündigungen für das kommende Jahr schon vorgemerkt, sodass diese ab Januar 2021 keine Vereinsmitglieder mehr sein werden. Der Mitgliederrückgang wird also zu Beginn des neuen Jahres noch höher ausfallen – Tendenz weiter steigend.

    Augsburger Vereinsvorsitzende fühlen sich in der Corona-Krise im Stich gelassen

    Hans Wengenmeir, Vorsitzender des Polizeisportvereins Augsburg und Stadtrat der Bürgerlichen Mitte in einer Person, kann diese Entwicklung nur bestätigen. Sein Verein hat derzeit rund 650 Mitglieder und in den Abteilungen Boxen, Kickboxen, Karate, Judo, Fußball, Tischtennis und Gymnastik einen Jugendanteil von 50 Prozent. Doch Wengenmeir sieht den Vereins- und Breitensport in dieser Krise von der Politik ziemlich im Stich gelassen und von der Öffentlichkeit nicht ausreichend beachtet. "Warum werden unsere Sorgen im Vereinssport insbesondere von der Politik nicht wirklich wahrgenommen? Sieht man aktuell die Summen, mit denen beispielsweise die Kultur berechtigterweise unterstützt wird, wird der Breitensport in Relation zu seiner gesellschaftlichen Bedeutung aus der Portokasse bedient. Einzige Ausnahme ist die Verdopplung der Vereinspauschale", sagt Wengenmeir.

    Mit größerer finanzieller Hilfestellung könnten die meisten Vereine, wie auch sein Polizei SV, nicht rechnen. Staatliche Corona-Hilfen bekämen Sportvereine nur, wenn der gewerbliche Umsatz unter 30.000 Euro im Jahr liege oder der Verein in seiner Existenz bedroht wäre. So weit sei es beim Polizei SV glücklicherweise noch nicht.

    So fühlen sich die Ehrenamtlichen im Sportverein mit ihren Sorgen – finanziell bis organisatorisch – ziemlich allein gelassen. Mit den Sorgen, wie viel Aufwand es bedeutet, Trainingseinheiten per Videokonferenzen zu übertragen. Wie teuer es ist, eine vereinseigene Anlage ohne Publikumsverkehr in Schuss zu halten. Oder wie viel Geld in den vergangenen Monaten in die Hygieneschutzkonzepte geflossen ist. "Bei sieben Abteilungen plus verpachteter Gastronomie waren neun Hygienekonzepte für unsere Sportanlage notwendig", gibt Wengenmeir zu Bedenken.

    20.000 Euro hat die TSG Hochzoll in Hygiene- und Infektionsschutzmaßnahmen investiert

    Auch Professor Klaus Koberling, Vorsitzender der TSG Augsburg-Hochzoll kann die vom BLSV prognostizierten Trends für seinen Verein nur bestätigen. "Besonders in unserem Gesundheits- und Fitnessstudio haben wir jetzt schon besorgniserregende Kündigungen. Ansonsten kommen wir bis jetzt einigermaßen durch", berichtet der Vorsitzende des Acht-Abteilungen-Vereins, der sich vor allem auf Bewegungsfindung, Tanz, Gymnastik sowie Fitness- und Gesundheitssport fokussiert, aber auch Hobby und Freizeit, Fußball, Tennis und Tischtennis anbietet. Man habe eine Mitgliedschaft, die viel Verständnis dafür zeige, was der Verein bisher in Sachen Hygieneschutzmaßnahmen für einen Wert von rund 20.000 Euro bereits auf die Beine gestellt habe. Dazu gehören Desinfektionsspender, Anwesenheitslisten, getrennte Wege beim Betreten und Verlassen der Anlage sowie die Verbesserung der Luftqualität durch den Einbau von Luftfiltern und der Modernisierung der Abluftanlagen. "Wir messen die PPM-Werte und garantieren, dass der Grenzwert nicht überstiegen wird", macht Koberling deutlich, wie gut sein Verein auf die Rückkehr der Mitglieder vorbereitet ist.

    Um sie auch momentan im Lockdown bei der Stange zu halten, geht die TSG Hochzoll wie die meisten anderen Augsburger Sportvereine den digitalen Weg. Positives Feedback bekomme man auf die vielfältigen Online-Angebote der verschiedenen Sparten. Doch auch hier gibt es einen gewaltigen Haken. So ist Koberling davon enttäuscht, dass laut Corona-Regeln nicht einmal diese Online-Trainingsvideos in der TSG-Sportstätte von einer Person aufgenommen werden dürften. Dabei würde gerade das die Verbindung und die Verbundenheit zum Verein aufrechterhalten. "Ich habe vom Referat für Nachhaltigkeit, Umwelt, Klima und Gesundheit die Anweisung bekommen, dass in den Sportstätten keine Trainingsübertragungen stattfinden dürfen. Das verstehen wir überhaupt nicht", sagt Koberling. Deshalb habe die TSG Hochzoll gemeinsam mit dem TV Augsburg eine Anfrage beim BLSV laufen. Denn das begreift doch niemand mehr. Online-Übertragungen aus Sporthallen sollten ermöglicht werden, diese bieten unseren Mitgliedern doch die Chance, sich daheim zu bewegen."

    Augsburger Sportvereine erwarten Lockerungen von der Politik

    Video-Aufnahmen direkt aus der Sporthalle würden bei den Mitgliedern ja nicht nur besser und wirksamer ankommen als Videos aus den heimischen Wohnzimmern, sondern auch die Verbindung zum Verein aufrechterhalten. Hier sei nun der BLSV als Dachorganisation des Bayerischen Sports gefragt, sagt Koberling. Und betont, dass Online-Angebote auch niemals den Sozialkontakt innerhalb des Vereins ersetzen könnten. Deshalb will Koberling gerüstet sein: "Wir gehen davon aus, dass die Beschränkungen in absehbarer Zeit nicht komplett aufgehoben werden. Deswegen gilt unsere Aufmerksamkeit weiterhin den organisatorischen und technischen Maßnahmen, um noch besser und sicherer für das Mitglied arbeiten zu können. Das ist eine Riesenaufgabe, aber der stellen wir uns." Dieses Bemühen und den finanziellen Aufwand müssten die Staats- wie Stadtregierung dann aber auch irgendwann in Form von Lockerungen für die engagierten Sportvereine honorieren.

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