Bei der Weihnachtsfeier in der Wärmestube für Obdachlose des SKM Augsburg (Katholischer Verband für soziale Dienste e. V.) hat sie es wieder erlebt: die Dankbarkeit und Freude der Menschen über die Strickmützen, Schals und warmen Socken, die Alexandra Hager vom Verein Stricken für Obdachlose verteilte. „Besonders toll fanden die Empfänger und Empfängerinnen, dass sie sich ihre Sachen selbst aussuchen konnten“, erzählt Hager.
Die Münsterhauserin aus dem Landkreis Krumbach hat vor fünf Jahren die Aktion „Stricken für Obdachlose“ ins Leben gerufen, aus der im Lauf der Jahre ein Verein wurde. Für diesen stricken inzwischen mehr als 60 Frauen. Allein im vergangenen Jahr konnte der Verein neben Gestricktem Geldspenden in Höhe von 23.300 Euro an die Wärmestube und 1400 Euro an die Bahnhofsmission in Ulm übergeben, die seit Kurzem ebenfalls unterstützt wird. Doch der Reihe nach.
Einen ganzen Wagen voller Duschgels schob die Dame vor Alexandra Hager vor einigen Jahren an die Kasse eines Drogeriemarktes. Das machte sie schon ein wenig neugierig und sie fragte nach. Die Antwort: Die Duschgels seien für Hygienepäckchen für Obdachlose aus der Wärmestube in Augsburg gedacht. Die Begegnung damals brachte Alexandra Hager ins Grübeln, die sich gerne sozial engagieren wollte.
Also begann sie selbst in kleinem, privatem Rahmen für Weihnachtspäckchen für Obdachlose zu sammeln. Das war 2019. Ein Jahr später ging sie mit der Sammelaktion an die Öffentlichkeit. Die Resonanz war gewaltig. Besonders gut kamen die vielen gespendeten selbst gestrickten Socken bei den Empfängern an.
Alexandra Hager, die selbst ursprünglich gar nicht stricken konnte, nahm sich vor, bis Weihnachten 2021 genau 100 Paar Stricksocken einzusammeln. Sie rührte abermals die Werbetrommel für die Aktion und konnte allein in einer Woche 30 Mitstreiterinnen gewinnen, die nicht nur Socken, sondern auch Schals und Mützen stricken wollten.
Zeit hatten damals viele, schließlich legte die Corona-Pandemie das Land lahm. Schon im Frühling war das gesteckte Ziel erreicht. Doch alle wollten weitermachen. Es entstanden bis zur Mitte des Jahres ganze Sets als Weihnachtsgeschenke für die Obdachlosen bestehend aus Socken, Handstulpen und Schals.
Und alle wollten weiterstricken. Deshalb beschloss Hager, die Sachen auch auf Weihnachtsmärkten zugunsten der Obdachlosen zu verkaufen. Weil es jedoch wegen Corona keine Märkte gab, suchte sie Verkaufsstellen für die Produkte und fand sie erst bei einem Friseur und bei Motorgeräte Schreiegg. Außerdem räumte Hager kurzerhand ihren Fahrradschuppen aus und richtete dort einen Minimarkt ein, den es heute noch gibt und wo man die Handarbeiten das ganze Jahr über kaufen kann.
Mit den Einnahmen aus den Verkäufen unterstützt sie gemeinsam mit den anderen Frauen – einen männlichen Stricker gibt es bisher nicht – seit 2022 die Wärmestube beim Kauf von Lebensmitteln, die ebenfalls an die Obdachlosen verteilt werden. „Ich begleite alle zwei Wochen die Leiterin der Wärmestube bei den Einkäufen und weiß so, dass jeder Cent, den wir einnehmen auch direkt in die Hilfe für Obdachlose fließt“, erklärt Hager.
Das sei vielen Sach- und Geldspenderinnen und -spendern wichtig und vielleicht das Erfolgsgeheimnis des kleinen, 2023 gegründeten Vereins, der eigentlich nur aus sieben Personen um die 1. Vorständin Alexandra Hager besteht. Die fleißigen Strickerinnen machen alle freiwillig mit und nur so viel und so lange, wie sie mögen. Kosten entstehen dem Verein keine, denn die Wolle wird meist in großen Mengen von Unternehmen gespendet. So wurden allein vergangenes Jahr 230 Kilogramm Wolle von den Damen in 14.500 Stunden verarbeitet.
Unter anderem auch beim Stricktreff, der inzwischen einmal monatlich im Vereinsheim des Kleintierzuchtvereins in Münsterhausen stattfindet und für soziale Kontakte sorgt. Denn eins ist klar: Der Verein hilft zwar in erster Linie Obdachlosen, aber er gibt auch vielen Menschen eine Heimat, die sich sozial engagieren möchten und eine Aufgabe wollen.
Mit dem Geld aus den Verkäufen finanziert der Verein aber nicht nur Lebensmitteleinkäufe oder Kleinigkeiten für die Küche der Wärmestube, sondern auch seit Neuem einen Foodtruck. Dieser gehört zum Landgasthof Bischof in Edelstetten und macht einmal im Jahr Station im Hof der Wärmestube. Für die Obdachlosen gibt es dann Burger und Pommes. Die Aktion ist auch für dieses Jahr geplant. „Das geht auch nur, weil uns der Landgasthof preislich sehr entgegenkommt“, freut sich Hager, die ständig auf der Suche nach Sponsoren ist, über verschiedene Sammelstellen Lebensmittel sammelt und diese auch selbst zur Wärmestube fährt.
Für ihr großes soziales Engagement wurde sie deshalb im Sommer 2023 von der Redaktion der Mittelschwäbischen Nachrichten mit der Silber-distel ausgezeichnet. Für die Wärmestube des SKM ist der Verein „Stricken für Obdachlose“ inzwischen neben dem Förderverein Wärmestube SKM-Augsburg e. V. ein wichtiger Unterstützer geworden, den man dort nicht mehr missen möchte.
Der Erfolg der Strickaktion und des Vereins macht Hager stolz, gleichzeitig aber auch ein wenig Sorgen. Denn: Es steckt sehr viel Arbeit darin, gibt die 54-Jährige zu, die „nebenbei“ auch noch berufstätig ist. Trotz des hohen Zeitaufwands will Hager aber erst einmal weitermachen – sie und ihre über 60 strickenden „Mädels“ zwischen 60 und 91 Jahren. Zu erfüllend empfinden sie und die anderen die Aufgabe.
„Aber auf lange Sicht wäre es schön, wenn es für uns alle Nachfolger oder Nachfolgerinnen gäbe“, hofft Hager. Dann wäre der Fortbestand des Vereins gesichert und es gäbe weiter Menschen, die sich für Obdachlose einsetzen. „Schließlich muss bald das Gebäude der Wärmestube saniert werden und das kostet Geld, viel Geld“, resümiert sie und denkt darüber nach, ob Unterstützung für dieses Vorhaben möglich sein könnte.
Die Strickwaren des Vereins sind erhältlich bei:
Stricken für Obdachlose e. V. Raiffeisenbank Augsburger Land West IBAN DE32 7206 9274 0008 9788 67
Der Tagesaufenthalt Wärmestube ist Treffpunkt und geschützter Ort für wohnungslose und bedürftige Bürgerinnen und Bürger und zugleich das Herzstück des SKM Augsburg. Ehren- und hauptamtliche Mitarbeitende versorgen die Besucherinnen und Besucher der Wärmestube mit kostenlosem warmen Essen, Brotzeiten sowie Tee, Kaffee und Wasser.