520.000 Bücher standen hier einst in den Regalen. Nun warten die historischen Möbel sorgsam verpackt inmitten der Baustelle der Staats- und Stadtbibliothek auf die Rückkehr des umfangreichen Bestandes, der seit Jahren ins Bayernkolleg ausgelagert ist. Doch bis es soweit ist, ist in dem altehrwürdigen Gebäude an der Schaezlerstraße, das seit knapp zwei Jahren für die Öffentlichkeit geschlossen ist, noch einiges zu tun. Aktuell, sagt Projektleiterin und Architektin Simone Zeller, befinde man sich auf dem Höhepunkt des Rückbaus. „Jetzt können wir dann langsam die Zutaten wieder einfügen.“
Viele Elemente, die den Charme des Gebäudes, das in den Jahren 1892 und 1893 erbaut wurde, ausmachen, seien aktuell versteckt, sagt Zeller. Die Marmorstufen im Prachttreppenhaus, der Terrazzoboden. Die kunstvoll verzierten Säulen im Eingangsbereich liegen hinter Sperrholzplatten verborgen, damit sie keinen Schaden nehmen. Dass so große Teile der Originalsubstanz aus der Bauzeit erhalten sind, sei Fluch und Segen zugleich, verrät die Bauleiterin, während sie durch die Baustelle führt. Natürlich sei es ein Glücksfall, dass sich hier, anders als in vielen anderen Gebäuden, über die Jahrhunderte nur wenig verändert habe. „Das gilt es jetzt aber auch zu schützen und zu erhalten.“ Und doch wird sich mit dem Umbau des Bestandsgebäudes und dem sich anschließenden Neubau, der bis Ende 2026 fertig sein soll, auch einiges ändern.
Künftig können Besucher auch das Prachttreppenhaus bewundern
Etwa im Saal gleich links neben dem großen Eingangsportal. Der war zur Bauzeit der Lesesaal, wurde aber schon kurz darauf zu klein. Künftig wird hier, mit Blick auf das Staatstheater in unmittelbarer Nachbarschaft, ein Ausstellungsraum sein, der nach dem Schatzkammerprinzip bespielt wird und den Bibliotheksbesuchern dauerhaften Zugang zu besonderen Kostbarkeiten der umfangreichen Sammlung erlaubt. Zwar habe es schon vorher Ausstellungsräume im Haus gegeben, doch die befanden sich nicht auf der Besucherebene und konnten so auch mit Blick auf die Aufsichtspflicht nur im Rahmen von Führungen oder in Begleitung von Mitarbeitern betreten werden.
Damit fristeten die teils opulent gestalteten Säle, in denen im Zuge der Arbeiten die originalen Deckenmalereien und Vergoldungen an den Metallgeländern wiederhergestellt werden, ein ebenso stiefmütterliches Dasein wie das Prachttreppenhaus. Denn auch das, sagt Simone Zeller mit einem Blick auf die reich mit Stuck verzierte Decke, hätten früher hauptsächlich die Mitarbeiter zu Gesicht bekommen. Künftig schafft das Treppenhaus aber die Verbindung zum Neubau und wird dadurch auch für die Besucher zugänglich.
Der neue Lesesaal im Neubau ist 400 Quadratmeter groß
Die können sich nach dem Ende der Bauarbeiten aber nicht nur auf spannende Einblicke in das Baudenkmal freuen, sondern vor allem auch auf einen deutlich größeren Lesesaal. Anstelle des früheren Raums, der auf dem Weg ins Souterrain lag und gerade einmal 120 Quadratmeter hatte, tritt ein 400 Quadratmeter großer Saal mit Fenstern in den Innenhof, der ein gesamtes Stockwerk des Neubaus umfassen wird.
Daneben wird im Neubau auch dringend benötigter Platz für weitere Magazine geschaffen. Damit auch die 80.000 Bücher, die aufgrund von Platzmangel vor Jahren nach München ausgelagert wurden, wieder nach Augsburg zurückkehren können. Insgesamt, sagt die Bauleiterin, werden künftig im alten Gebäude die neueren Teile des Bestands, der mittlerweile auf 800.000 Bücher angewachsen ist, gelagert. Das Tresormagazin und die historisch wertvolleren Bücher ziehen in den Neubau, der vor allem klimatisch deutlich bessere Bedingungen für die Raritäten bietet.
Die Archäologen haben bisher keine größeren Funde gemacht
Aktuell sind aber noch die Archäologen damit beschäftigt, Schicht um Schicht in den Untergrund und die Baugrube für den Neubau vorzudringen. Aus den Fenstern der Magazingeschosse, in denen eigens von MAN gefertigte Stahlträger über hundert Jahre lang die Last von tausenden von Büchern getragen haben, hat man einen guten Blick auf ihren Arbeitsbereich. Mit roten Fäden ist er sorgsam in kleine Quadrate unterteilt. Bisher, sagt Johannes Eisele, der für den Bau zuständige Abteilungsleiter am Staatlichen Bauamt, habe man Glück gehabt und es seien keine größeren Überraschungen zutage getreten. Ganz anders als beim Bau des Staatstheaters nur einen Steinwurf entfernt.
Mittlerweile haben sich die Archäologen auf sieben Meter unter Bodenniveau hinabgearbeitet, in die Römerzeit. Schon bald, glaubt Simone Zeller, könnte der sogenannte „gewachsene Boden“ erreicht sein. Läuft alles weiterhin planmäßig, könne dann im April die Bodenplatte gegossen werden. Damit liegt die Baustelle im Zeitplan. Gleichzeitig, sagt Johannes Eisele, liege man aber auch im ursprünglich gesteckten Kostenrahmen, der bei 62,5 Millionen Euro liegt.
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